Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Effi Briest
des alten Nettelbeck, das noch aus dem bescheidenen
Mobiliar des erst vor anderthalb Jahren verstorbenen
Ring'schen Amtsvorgängers herrührte. Niemand
hatte damals, bei der wie gewöhnlich stattfindenden
Auktion, das Bild des Alten haben wollen, bis Inn¬
stetten, der sich über diese Mißachtung ärgerte, dar¬
auf geboten hatte. Da hatte sich denn auch Ring
patriotisch besonnen, und der alte Colbergverteidiger
war der Oberförsterei verblieben.

Das Nettelbeck-Bild ließ ziemlich viel zu wünschen
übrig; sonst aber verriet alles, wie schon angedeutet,
eine beinahe an Glanz streifende Wohlhabenheit,
und dem entsprach denn auch das Mahl, das auf¬
getragen wurde. Jeder hatte mehr oder weniger
seine Freude daran, mit Ausnahme Sidoniens. Diese
saß zwischen Innstetten und Lindequist und sagte,
als sie Cora's ansichtig wurde: "Da ist ja wieder
dies unausstehliche Balg, diese Cora. Sehen Sie
nur, Innstetten, wie sie die kleinen Weingläser prä¬
sentiert, ein wahres Kunststück, sie könnte jeden
Augenblick Kellnerin werden. Ganz unerträglich.
Und dazu die Blicke von Ihrem Freunde Crampas!
Das ist so die rechte Saat! Ich frage Sie, was
soll dabei herauskommen?"

Innstetten, der ihr eigentlich zustimmte, fand
trotzdem den Ton, in dem das alles gesagt wurde,

Effi Brieſt
des alten Nettelbeck, das noch aus dem beſcheidenen
Mobiliar des erſt vor anderthalb Jahren verſtorbenen
Ring'ſchen Amtsvorgängers herrührte. Niemand
hatte damals, bei der wie gewöhnlich ſtattfindenden
Auktion, das Bild des Alten haben wollen, bis Inn¬
ſtetten, der ſich über dieſe Mißachtung ärgerte, dar¬
auf geboten hatte. Da hatte ſich denn auch Ring
patriotiſch beſonnen, und der alte Colbergverteidiger
war der Oberförſterei verblieben.

Das Nettelbeck-Bild ließ ziemlich viel zu wünſchen
übrig; ſonſt aber verriet alles, wie ſchon angedeutet,
eine beinahe an Glanz ſtreifende Wohlhabenheit,
und dem entſprach denn auch das Mahl, das auf¬
getragen wurde. Jeder hatte mehr oder weniger
ſeine Freude daran, mit Ausnahme Sidoniens. Dieſe
ſaß zwiſchen Innſtetten und Lindequiſt und ſagte,
als ſie Cora's anſichtig wurde: „Da iſt ja wieder
dies unausſtehliche Balg, dieſe Cora. Sehen Sie
nur, Innſtetten, wie ſie die kleinen Weingläſer prä¬
ſentiert, ein wahres Kunſtſtück, ſie könnte jeden
Augenblick Kellnerin werden. Ganz unerträglich.
Und dazu die Blicke von Ihrem Freunde Crampas!
Das iſt ſo die rechte Saat! Ich frage Sie, was
ſoll dabei herauskommen?“

Innſtetten, der ihr eigentlich zuſtimmte, fand
trotzdem den Ton, in dem das alles geſagt wurde,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0273" n="264"/><fw place="top" type="header">Effi Brie&#x017F;t<lb/></fw>des alten Nettelbeck, das noch aus dem be&#x017F;cheidenen<lb/>
Mobiliar des er&#x017F;t vor anderthalb Jahren ver&#x017F;torbenen<lb/>
Ring'&#x017F;chen Amtsvorgängers herrührte. Niemand<lb/>
hatte damals, bei der wie gewöhnlich &#x017F;tattfindenden<lb/>
Auktion, das Bild des Alten haben wollen, bis Inn¬<lb/>
&#x017F;tetten, der &#x017F;ich über die&#x017F;e Mißachtung ärgerte, dar¬<lb/>
auf geboten hatte. Da hatte &#x017F;ich denn auch Ring<lb/>
patrioti&#x017F;ch be&#x017F;onnen, und der alte Colbergverteidiger<lb/>
war der Oberför&#x017F;terei verblieben.</p><lb/>
        <p>Das Nettelbeck-Bild ließ ziemlich viel zu wün&#x017F;chen<lb/>
übrig; &#x017F;on&#x017F;t aber verriet alles, wie &#x017F;chon angedeutet,<lb/>
eine beinahe an Glanz &#x017F;treifende Wohlhabenheit,<lb/>
und dem ent&#x017F;prach denn auch das Mahl, das auf¬<lb/>
getragen wurde. Jeder hatte mehr oder weniger<lb/>
&#x017F;eine Freude daran, mit Ausnahme Sidoniens. Die&#x017F;e<lb/>
&#x017F;aß zwi&#x017F;chen Inn&#x017F;tetten und Lindequi&#x017F;t und &#x017F;agte,<lb/>
als &#x017F;ie Cora's an&#x017F;ichtig wurde: &#x201E;Da i&#x017F;t ja wieder<lb/>
dies unaus&#x017F;tehliche Balg, die&#x017F;e Cora. Sehen Sie<lb/>
nur, Inn&#x017F;tetten, wie &#x017F;ie die kleinen Weinglä&#x017F;er prä¬<lb/>
&#x017F;entiert, ein wahres Kun&#x017F;t&#x017F;tück, &#x017F;ie könnte jeden<lb/>
Augenblick Kellnerin werden. Ganz unerträglich.<lb/>
Und dazu die Blicke von Ihrem Freunde Crampas!<lb/>
Das i&#x017F;t &#x017F;o die rechte Saat! Ich frage Sie, was<lb/>
&#x017F;oll dabei herauskommen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Inn&#x017F;tetten, der ihr eigentlich zu&#x017F;timmte, fand<lb/>
trotzdem den Ton, in dem das alles ge&#x017F;agt wurde,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[264/0273] Effi Brieſt des alten Nettelbeck, das noch aus dem beſcheidenen Mobiliar des erſt vor anderthalb Jahren verſtorbenen Ring'ſchen Amtsvorgängers herrührte. Niemand hatte damals, bei der wie gewöhnlich ſtattfindenden Auktion, das Bild des Alten haben wollen, bis Inn¬ ſtetten, der ſich über dieſe Mißachtung ärgerte, dar¬ auf geboten hatte. Da hatte ſich denn auch Ring patriotiſch beſonnen, und der alte Colbergverteidiger war der Oberförſterei verblieben. Das Nettelbeck-Bild ließ ziemlich viel zu wünſchen übrig; ſonſt aber verriet alles, wie ſchon angedeutet, eine beinahe an Glanz ſtreifende Wohlhabenheit, und dem entſprach denn auch das Mahl, das auf¬ getragen wurde. Jeder hatte mehr oder weniger ſeine Freude daran, mit Ausnahme Sidoniens. Dieſe ſaß zwiſchen Innſtetten und Lindequiſt und ſagte, als ſie Cora's anſichtig wurde: „Da iſt ja wieder dies unausſtehliche Balg, dieſe Cora. Sehen Sie nur, Innſtetten, wie ſie die kleinen Weingläſer prä¬ ſentiert, ein wahres Kunſtſtück, ſie könnte jeden Augenblick Kellnerin werden. Ganz unerträglich. Und dazu die Blicke von Ihrem Freunde Crampas! Das iſt ſo die rechte Saat! Ich frage Sie, was ſoll dabei herauskommen?“ Innſtetten, der ihr eigentlich zuſtimmte, fand trotzdem den Ton, in dem das alles geſagt wurde,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/273
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/273>, abgerufen am 22.11.2024.