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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
alles soll ganz ungeniert seine Fortsetzung vor seinen
Ohren haben, und ich will ihm dabei jedes Wort
wiederholen, was ich jetzt eben gesagt habe."

"Glaub' es." Und nun brach Effi ihr Schweigen
und erzählte, was sie alles in ihrem Hause erlebt
und wie sonderbar sich Innstetten damals dazu gestellt
habe. "Er sagte nicht ja und nicht nein, und ich
bin nicht klug aus ihm geworden."

"Also ganz der Alte," lachte Crampas. "So
war er damals auch schon, als wir in Liancourt
und dann später in Beauvais mit ihm in Quartier
lagen. Er wohnte da in einem alten bischöflichen
Palast -- beiläufig, was Sie vielleicht interessieren
wird, war es ein Bischof von Beauvais, glücklicher¬
weise "Cochon" mit Namen, der die Jungfrau von
Orleans zum Feuertod verurteilte -- und da verging
denn kein Tag, das heißt keine Nacht, wo Innstetten
nicht Unglaubliches erlebt hatte. Freilich immer nur
so halb. Es konnte auch nichts sein. Und nach
diesem Prinzip arbeitet er noch, wie ich sehe."

"Gut, gut. Und nun ein ernstes Wort, Crampas,
auf das ich mir eine ernste Antwort erbitte: wie er¬
klären Sie sich dies alles?"

"Ja, meine gnädigste Frau ..."

"Keine Ausweichungen, Major. Dies alles ist
sehr wichtig für mich. Er ist Ihr Freund und ich

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Effi Brieſt
alles ſoll ganz ungeniert ſeine Fortſetzung vor ſeinen
Ohren haben, und ich will ihm dabei jedes Wort
wiederholen, was ich jetzt eben geſagt habe.“

„Glaub' es.“ Und nun brach Effi ihr Schweigen
und erzählte, was ſie alles in ihrem Hauſe erlebt
und wie ſonderbar ſich Innſtetten damals dazu geſtellt
habe. „Er ſagte nicht ja und nicht nein, und ich
bin nicht klug aus ihm geworden.“

„Alſo ganz der Alte,“ lachte Crampas. „So
war er damals auch ſchon, als wir in Liancourt
und dann ſpäter in Beauvais mit ihm in Quartier
lagen. Er wohnte da in einem alten biſchöflichen
Palaſt — beiläufig, was Sie vielleicht intereſſieren
wird, war es ein Biſchof von Beauvais, glücklicher¬
weiſe „Cochon“ mit Namen, der die Jungfrau von
Orleans zum Feuertod verurteilte — und da verging
denn kein Tag, das heißt keine Nacht, wo Innſtetten
nicht Unglaubliches erlebt hatte. Freilich immer nur
ſo halb. Es konnte auch nichts ſein. Und nach
dieſem Prinzip arbeitet er noch, wie ich ſehe.“

„Gut, gut. Und nun ein ernſtes Wort, Crampas,
auf das ich mir eine ernſte Antwort erbitte: wie er¬
klären Sie ſich dies alles?“

„Ja, meine gnädigſte Frau …“

„Keine Ausweichungen, Major. Dies alles iſt
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[227/0236] Effi Brieſt alles ſoll ganz ungeniert ſeine Fortſetzung vor ſeinen Ohren haben, und ich will ihm dabei jedes Wort wiederholen, was ich jetzt eben geſagt habe.“ „Glaub' es.“ Und nun brach Effi ihr Schweigen und erzählte, was ſie alles in ihrem Hauſe erlebt und wie ſonderbar ſich Innſtetten damals dazu geſtellt habe. „Er ſagte nicht ja und nicht nein, und ich bin nicht klug aus ihm geworden.“ „Alſo ganz der Alte,“ lachte Crampas. „So war er damals auch ſchon, als wir in Liancourt und dann ſpäter in Beauvais mit ihm in Quartier lagen. Er wohnte da in einem alten biſchöflichen Palaſt — beiläufig, was Sie vielleicht intereſſieren wird, war es ein Biſchof von Beauvais, glücklicher¬ weiſe „Cochon“ mit Namen, der die Jungfrau von Orleans zum Feuertod verurteilte — und da verging denn kein Tag, das heißt keine Nacht, wo Innſtetten nicht Unglaubliches erlebt hatte. Freilich immer nur ſo halb. Es konnte auch nichts ſein. Und nach dieſem Prinzip arbeitet er noch, wie ich ſehe.“ „Gut, gut. Und nun ein ernſtes Wort, Crampas, auf das ich mir eine ernſte Antwort erbitte: wie er¬ klären Sie ſich dies alles?“ „Ja, meine gnädigſte Frau …“ „Keine Ausweichungen, Major. Dies alles iſt ſehr wichtig für mich. Er iſt Ihr Freund und ich 15 *

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/236>, abgerufen am 24.11.2024.