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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
zu antworten, denn ich zeige Innstetten immer Eure
Briefe, und er wäre außer sich, wenn er erführe, daß
ich Dir das geschrieben. Ich hätte es auch nicht
gethan und zwar um so weniger, als ich seit vielen
Wochen in Ruhe geblieben bin und aufgehört habe,
mich zu ängstigen; aber Johanna sagt mir, es käme
immer 'mal wieder, namentlich wenn wer Neues im
Hause erschiene. Und ich kann Dich doch einer solchen
Gefahr oder, wenn das zu viel gesagt ist, einer
solchen eigentümlichen und unbequemen Störung nicht
aussetzen! Mit der Sache selber will ich Dich heute
nicht behelligen, jedenfalls nicht ausführlich. Es ist
eine Geschichte von einem alten Kapitän, einem so¬
genannten Chinafahrer, und seiner Enkelin, die mit
einem hiesigen jungen Kapitän eine kurze Zeit verlobt
war und an ihrem Hochzeitstage plötzlich verschwand.
Das möchte hingeh'n. Aber was wichtiger ist, ein
junger Chinese, den ihr Vater aus China mit
zurückgebracht hatte und der erst der Diener und
dann der Freund des Alten war, der starb kurze Zeit
danach und ist an einer einsamen Stelle neben dem
Kirchhof begraben worden. Ich bin neulich da vor¬
über gefahren, wandte mich aber rasch ab und sah
nach der andern Seite, weil ich glaube, ich hätte ihn
sonst auf dem Grabe sitzen sehen. Denn ach, meine
liebe Mama, ich habe ihn einmal wirklich gesehen,

Effi Brieſt
zu antworten, denn ich zeige Innſtetten immer Eure
Briefe, und er wäre außer ſich, wenn er erführe, daß
ich Dir das geſchrieben. Ich hätte es auch nicht
gethan und zwar um ſo weniger, als ich ſeit vielen
Wochen in Ruhe geblieben bin und aufgehört habe,
mich zu ängſtigen; aber Johanna ſagt mir, es käme
immer 'mal wieder, namentlich wenn wer Neues im
Hauſe erſchiene. Und ich kann Dich doch einer ſolchen
Gefahr oder, wenn das zu viel geſagt iſt, einer
ſolchen eigentümlichen und unbequemen Störung nicht
ausſetzen! Mit der Sache ſelber will ich Dich heute
nicht behelligen, jedenfalls nicht ausführlich. Es iſt
eine Geſchichte von einem alten Kapitän, einem ſo¬
genannten Chinafahrer, und ſeiner Enkelin, die mit
einem hieſigen jungen Kapitän eine kurze Zeit verlobt
war und an ihrem Hochzeitstage plötzlich verſchwand.
Das möchte hingeh'n. Aber was wichtiger iſt, ein
junger Chineſe, den ihr Vater aus China mit
zurückgebracht hatte und der erſt der Diener und
dann der Freund des Alten war, der ſtarb kurze Zeit
danach und iſt an einer einſamen Stelle neben dem
Kirchhof begraben worden. Ich bin neulich da vor¬
über gefahren, wandte mich aber raſch ab und ſah
nach der andern Seite, weil ich glaube, ich hätte ihn
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liebe Mama, ich habe ihn einmal wirklich geſehen,

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[169/0178] Effi Brieſt zu antworten, denn ich zeige Innſtetten immer Eure Briefe, und er wäre außer ſich, wenn er erführe, daß ich Dir das geſchrieben. Ich hätte es auch nicht gethan und zwar um ſo weniger, als ich ſeit vielen Wochen in Ruhe geblieben bin und aufgehört habe, mich zu ängſtigen; aber Johanna ſagt mir, es käme immer 'mal wieder, namentlich wenn wer Neues im Hauſe erſchiene. Und ich kann Dich doch einer ſolchen Gefahr oder, wenn das zu viel geſagt iſt, einer ſolchen eigentümlichen und unbequemen Störung nicht ausſetzen! Mit der Sache ſelber will ich Dich heute nicht behelligen, jedenfalls nicht ausführlich. Es iſt eine Geſchichte von einem alten Kapitän, einem ſo¬ genannten Chinafahrer, und ſeiner Enkelin, die mit einem hieſigen jungen Kapitän eine kurze Zeit verlobt war und an ihrem Hochzeitstage plötzlich verſchwand. Das möchte hingeh'n. Aber was wichtiger iſt, ein junger Chineſe, den ihr Vater aus China mit zurückgebracht hatte und der erſt der Diener und dann der Freund des Alten war, der ſtarb kurze Zeit danach und iſt an einer einſamen Stelle neben dem Kirchhof begraben worden. Ich bin neulich da vor¬ über gefahren, wandte mich aber raſch ab und ſah nach der andern Seite, weil ich glaube, ich hätte ihn ſonſt auf dem Grabe ſitzen ſehen. Denn ach, meine liebe Mama, ich habe ihn einmal wirklich geſehen,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/178>, abgerufen am 21.11.2024.