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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
Hintertreppe hinaufbegeben und war mit dem Lesen
gerade fertig, als Johanna dazu kam.

Diese legte die Briefe, die ihr Innstetten eben
gegeben, auf den Tisch, überflog die Adressen oder
that wenigstens so (denn sie wußte längst, an wen
sie gerichtet waren) und sagte mit gut erkünstelter
Ruhe: "Einer ist nach Hohen-Cremmen."

"Das kann ich mir denken," sagte Roswitha.

Johanna war nicht wenig erstaunt über diese
Bemerkung. "Der Herr schreibt sonst nie nach
Hohen-Cremmen."

"Ja, sonst. Aber jetzt ... Denken Sie sich,
das hat mir eben der Portier unten gegeben."

Johanna nahm das Blatt und las nun halblaut
eine mit einem dicken Tintenstrich markierte Stelle:
"Wie wir kurz vor Redaktionsschluß von gut unter¬
richteter Seite her vernehmen, hat gestern früh in
dem Badeorte Kessin, in Hinterpommern, ein Duell
zwischen dem Ministerialrat v. J. (Keithstraße) und
dem Major von Crampas stattgefunden. Major
von Crampas fiel. Es heißt, daß Beziehungen
zwischen ihm und der Rätin, einer schönen und noch
sehr jungen Frau, bestanden haben sollen."

"Was solche Blätter auch alles schreiben," sagte
Johanna, die verstimmt war, ihre Neuigkeit überholt
zu sehen. "Ja," sagte Roswitha. "Und das lesen

Effi Brieſt
Hintertreppe hinaufbegeben und war mit dem Leſen
gerade fertig, als Johanna dazu kam.

Dieſe legte die Briefe, die ihr Innſtetten eben
gegeben, auf den Tiſch, überflog die Adreſſen oder
that wenigſtens ſo (denn ſie wußte längſt, an wen
ſie gerichtet waren) und ſagte mit gut erkünſtelter
Ruhe: „Einer iſt nach Hohen-Cremmen.“

„Das kann ich mir denken,“ ſagte Roswitha.

Johanna war nicht wenig erſtaunt über dieſe
Bemerkung. „Der Herr ſchreibt ſonſt nie nach
Hohen-Cremmen.“

„Ja, ſonſt. Aber jetzt … Denken Sie ſich,
das hat mir eben der Portier unten gegeben.“

Johanna nahm das Blatt und las nun halblaut
eine mit einem dicken Tintenſtrich markierte Stelle:
„Wie wir kurz vor Redaktionsſchluß von gut unter¬
richteter Seite her vernehmen, hat geſtern früh in
dem Badeorte Keſſin, in Hinterpommern, ein Duell
zwiſchen dem Miniſterialrat v. J. (Keithſtraße) und
dem Major von Crampas ſtattgefunden. Major
von Crampas fiel. Es heißt, daß Beziehungen
zwiſchen ihm und der Rätin, einer ſchönen und noch
ſehr jungen Frau, beſtanden haben ſollen.“

„Was ſolche Blätter auch alles ſchreiben,“ ſagte
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zu ſehen. „Ja,“ ſagte Roswitha. „Und das leſen

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[431/0440] Effi Brieſt Hintertreppe hinaufbegeben und war mit dem Leſen gerade fertig, als Johanna dazu kam. Dieſe legte die Briefe, die ihr Innſtetten eben gegeben, auf den Tiſch, überflog die Adreſſen oder that wenigſtens ſo (denn ſie wußte längſt, an wen ſie gerichtet waren) und ſagte mit gut erkünſtelter Ruhe: „Einer iſt nach Hohen-Cremmen.“ „Das kann ich mir denken,“ ſagte Roswitha. Johanna war nicht wenig erſtaunt über dieſe Bemerkung. „Der Herr ſchreibt ſonſt nie nach Hohen-Cremmen.“ „Ja, ſonſt. Aber jetzt … Denken Sie ſich, das hat mir eben der Portier unten gegeben.“ Johanna nahm das Blatt und las nun halblaut eine mit einem dicken Tintenſtrich markierte Stelle: „Wie wir kurz vor Redaktionsſchluß von gut unter¬ richteter Seite her vernehmen, hat geſtern früh in dem Badeorte Keſſin, in Hinterpommern, ein Duell zwiſchen dem Miniſterialrat v. J. (Keithſtraße) und dem Major von Crampas ſtattgefunden. Major von Crampas fiel. Es heißt, daß Beziehungen zwiſchen ihm und der Rätin, einer ſchönen und noch ſehr jungen Frau, beſtanden haben ſollen.“ „Was ſolche Blätter auch alles ſchreiben,“ ſagte Johanna, die verſtimmt war, ihre Neuigkeit überholt zu ſehen. „Ja,“ ſagte Roswitha. „Und das leſen

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/440>, abgerufen am 22.11.2024.