Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite
Effi Briest

"Ich will Sie 'was fragen, Roswitha. Sind
Sie, was man so ,kinderlieb' nennt? Waren Sie
schon 'mal bei kleinen Kindern?"

"Gewiß, war ich. Das ist ja mein bestes und
schönstes. Solche alte Berlin'sche -- Gott verzeih'
mir die Sünde, denn sie ist nun tot und steht vor
Gottes Thron und kann mich da verklagen -- solche
Alte, wie die da, ja, das ist schrecklich, was man da
alles thun muß, und steht einem hier vor Brust
und Magen, aber solch' kleines, liebes Ding, solch'
Dingelchen wie 'ne Puppe, das einen mit seinen
Guckäugelchen ansieht, ja, das ist 'was, da geht einem
das Herz auf. Als ich in Halle war, da war ich
Amme bei der Frau Salzdirektorin, und in Giebichen¬
stein, wo ich nachher hinkam, da hab' ich Zwillinge
mit der Flasche groß gezogen; ja, gnäd'ge Frau, das
versteh' ich, da drin bin ich wie zu Hause."

"Nun, wissen Sie was, Roswitha, Sie sind
eine gute, treue Person, das seh' ich Ihnen an, ein
bißchen gradezu, aber das schadet nichts, das sind
mitunter die besten, und ich habe gleich ein Zu¬
trauen zu Ihnen gefaßt. Wollen Sie mit zu mir
kommen? Mir ist, als hätte Gott Sie mir geschickt.
Ich erwarte nun bald ein Kleines, Gott gebe mir
seine Hülfe dazu, und wenn das Kind da ist, dann
muß es gepflegt und abgewartet werden und vielleicht

Effi Brieſt

„Ich will Sie 'was fragen, Roswitha. Sind
Sie, was man ſo ,kinderlieb‘ nennt? Waren Sie
ſchon 'mal bei kleinen Kindern?“

„Gewiß, war ich. Das iſt ja mein beſtes und
ſchönſtes. Solche alte Berlin'ſche — Gott verzeih'
mir die Sünde, denn ſie iſt nun tot und ſteht vor
Gottes Thron und kann mich da verklagen — ſolche
Alte, wie die da, ja, das iſt ſchrecklich, was man da
alles thun muß, und ſteht einem hier vor Bruſt
und Magen, aber ſolch' kleines, liebes Ding, ſolch'
Dingelchen wie 'ne Puppe, das einen mit ſeinen
Guckäugelchen anſieht, ja, das iſt 'was, da geht einem
das Herz auf. Als ich in Halle war, da war ich
Amme bei der Frau Salzdirektorin, und in Giebichen¬
ſtein, wo ich nachher hinkam, da hab' ich Zwillinge
mit der Flaſche groß gezogen; ja, gnäd'ge Frau, das
verſteh' ich, da drin bin ich wie zu Hauſe.“

„Nun, wiſſen Sie was, Roswitha, Sie ſind
eine gute, treue Perſon, das ſeh' ich Ihnen an, ein
bißchen gradezu, aber das ſchadet nichts, das ſind
mitunter die beſten, und ich habe gleich ein Zu¬
trauen zu Ihnen gefaßt. Wollen Sie mit zu mir
kommen? Mir iſt, als hätte Gott Sie mir geſchickt.
Ich erwarte nun bald ein Kleines, Gott gebe mir
ſeine Hülfe dazu, und wenn das Kind da iſt, dann
muß es gepflegt und abgewartet werden und vielleicht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0201" n="192"/>
        <fw place="top" type="header">Effi Brie&#x017F;t<lb/></fw>
        <p>&#x201E;Ich will Sie 'was fragen, Roswitha. Sind<lb/>
Sie, was man &#x017F;o ,kinderlieb&#x2018; nennt? Waren Sie<lb/>
&#x017F;chon 'mal bei kleinen Kindern?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Gewiß, war ich. Das i&#x017F;t ja mein be&#x017F;tes und<lb/>
&#x017F;chön&#x017F;tes. Solche alte Berlin'&#x017F;che &#x2014; Gott verzeih'<lb/>
mir die Sünde, denn &#x017F;ie i&#x017F;t nun tot und &#x017F;teht vor<lb/>
Gottes Thron und kann mich da verklagen &#x2014; &#x017F;olche<lb/>
Alte, wie die da, ja, das i&#x017F;t &#x017F;chrecklich, was man da<lb/>
alles thun muß, und &#x017F;teht einem hier vor Bru&#x017F;t<lb/>
und Magen, aber &#x017F;olch' kleines, liebes Ding, &#x017F;olch'<lb/>
Dingelchen wie 'ne Puppe, das einen mit &#x017F;einen<lb/>
Guckäugelchen an&#x017F;ieht, ja, das i&#x017F;t 'was, da geht einem<lb/>
das Herz auf. Als ich in Halle war, da war ich<lb/>
Amme bei der Frau Salzdirektorin, und in Giebichen¬<lb/>
&#x017F;tein, wo ich nachher hinkam, da hab' ich Zwillinge<lb/>
mit der Fla&#x017F;che groß gezogen; ja, gnäd'ge Frau, das<lb/>
ver&#x017F;teh' ich, da drin bin ich wie zu Hau&#x017F;e.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nun, wi&#x017F;&#x017F;en Sie was, Roswitha, Sie &#x017F;ind<lb/>
eine gute, treue Per&#x017F;on, das &#x017F;eh' ich Ihnen an, ein<lb/>
bißchen gradezu, aber das &#x017F;chadet nichts, das &#x017F;ind<lb/>
mitunter die be&#x017F;ten, und ich habe gleich ein Zu¬<lb/>
trauen zu Ihnen gefaßt. Wollen Sie mit zu mir<lb/>
kommen? Mir i&#x017F;t, als hätte Gott Sie mir ge&#x017F;chickt.<lb/>
Ich erwarte nun bald ein Kleines, Gott gebe mir<lb/>
&#x017F;eine Hülfe dazu, und wenn das Kind da i&#x017F;t, dann<lb/>
muß es gepflegt und abgewartet werden und vielleicht<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[192/0201] Effi Brieſt „Ich will Sie 'was fragen, Roswitha. Sind Sie, was man ſo ,kinderlieb‘ nennt? Waren Sie ſchon 'mal bei kleinen Kindern?“ „Gewiß, war ich. Das iſt ja mein beſtes und ſchönſtes. Solche alte Berlin'ſche — Gott verzeih' mir die Sünde, denn ſie iſt nun tot und ſteht vor Gottes Thron und kann mich da verklagen — ſolche Alte, wie die da, ja, das iſt ſchrecklich, was man da alles thun muß, und ſteht einem hier vor Bruſt und Magen, aber ſolch' kleines, liebes Ding, ſolch' Dingelchen wie 'ne Puppe, das einen mit ſeinen Guckäugelchen anſieht, ja, das iſt 'was, da geht einem das Herz auf. Als ich in Halle war, da war ich Amme bei der Frau Salzdirektorin, und in Giebichen¬ ſtein, wo ich nachher hinkam, da hab' ich Zwillinge mit der Flaſche groß gezogen; ja, gnäd'ge Frau, das verſteh' ich, da drin bin ich wie zu Hauſe.“ „Nun, wiſſen Sie was, Roswitha, Sie ſind eine gute, treue Perſon, das ſeh' ich Ihnen an, ein bißchen gradezu, aber das ſchadet nichts, das ſind mitunter die beſten, und ich habe gleich ein Zu¬ trauen zu Ihnen gefaßt. Wollen Sie mit zu mir kommen? Mir iſt, als hätte Gott Sie mir geſchickt. Ich erwarte nun bald ein Kleines, Gott gebe mir ſeine Hülfe dazu, und wenn das Kind da iſt, dann muß es gepflegt und abgewartet werden und vielleicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/201
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/201>, abgerufen am 14.05.2024.