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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
Exzellenz vielleicht möglich machen. Ich habe eine
zehnjährige Tochter, die ich seit drei Jahren nicht
gesehen habe und gern wiedersehen möchte."

Die Ministerin nahm Effi's Hand und sah sie
freundlich an.

"Wenn ich sage, in drei Jahren nicht gesehen,
so ist das nicht ganz richtig. Vor drei Tagen habe
ich sie wiedergesehen." Und nun schilderte Effi mit
großer Lebendigkeit die Begegnung, die sie mit Annie
gehabt hatte. "Vor meinem eigenen Kinde auf der
Flucht. Ich weiß wohl, man liegt, wie man sich
bettet, und ich will nichts ändern in meinem Leben.
Wie es ist, so ist es recht; ich habe es nicht anders
gewollt. Aber das mit dem Kinde, das ist doch zu
hart, und so habe ich denn den Wunsch, es dann
und wann sehen zu dürfen, nicht heimlich und
verstohlen, sondern mit Wissen und Zustimmung
aller Beteiligten."

"Unter Wissen und Zustimmung aller Beteiligten,"
wiederholte die Ministerin Effi's Worte. "Das heißt
also unter Zustimmung Ihres Herrn Gemahls. Ich
sehe, daß seine Erziehung dahin geht, das Kind von
der Mutter fernzuhalten, ein Verfahren, über das ich
mir kein Urteil erlaube. Vielleicht, daß er recht hat;
verzeihen Sie mir diese Bemerkung, gnädige Frau."

Effi nickte.

Effi Brieſt
Exzellenz vielleicht möglich machen. Ich habe eine
zehnjährige Tochter, die ich ſeit drei Jahren nicht
geſehen habe und gern wiederſehen möchte.“

Die Miniſterin nahm Effi's Hand und ſah ſie
freundlich an.

„Wenn ich ſage, in drei Jahren nicht geſehen,
ſo iſt das nicht ganz richtig. Vor drei Tagen habe
ich ſie wiedergeſehen.“ Und nun ſchilderte Effi mit
großer Lebendigkeit die Begegnung, die ſie mit Annie
gehabt hatte. „Vor meinem eigenen Kinde auf der
Flucht. Ich weiß wohl, man liegt, wie man ſich
bettet, und ich will nichts ändern in meinem Leben.
Wie es iſt, ſo iſt es recht; ich habe es nicht anders
gewollt. Aber das mit dem Kinde, das iſt doch zu
hart, und ſo habe ich denn den Wunſch, es dann
und wann ſehen zu dürfen, nicht heimlich und
verſtohlen, ſondern mit Wiſſen und Zuſtimmung
aller Beteiligten.“

„Unter Wiſſen und Zuſtimmung aller Beteiligten,“
wiederholte die Miniſterin Effi's Worte. „Das heißt
alſo unter Zuſtimmung Ihres Herrn Gemahls. Ich
ſehe, daß ſeine Erziehung dahin geht, das Kind von
der Mutter fernzuhalten, ein Verfahren, über das ich
mir kein Urteil erlaube. Vielleicht, daß er recht hat;
verzeihen Sie mir dieſe Bemerkung, gnädige Frau.“

Effi nickte.

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[474/0483] Effi Brieſt Exzellenz vielleicht möglich machen. Ich habe eine zehnjährige Tochter, die ich ſeit drei Jahren nicht geſehen habe und gern wiederſehen möchte.“ Die Miniſterin nahm Effi's Hand und ſah ſie freundlich an. „Wenn ich ſage, in drei Jahren nicht geſehen, ſo iſt das nicht ganz richtig. Vor drei Tagen habe ich ſie wiedergeſehen.“ Und nun ſchilderte Effi mit großer Lebendigkeit die Begegnung, die ſie mit Annie gehabt hatte. „Vor meinem eigenen Kinde auf der Flucht. Ich weiß wohl, man liegt, wie man ſich bettet, und ich will nichts ändern in meinem Leben. Wie es iſt, ſo iſt es recht; ich habe es nicht anders gewollt. Aber das mit dem Kinde, das iſt doch zu hart, und ſo habe ich denn den Wunſch, es dann und wann ſehen zu dürfen, nicht heimlich und verſtohlen, ſondern mit Wiſſen und Zuſtimmung aller Beteiligten.“ „Unter Wiſſen und Zuſtimmung aller Beteiligten,“ wiederholte die Miniſterin Effi's Worte. „Das heißt alſo unter Zuſtimmung Ihres Herrn Gemahls. Ich ſehe, daß ſeine Erziehung dahin geht, das Kind von der Mutter fernzuhalten, ein Verfahren, über das ich mir kein Urteil erlaube. Vielleicht, daß er recht hat; verzeihen Sie mir dieſe Bemerkung, gnädige Frau.“ Effi nickte.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 474. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/483>, abgerufen am 22.11.2024.