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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
stetten gedachte des Tages, als er, mit Effi von der
Hochzeitsreise zurückkehrend, hier am Ufer der Kessine
hin in offenem Wagen gefahren war, -- ein grauer
Novembertag damals, aber er selber froh im Herzen;
nun hatte sich's verkehrt: das Licht lag draußen,
und der Novembertag war in ihm. Viele, viele
Male war er dann des Weges hier gekommen, und
der Frieden, der sich über die Felder breitete, das
Zuchtvieh in den Koppeln, das aufhorchte, wenn
er vorüberfuhr, die Leute bei der Arbeit, die Frucht¬
barkeit der Äcker, das alles hatte seinem Sinne
wohlgethan, und jetzt, in hartem Gegensatz dazu,
war er froh, als etwas Gewölk heranzog und den
lachenden blauen Himmel leise zu trüben begann.
So fuhren sie den Fluß hinab, und bald, nachdem
sie die prächtige Wasserfläche des "Breitling" passiert,
kam der Kessiner Kirchturm in Sicht und gleich danach
auch das Bollwerk und die lange Häuserreihe mit
Schiffen und Booten davor. Und nun waren sie
heran. Innstetten verabschiedete sich von dem Kapitän
und schritt auf den Steg zu, den man, bequemeren
Aussteigens halber, herangerollt hatte. Wüllersdorf
war schon da. Beide begrüßten sich, ohne zunächst
ein Wort zu sprechen, und gingen dann, quer über den
Damm, auf den Hoppensack'schen Gasthof zu, wo sie
unter einem Zeltdach Platz nahmen.

Th. Fontane, Effi Briest. 27

Effi Brieſt
ſtetten gedachte des Tages, als er, mit Effi von der
Hochzeitsreiſe zurückkehrend, hier am Ufer der Keſſine
hin in offenem Wagen gefahren war, — ein grauer
Novembertag damals, aber er ſelber froh im Herzen;
nun hatte ſich's verkehrt: das Licht lag draußen,
und der Novembertag war in ihm. Viele, viele
Male war er dann des Weges hier gekommen, und
der Frieden, der ſich über die Felder breitete, das
Zuchtvieh in den Koppeln, das aufhorchte, wenn
er vorüberfuhr, die Leute bei der Arbeit, die Frucht¬
barkeit der Äcker, das alles hatte ſeinem Sinne
wohlgethan, und jetzt, in hartem Gegenſatz dazu,
war er froh, als etwas Gewölk heranzog und den
lachenden blauen Himmel leiſe zu trüben begann.
So fuhren ſie den Fluß hinab, und bald, nachdem
ſie die prächtige Waſſerfläche des „Breitling“ paſſiert,
kam der Keſſiner Kirchturm in Sicht und gleich danach
auch das Bollwerk und die lange Häuſerreihe mit
Schiffen und Booten davor. Und nun waren ſie
heran. Innſtetten verabſchiedete ſich von dem Kapitän
und ſchritt auf den Steg zu, den man, bequemeren
Ausſteigens halber, herangerollt hatte. Wüllersdorf
war ſchon da. Beide begrüßten ſich, ohne zunächſt
ein Wort zu ſprechen, und gingen dann, quer über den
Damm, auf den Hoppenſack'ſchen Gaſthof zu, wo ſie
unter einem Zeltdach Platz nahmen.

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[417/0426] Effi Brieſt ſtetten gedachte des Tages, als er, mit Effi von der Hochzeitsreiſe zurückkehrend, hier am Ufer der Keſſine hin in offenem Wagen gefahren war, — ein grauer Novembertag damals, aber er ſelber froh im Herzen; nun hatte ſich's verkehrt: das Licht lag draußen, und der Novembertag war in ihm. Viele, viele Male war er dann des Weges hier gekommen, und der Frieden, der ſich über die Felder breitete, das Zuchtvieh in den Koppeln, das aufhorchte, wenn er vorüberfuhr, die Leute bei der Arbeit, die Frucht¬ barkeit der Äcker, das alles hatte ſeinem Sinne wohlgethan, und jetzt, in hartem Gegenſatz dazu, war er froh, als etwas Gewölk heranzog und den lachenden blauen Himmel leiſe zu trüben begann. So fuhren ſie den Fluß hinab, und bald, nachdem ſie die prächtige Waſſerfläche des „Breitling“ paſſiert, kam der Keſſiner Kirchturm in Sicht und gleich danach auch das Bollwerk und die lange Häuſerreihe mit Schiffen und Booten davor. Und nun waren ſie heran. Innſtetten verabſchiedete ſich von dem Kapitän und ſchritt auf den Steg zu, den man, bequemeren Ausſteigens halber, herangerollt hatte. Wüllersdorf war ſchon da. Beide begrüßten ſich, ohne zunächſt ein Wort zu ſprechen, und gingen dann, quer über den Damm, auf den Hoppenſack'ſchen Gaſthof zu, wo ſie unter einem Zeltdach Platz nahmen. Th. Fontane, Effi Brieſt. 27

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/426>, abgerufen am 28.05.2024.