Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite
Effi Briest

"Ich bring' es Ihnen 'raus, Kruse," sagte Ros¬
witha. "Ihre Frau will mir bloß noch 'was er¬
zählen; aber es is gleich aus, und dann komm' ich
und bring' es."

Roswitha, die Flasche mit dem Lack in der
Hand, kam denn auch ein paar Minuten danach auf
den Hof hinaus und stellte sich neben das Sielen¬
zeug, das Kruse eben über den Gartenzaun gelegt
hatte. "Gott," sagte er, während er ihr die Flasche
aus der Hand nahm, "viel hilft es ja nicht, es
nieselt in einem weg, und die Blänke vergeht doch
wieder. Aber ich denke, alles muß seine Ordnung
haben."

"Das muß es. Und dann, Kruse, es ist ja
doch auch ein richtiger Lack, das kann ich gleich sehn,
und was ein richtiger Lack ist, der klebt nicht lange,
der muß gleich trocknen. Und wenn es dann morgen
nebelt oder naß fällt, dann schadet es nich' mehr.
Aber das muß ich doch sagen, das mit dem Chinesen
is eine merkwürdige Geschichte."

Kruse lachte. "Unsinn is es, Roswitha. Und
meine Frau, statt aufs Richtige zu sehen, erzählt
immer so 'was, un' wenn ich ein reines Hemd an¬
ziehen will, fehlt ein Knopp. Un' so is es nu' schon
so lange wir hier sind. Sie hat immer bloß solche
Geschichten in ihrem Kopp und dazu das schwarze

Effi Brieſt

„Ich bring' es Ihnen 'raus, Kruſe,“ ſagte Ros¬
witha. „Ihre Frau will mir bloß noch 'was er¬
zählen; aber es is gleich aus, und dann komm' ich
und bring' es.“

Roswitha, die Flaſche mit dem Lack in der
Hand, kam denn auch ein paar Minuten danach auf
den Hof hinaus und ſtellte ſich neben das Sielen¬
zeug, das Kruſe eben über den Gartenzaun gelegt
hatte. „Gott,“ ſagte er, während er ihr die Flaſche
aus der Hand nahm, „viel hilft es ja nicht, es
nieſelt in einem weg, und die Blänke vergeht doch
wieder. Aber ich denke, alles muß ſeine Ordnung
haben.“

„Das muß es. Und dann, Kruſe, es iſt ja
doch auch ein richtiger Lack, das kann ich gleich ſehn,
und was ein richtiger Lack iſt, der klebt nicht lange,
der muß gleich trocknen. Und wenn es dann morgen
nebelt oder naß fällt, dann ſchadet es nich' mehr.
Aber das muß ich doch ſagen, das mit dem Chineſen
is eine merkwürdige Geſchichte.“

Kruſe lachte. „Unſinn is es, Roswitha. Und
meine Frau, ſtatt aufs Richtige zu ſehen, erzählt
immer ſo 'was, un' wenn ich ein reines Hemd an¬
ziehen will, fehlt ein Knopp. Un' ſo is es nu' ſchon
ſo lange wir hier ſind. Sie hat immer bloß ſolche
Geſchichten in ihrem Kopp und dazu das ſchwarze

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0313" n="304"/>
        <fw place="top" type="header">Effi Brie&#x017F;t<lb/></fw>
        <p>&#x201E;Ich bring' es Ihnen 'raus, Kru&#x017F;e,&#x201C; &#x017F;agte Ros¬<lb/>
witha. &#x201E;Ihre Frau will mir bloß noch 'was er¬<lb/>
zählen; aber es is gleich aus, und dann komm' ich<lb/>
und bring' es.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Roswitha, die Fla&#x017F;che mit dem Lack in der<lb/>
Hand, kam denn auch ein paar Minuten danach auf<lb/>
den Hof hinaus und &#x017F;tellte &#x017F;ich neben das Sielen¬<lb/>
zeug, das Kru&#x017F;e eben über den Gartenzaun gelegt<lb/>
hatte. &#x201E;Gott,&#x201C; &#x017F;agte er, während er ihr die Fla&#x017F;che<lb/>
aus der Hand nahm, &#x201E;viel hilft es ja nicht, es<lb/>
nie&#x017F;elt in einem weg, und die Blänke vergeht doch<lb/>
wieder. Aber ich denke, alles muß &#x017F;eine Ordnung<lb/>
haben.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das muß es. Und dann, Kru&#x017F;e, es i&#x017F;t ja<lb/>
doch auch ein richtiger Lack, das kann ich gleich &#x017F;ehn,<lb/>
und was ein richtiger Lack i&#x017F;t, der klebt nicht lange,<lb/>
der muß gleich trocknen. Und wenn es dann morgen<lb/>
nebelt oder naß fällt, dann &#x017F;chadet es nich' mehr.<lb/>
Aber das muß ich doch &#x017F;agen, das mit dem Chine&#x017F;en<lb/>
is eine merkwürdige Ge&#x017F;chichte.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Kru&#x017F;e lachte. &#x201E;Un&#x017F;inn is es, Roswitha. Und<lb/>
meine Frau, &#x017F;tatt aufs Richtige zu &#x017F;ehen, erzählt<lb/>
immer &#x017F;o 'was, un' wenn ich ein reines Hemd an¬<lb/>
ziehen will, fehlt ein Knopp. Un' &#x017F;o is es nu' &#x017F;chon<lb/>
&#x017F;o lange wir hier &#x017F;ind. Sie hat immer bloß &#x017F;olche<lb/>
Ge&#x017F;chichten in ihrem Kopp und dazu das &#x017F;chwarze<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[304/0313] Effi Brieſt „Ich bring' es Ihnen 'raus, Kruſe,“ ſagte Ros¬ witha. „Ihre Frau will mir bloß noch 'was er¬ zählen; aber es is gleich aus, und dann komm' ich und bring' es.“ Roswitha, die Flaſche mit dem Lack in der Hand, kam denn auch ein paar Minuten danach auf den Hof hinaus und ſtellte ſich neben das Sielen¬ zeug, das Kruſe eben über den Gartenzaun gelegt hatte. „Gott,“ ſagte er, während er ihr die Flaſche aus der Hand nahm, „viel hilft es ja nicht, es nieſelt in einem weg, und die Blänke vergeht doch wieder. Aber ich denke, alles muß ſeine Ordnung haben.“ „Das muß es. Und dann, Kruſe, es iſt ja doch auch ein richtiger Lack, das kann ich gleich ſehn, und was ein richtiger Lack iſt, der klebt nicht lange, der muß gleich trocknen. Und wenn es dann morgen nebelt oder naß fällt, dann ſchadet es nich' mehr. Aber das muß ich doch ſagen, das mit dem Chineſen is eine merkwürdige Geſchichte.“ Kruſe lachte. „Unſinn is es, Roswitha. Und meine Frau, ſtatt aufs Richtige zu ſehen, erzählt immer ſo 'was, un' wenn ich ein reines Hemd an¬ ziehen will, fehlt ein Knopp. Un' ſo is es nu' ſchon ſo lange wir hier ſind. Sie hat immer bloß ſolche Geſchichten in ihrem Kopp und dazu das ſchwarze

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/313
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/313>, abgerufen am 29.05.2024.