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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest

"Effi, Du sprichst so sonderbar. Große Schmerzen
kannst Du nicht haben."

"Nein, in diesem Augenblicke nicht; es wechselt
beständig."


Am andern Morgen erschien Geheimrat Rumm¬
schüttel. Frau von Briest empfing ihn, und als er
Effi sah, war sein erstes Wort: "Ganz die Mama."

Diese wollte den Vergleich ablehnen und meinte,
zwanzig Jahre und drüber seien doch eine lange
Zeit; Rummschüttel blieb aber bei seiner Behauptung,
zugleich versichernd: nicht jeder Kopf präge sich ihm
ein, aber wenn er überhaupt erst einen Eindruck
empfangen habe, so bleibe der auch für immer. "Und
nun, meine gnädigste Frau von Innstetten, wo fehlt
es, wo sollen wir helfen?"

"Ach, Herr Geheimrat, ich komme in Verlegen¬
heit, Ihnen auszudrücken, was es ist. Es wechselt
beständig. In diesem Augenblick ist es wie weg¬
geflogen. Anfangs habe ich an Rheumatisches ge¬
dacht, aber ich möchte beinah glauben, es sei eine
Neuralgie, Schmerzen den Rücken entlang, und dann
kann ich mich nicht aufrichten. Mein Papa leidet
an Neuralgie, da hab' ich es früher beobachten
können. Vielleicht ein Erbstück von ihm."

"Sehr wahrscheinlich," sagte Rummschüttel, der

Effi Brieſt

„Effi, Du ſprichſt ſo ſonderbar. Große Schmerzen
kannſt Du nicht haben.“

„Nein, in dieſem Augenblicke nicht; es wechſelt
beſtändig.“


Am andern Morgen erſchien Geheimrat Rumm¬
ſchüttel. Frau von Brieſt empfing ihn, und als er
Effi ſah, war ſein erſtes Wort: „Ganz die Mama.“

Dieſe wollte den Vergleich ablehnen und meinte,
zwanzig Jahre und drüber ſeien doch eine lange
Zeit; Rummſchüttel blieb aber bei ſeiner Behauptung,
zugleich verſichernd: nicht jeder Kopf präge ſich ihm
ein, aber wenn er überhaupt erſt einen Eindruck
empfangen habe, ſo bleibe der auch für immer. „Und
nun, meine gnädigſte Frau von Innſtetten, wo fehlt
es, wo ſollen wir helfen?“

„Ach, Herr Geheimrat, ich komme in Verlegen¬
heit, Ihnen auszudrücken, was es iſt. Es wechſelt
beſtändig. In dieſem Augenblick iſt es wie weg¬
geflogen. Anfangs habe ich an Rheumatiſches ge¬
dacht, aber ich möchte beinah glauben, es ſei eine
Neuralgie, Schmerzen den Rücken entlang, und dann
kann ich mich nicht aufrichten. Mein Papa leidet
an Neuralgie, da hab' ich es früher beobachten
können. Vielleicht ein Erbſtück von ihm.“

„Sehr wahrſcheinlich,“ ſagte Rummſchüttel, der

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[347/0356] Effi Brieſt „Effi, Du ſprichſt ſo ſonderbar. Große Schmerzen kannſt Du nicht haben.“ „Nein, in dieſem Augenblicke nicht; es wechſelt beſtändig.“ Am andern Morgen erſchien Geheimrat Rumm¬ ſchüttel. Frau von Brieſt empfing ihn, und als er Effi ſah, war ſein erſtes Wort: „Ganz die Mama.“ Dieſe wollte den Vergleich ablehnen und meinte, zwanzig Jahre und drüber ſeien doch eine lange Zeit; Rummſchüttel blieb aber bei ſeiner Behauptung, zugleich verſichernd: nicht jeder Kopf präge ſich ihm ein, aber wenn er überhaupt erſt einen Eindruck empfangen habe, ſo bleibe der auch für immer. „Und nun, meine gnädigſte Frau von Innſtetten, wo fehlt es, wo ſollen wir helfen?“ „Ach, Herr Geheimrat, ich komme in Verlegen¬ heit, Ihnen auszudrücken, was es iſt. Es wechſelt beſtändig. In dieſem Augenblick iſt es wie weg¬ geflogen. Anfangs habe ich an Rheumatiſches ge¬ dacht, aber ich möchte beinah glauben, es ſei eine Neuralgie, Schmerzen den Rücken entlang, und dann kann ich mich nicht aufrichten. Mein Papa leidet an Neuralgie, da hab' ich es früher beobachten können. Vielleicht ein Erbſtück von ihm.“ „Sehr wahrſcheinlich,“ ſagte Rummſchüttel, der

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/356>, abgerufen am 22.11.2024.