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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest

Effi lächelte. "Du wirst wohl recht haben,
Roswitha; aber es ist schlimm, daß Du recht hast,
und ich sehe daran, daß ich noch zu viel von dem
alten Menschen in mir habe und daß es mir noch
zu gut geht."

Davon wollte aber Roswitha nichts wissen.
"Wer so gut ist, wie gnädige Frau, dem kann es
gar nicht zu gut gehen. Und Sie müssen nur nicht
immer so 'was Trauriges spielen, und mitunter denke
ich mir, es wird alles noch wieder gut und es wird
sich schon 'was finden."

Und es fand sich auch 'was. Effi, trotz der
Kantorstochter aus Polzin, deren Künstlerdünkel ihr
immer noch als etwas Schreckliches vorschwebte,
wollte Malerin werden, und wiewohl sie selber dar¬
über lachte, weil sie sich bewußt war, über eine
unterste Stufe des Dilettantismus nie hinauskommen
zu können, so griff sie doch mit Passion danach, weil
sie nun eine Beschäftigung hatte, noch dazu eine, die,
weil still und geräuschlos, ganz nach ihrem Herzen
war. Sie meldete sich denn auch bei einem ganz
alten Malerprofessor, der in der märkischen Aristo¬
kratie sehr bewandert und zugleich so fromm war,
daß ihm Effi von Anfang an ans Herz gewachsen
erschien. Hier, so gingen wohl seine Gedanken, war
eine Seele zu retten, und so kam er ihr, als ob sie

Effi Brieſt

Effi lächelte. „Du wirſt wohl recht haben,
Roswitha; aber es iſt ſchlimm, daß Du recht haſt,
und ich ſehe daran, daß ich noch zu viel von dem
alten Menſchen in mir habe und daß es mir noch
zu gut geht.“

Davon wollte aber Roswitha nichts wiſſen.
„Wer ſo gut iſt, wie gnädige Frau, dem kann es
gar nicht zu gut gehen. Und Sie müſſen nur nicht
immer ſo 'was Trauriges ſpielen, und mitunter denke
ich mir, es wird alles noch wieder gut und es wird
ſich ſchon 'was finden.“

Und es fand ſich auch 'was. Effi, trotz der
Kantorstochter aus Polzin, deren Künſtlerdünkel ihr
immer noch als etwas Schreckliches vorſchwebte,
wollte Malerin werden, und wiewohl ſie ſelber dar¬
über lachte, weil ſie ſich bewußt war, über eine
unterſte Stufe des Dilettantismus nie hinauskommen
zu können, ſo griff ſie doch mit Paſſion danach, weil
ſie nun eine Beſchäftigung hatte, noch dazu eine, die,
weil ſtill und geräuſchlos, ganz nach ihrem Herzen
war. Sie meldete ſich denn auch bei einem ganz
alten Malerprofeſſor, der in der märkiſchen Ariſto¬
kratie ſehr bewandert und zugleich ſo fromm war,
daß ihm Effi von Anfang an ans Herz gewachſen
erſchien. Hier, ſo gingen wohl ſeine Gedanken, war
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[468/0477] Effi Brieſt Effi lächelte. „Du wirſt wohl recht haben, Roswitha; aber es iſt ſchlimm, daß Du recht haſt, und ich ſehe daran, daß ich noch zu viel von dem alten Menſchen in mir habe und daß es mir noch zu gut geht.“ Davon wollte aber Roswitha nichts wiſſen. „Wer ſo gut iſt, wie gnädige Frau, dem kann es gar nicht zu gut gehen. Und Sie müſſen nur nicht immer ſo 'was Trauriges ſpielen, und mitunter denke ich mir, es wird alles noch wieder gut und es wird ſich ſchon 'was finden.“ Und es fand ſich auch 'was. Effi, trotz der Kantorstochter aus Polzin, deren Künſtlerdünkel ihr immer noch als etwas Schreckliches vorſchwebte, wollte Malerin werden, und wiewohl ſie ſelber dar¬ über lachte, weil ſie ſich bewußt war, über eine unterſte Stufe des Dilettantismus nie hinauskommen zu können, ſo griff ſie doch mit Paſſion danach, weil ſie nun eine Beſchäftigung hatte, noch dazu eine, die, weil ſtill und geräuſchlos, ganz nach ihrem Herzen war. Sie meldete ſich denn auch bei einem ganz alten Malerprofeſſor, der in der märkiſchen Ariſto¬ kratie ſehr bewandert und zugleich ſo fromm war, daß ihm Effi von Anfang an ans Herz gewachſen erſchien. Hier, ſo gingen wohl ſeine Gedanken, war eine Seele zu retten, und ſo kam er ihr, als ob ſie

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/477>, abgerufen am 22.11.2024.