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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest

Effi ging wieder nach Haus. "Bringen Sie
mir die Lampe, Johanna," sagte sie, "aber in mein
Schlafzimmer. Und dann eine Tasse Thee. Ich
hab' es so kalt und kann nicht warten, bis der Herr
wieder da ist."

Beides kam. Effi saß schon an ihrem kleinen
Schreibtisch, einen Briefbogen vor sich, die Feder in
der Hand. "Bitte, Johanna, den Thee auf den
Tisch da."

Als Johanna das Zimmer wieder verlassen
hatte, schloß Effi sich ein, sah einen Augenblick in
den Spiegel und setzte sich dann wieder. Und nun
schrieb sie: "Ich reise morgen mit dem Schiff, und
dies sind Abschiedszeilen. Innstetten erwartet mich
in wenig Tagen zurück, aber ich komme nicht
wieder ... Warum ich nicht wiederkomme, Sie
wissen es ... Es wäre das beste gewesen, ich hätte
dies Stück Erde nie gesehen. Ich beschwöre Sie,
dies nicht als einen Vorwurf zu fassen; alle Schuld
ist bei mir. Blick' ich auf Ihr Haus ..., Ihr
Thun mag entschuldbar sein, nicht das meine. Meine
Schuld ist sehr schwer. Aber vielleicht kann ich noch
heraus. Daß wir hier abberufen wurden, ist mir
wie ein Zeichen, daß ich noch zu Gnaden angenommen
werden kann. Vergessen Sie das Geschehene, ver¬
gessen Sie mich. Ihre Effi."

Effi Brieſt

Effi ging wieder nach Haus. „Bringen Sie
mir die Lampe, Johanna,“ ſagte ſie, „aber in mein
Schlafzimmer. Und dann eine Taſſe Thee. Ich
hab' es ſo kalt und kann nicht warten, bis der Herr
wieder da iſt.“

Beides kam. Effi ſaß ſchon an ihrem kleinen
Schreibtiſch, einen Briefbogen vor ſich, die Feder in
der Hand. „Bitte, Johanna, den Thee auf den
Tiſch da.“

Als Johanna das Zimmer wieder verlaſſen
hatte, ſchloß Effi ſich ein, ſah einen Augenblick in
den Spiegel und ſetzte ſich dann wieder. Und nun
ſchrieb ſie: „Ich reiſe morgen mit dem Schiff, und
dies ſind Abſchiedszeilen. Innſtetten erwartet mich
in wenig Tagen zurück, aber ich komme nicht
wieder … Warum ich nicht wiederkomme, Sie
wiſſen es … Es wäre das beſte geweſen, ich hätte
dies Stück Erde nie geſehen. Ich beſchwöre Sie,
dies nicht als einen Vorwurf zu faſſen; alle Schuld
iſt bei mir. Blick' ich auf Ihr Haus …, Ihr
Thun mag entſchuldbar ſein, nicht das meine. Meine
Schuld iſt ſehr ſchwer. Aber vielleicht kann ich noch
heraus. Daß wir hier abberufen wurden, iſt mir
wie ein Zeichen, daß ich noch zu Gnaden angenommen
werden kann. Vergeſſen Sie das Geſchehene, ver¬
geſſen Sie mich. Ihre Effi.“

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[330/0339] Effi Brieſt Effi ging wieder nach Haus. „Bringen Sie mir die Lampe, Johanna,“ ſagte ſie, „aber in mein Schlafzimmer. Und dann eine Taſſe Thee. Ich hab' es ſo kalt und kann nicht warten, bis der Herr wieder da iſt.“ Beides kam. Effi ſaß ſchon an ihrem kleinen Schreibtiſch, einen Briefbogen vor ſich, die Feder in der Hand. „Bitte, Johanna, den Thee auf den Tiſch da.“ Als Johanna das Zimmer wieder verlaſſen hatte, ſchloß Effi ſich ein, ſah einen Augenblick in den Spiegel und ſetzte ſich dann wieder. Und nun ſchrieb ſie: „Ich reiſe morgen mit dem Schiff, und dies ſind Abſchiedszeilen. Innſtetten erwartet mich in wenig Tagen zurück, aber ich komme nicht wieder … Warum ich nicht wiederkomme, Sie wiſſen es … Es wäre das beſte geweſen, ich hätte dies Stück Erde nie geſehen. Ich beſchwöre Sie, dies nicht als einen Vorwurf zu faſſen; alle Schuld iſt bei mir. Blick' ich auf Ihr Haus …, Ihr Thun mag entſchuldbar ſein, nicht das meine. Meine Schuld iſt ſehr ſchwer. Aber vielleicht kann ich noch heraus. Daß wir hier abberufen wurden, iſt mir wie ein Zeichen, daß ich noch zu Gnaden angenommen werden kann. Vergeſſen Sie das Geſchehene, ver¬ geſſen Sie mich. Ihre Effi.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/339>, abgerufen am 24.11.2024.