Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Effi Briest
das Glück findet sich dann; nicht das alte, aber ein
neues. Es giebt Gott sei Dank viele Arten von
Glück. Und Du sollst sehen, wir werden schon etwas
finden für Dich."

"Ihr seid so gut. Und eigentlich hab' ich doch
auch Euer Leben geändert und Euch vor der Zeit
zu alten Leuten gemacht."

"Ach, meine liebe Effi, davon sprich nicht. Als
es kam, da dacht' ich ebenso. Jetzt weiß ich, daß
unsere Stille besser ist als der Lärm und das laute
Getriebe von vordem. Und wenn Du so fortfährst,
können wir noch reisen. Als Wiesike Mentone vor¬
schlug, da warst Du krank und reizbar und hattest,
weil Du krank warst, ganz recht mit dem, was Du
von den Schaffnern und Kellnern sagtest; aber wenn
Du wieder festere Nerven hast, dann geht es, dann
ärgert man sich nicht mehr, dann lacht man über
die großen Allüren und das gekräuselte Haar. Und
dann das blaue Meer und weiße Segel und die
Felsen ganz mit rotem Kaktus überwachsen, -- ich
habe es noch nicht gesehen, aber ich denke es mir so.
Und ich möchte es wohl kennen lernen."

So verging der Sommer, und die Sternschnuppen¬
nächte lagen schon zurück. Effi hatte während dieser
Nächte bis über Mitternacht hinaus am Fenster ge¬
sessen und sich nicht müde sehen können. "Ich war

Th. Fontane, Effi Briest. 33

Effi Brieſt
das Glück findet ſich dann; nicht das alte, aber ein
neues. Es giebt Gott ſei Dank viele Arten von
Glück. Und Du ſollſt ſehen, wir werden ſchon etwas
finden für Dich.“

„Ihr ſeid ſo gut. Und eigentlich hab' ich doch
auch Euer Leben geändert und Euch vor der Zeit
zu alten Leuten gemacht.“

„Ach, meine liebe Effi, davon ſprich nicht. Als
es kam, da dacht' ich ebenſo. Jetzt weiß ich, daß
unſere Stille beſſer iſt als der Lärm und das laute
Getriebe von vordem. Und wenn Du ſo fortfährſt,
können wir noch reiſen. Als Wieſike Mentone vor¬
ſchlug, da warſt Du krank und reizbar und hatteſt,
weil Du krank warſt, ganz recht mit dem, was Du
von den Schaffnern und Kellnern ſagteſt; aber wenn
Du wieder feſtere Nerven haſt, dann geht es, dann
ärgert man ſich nicht mehr, dann lacht man über
die großen Allüren und das gekräuſelte Haar. Und
dann das blaue Meer und weiße Segel und die
Felſen ganz mit rotem Kaktus überwachſen, — ich
habe es noch nicht geſehen, aber ich denke es mir ſo.
Und ich möchte es wohl kennen lernen.“

So verging der Sommer, und die Sternſchnuppen¬
nächte lagen ſchon zurück. Effi hatte während dieſer
Nächte bis über Mitternacht hinaus am Fenſter ge¬
ſeſſen und ſich nicht müde ſehen können. „Ich war

Th. Fontane, Effi Brieſt. 33
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0522" n="513"/><fw place="top" type="header">Effi Brie&#x017F;t<lb/></fw> das Glück findet &#x017F;ich dann; nicht das alte, aber ein<lb/>
neues. Es giebt Gott &#x017F;ei Dank viele Arten von<lb/>
Glück. Und Du &#x017F;oll&#x017F;t &#x017F;ehen, wir werden &#x017F;chon etwas<lb/>
finden für Dich.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ihr &#x017F;eid &#x017F;o gut. Und eigentlich hab' ich doch<lb/>
auch Euer Leben geändert und Euch vor der Zeit<lb/>
zu alten Leuten gemacht.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ach, meine liebe Effi, davon &#x017F;prich nicht. Als<lb/>
es kam, da dacht' ich eben&#x017F;o. Jetzt weiß ich, daß<lb/>
un&#x017F;ere Stille be&#x017F;&#x017F;er i&#x017F;t als der Lärm und das laute<lb/>
Getriebe von vordem. Und wenn Du &#x017F;o fortfähr&#x017F;t,<lb/>
können wir noch rei&#x017F;en. Als Wie&#x017F;ike Mentone vor¬<lb/>
&#x017F;chlug, da war&#x017F;t Du krank und reizbar und hatte&#x017F;t,<lb/>
weil Du krank war&#x017F;t, ganz recht mit dem, was Du<lb/>
von den Schaffnern und Kellnern &#x017F;agte&#x017F;t; aber wenn<lb/>
Du wieder fe&#x017F;tere Nerven ha&#x017F;t, dann geht es, dann<lb/>
ärgert man &#x017F;ich nicht mehr, dann lacht man über<lb/>
die großen Allüren und das gekräu&#x017F;elte Haar. Und<lb/>
dann das blaue Meer und weiße Segel und die<lb/>
Fel&#x017F;en ganz mit rotem Kaktus überwach&#x017F;en, &#x2014; ich<lb/>
habe es noch nicht ge&#x017F;ehen, aber ich denke es mir &#x017F;o.<lb/>
Und ich möchte es wohl kennen lernen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>So verging der Sommer, und die Stern&#x017F;chnuppen¬<lb/>
nächte lagen &#x017F;chon zurück. Effi hatte während die&#x017F;er<lb/>
Nächte bis über Mitternacht hinaus am Fen&#x017F;ter ge¬<lb/>
&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;ich nicht müde &#x017F;ehen können. &#x201E;Ich war<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Th</hi>. <hi rendition="#g">Fontane</hi>, Effi Brie&#x017F;t. 33<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[513/0522] Effi Brieſt das Glück findet ſich dann; nicht das alte, aber ein neues. Es giebt Gott ſei Dank viele Arten von Glück. Und Du ſollſt ſehen, wir werden ſchon etwas finden für Dich.“ „Ihr ſeid ſo gut. Und eigentlich hab' ich doch auch Euer Leben geändert und Euch vor der Zeit zu alten Leuten gemacht.“ „Ach, meine liebe Effi, davon ſprich nicht. Als es kam, da dacht' ich ebenſo. Jetzt weiß ich, daß unſere Stille beſſer iſt als der Lärm und das laute Getriebe von vordem. Und wenn Du ſo fortfährſt, können wir noch reiſen. Als Wieſike Mentone vor¬ ſchlug, da warſt Du krank und reizbar und hatteſt, weil Du krank warſt, ganz recht mit dem, was Du von den Schaffnern und Kellnern ſagteſt; aber wenn Du wieder feſtere Nerven haſt, dann geht es, dann ärgert man ſich nicht mehr, dann lacht man über die großen Allüren und das gekräuſelte Haar. Und dann das blaue Meer und weiße Segel und die Felſen ganz mit rotem Kaktus überwachſen, — ich habe es noch nicht geſehen, aber ich denke es mir ſo. Und ich möchte es wohl kennen lernen.“ So verging der Sommer, und die Sternſchnuppen¬ nächte lagen ſchon zurück. Effi hatte während dieſer Nächte bis über Mitternacht hinaus am Fenſter ge¬ ſeſſen und ſich nicht müde ſehen können. „Ich war Th. Fontane, Effi Brieſt. 33

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/522
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/522>, abgerufen am 27.11.2024.