Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Effi Briest
sich Vetter Briest in seiner selbstgedichteten Rolle
rühmen dürfen. Er war als Demuth'scher Kommis
erschienen, der in Erfahrung gebracht, die junge
Braut habe vor, gleich nach der Hochzeit nach Italien
zu reisen, weshalb er einen Reisekoffer abliefern
wolle. Dieser Koffer entpuppte sich natürlich als
eine Riesenbonbonniere von Hövel. Bis um drei
Uhr war getanzt worden, bei welcher Gelegenheit
der sich mehr und mehr in eine höchste Champagner¬
stimmung hineinredende alte Briest allerlei Be¬
merkungen über den an manchen Höfen immer noch
üblichen Fackeltanz und die merkwürdige Sitte des
Strumpfband-Austanzens gemacht hatte, Bemerkungen,
die nicht abschließen wollten und sich immer mehr
steigernd, am Ende so weit gingen, daß ihnen durch¬
aus ein Riegel vorgeschoben werden mußte. "Nimm
Dich zusammen, Briest," war ihm in ziemlich ernstem
Tone von seiner Frau zugeflüstert worden; "Du
stehst hier nicht, um Zweideutigkeiten zu sagen, sondern
um die Honneurs des Hauses zu machen. Wir
haben eben eine Hochzeit und nicht eine Jagdpartie."
Worauf Briest geantwortet, "er sähe darin keinen so
großen Unterschied; übrigens sei er glücklich."

Auch der Hochzeitstag selbst war gut verlaufen.
Niemeyer hatte vorzüglich gesprochen, und einer der
alten Berliner Herren, der halb und halb zur Hof¬

Effi Brieſt
ſich Vetter Brieſt in ſeiner ſelbſtgedichteten Rolle
rühmen dürfen. Er war als Demuth'ſcher Kommis
erſchienen, der in Erfahrung gebracht, die junge
Braut habe vor, gleich nach der Hochzeit nach Italien
zu reiſen, weshalb er einen Reiſekoffer abliefern
wolle. Dieſer Koffer entpuppte ſich natürlich als
eine Rieſenbonbonniere von Hövel. Bis um drei
Uhr war getanzt worden, bei welcher Gelegenheit
der ſich mehr und mehr in eine höchſte Champagner¬
ſtimmung hineinredende alte Brieſt allerlei Be¬
merkungen über den an manchen Höfen immer noch
üblichen Fackeltanz und die merkwürdige Sitte des
Strumpfband-Austanzens gemacht hatte, Bemerkungen,
die nicht abſchließen wollten und ſich immer mehr
ſteigernd, am Ende ſo weit gingen, daß ihnen durch¬
aus ein Riegel vorgeſchoben werden mußte. „Nimm
Dich zuſammen, Brieſt,“ war ihm in ziemlich ernſtem
Tone von ſeiner Frau zugeflüſtert worden; „Du
ſtehſt hier nicht, um Zweideutigkeiten zu ſagen, ſondern
um die Honneurs des Hauſes zu machen. Wir
haben eben eine Hochzeit und nicht eine Jagdpartie.“
Worauf Brieſt geantwortet, „er ſähe darin keinen ſo
großen Unterſchied; übrigens ſei er glücklich.“

Auch der Hochzeitstag ſelbſt war gut verlaufen.
Niemeyer hatte vorzüglich geſprochen, und einer der
alten Berliner Herren, der halb und halb zur Hof¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0062" n="53"/><fw place="top" type="header">Effi Brie&#x017F;t<lb/></fw>&#x017F;ich Vetter Brie&#x017F;t in &#x017F;einer &#x017F;elb&#x017F;tgedichteten Rolle<lb/>
rühmen dürfen. Er war als Demuth'&#x017F;cher Kommis<lb/>
er&#x017F;chienen, der in Erfahrung gebracht, die junge<lb/>
Braut habe vor, gleich nach der Hochzeit nach Italien<lb/>
zu rei&#x017F;en, weshalb er einen Rei&#x017F;ekoffer abliefern<lb/>
wolle. Die&#x017F;er Koffer entpuppte &#x017F;ich natürlich als<lb/>
eine Rie&#x017F;enbonbonniere von Hövel. Bis um drei<lb/>
Uhr war getanzt worden, bei welcher Gelegenheit<lb/>
der &#x017F;ich mehr und mehr in eine höch&#x017F;te Champagner¬<lb/>
&#x017F;timmung hineinredende alte Brie&#x017F;t allerlei Be¬<lb/>
merkungen über den an manchen Höfen immer noch<lb/>
üblichen Fackeltanz und die merkwürdige Sitte des<lb/>
Strumpfband-Austanzens gemacht hatte, Bemerkungen,<lb/>
die nicht ab&#x017F;chließen wollten und &#x017F;ich immer mehr<lb/>
&#x017F;teigernd, am Ende &#x017F;o weit gingen, daß ihnen durch¬<lb/>
aus ein Riegel vorge&#x017F;choben werden mußte. &#x201E;Nimm<lb/>
Dich zu&#x017F;ammen, Brie&#x017F;t,&#x201C; war ihm in ziemlich ern&#x017F;tem<lb/>
Tone von &#x017F;einer Frau zugeflü&#x017F;tert worden; &#x201E;Du<lb/>
&#x017F;teh&#x017F;t hier nicht, um Zweideutigkeiten zu &#x017F;agen, &#x017F;ondern<lb/>
um die Honneurs des Hau&#x017F;es zu machen. Wir<lb/>
haben eben eine Hochzeit und nicht eine Jagdpartie.&#x201C;<lb/>
Worauf Brie&#x017F;t geantwortet, &#x201E;er &#x017F;ähe darin keinen &#x017F;o<lb/>
großen Unter&#x017F;chied; übrigens &#x017F;ei er glücklich.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Auch der Hochzeitstag &#x017F;elb&#x017F;t war gut verlaufen.<lb/>
Niemeyer hatte vorzüglich ge&#x017F;prochen, und einer der<lb/>
alten Berliner Herren, der halb und halb zur Hof¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[53/0062] Effi Brieſt ſich Vetter Brieſt in ſeiner ſelbſtgedichteten Rolle rühmen dürfen. Er war als Demuth'ſcher Kommis erſchienen, der in Erfahrung gebracht, die junge Braut habe vor, gleich nach der Hochzeit nach Italien zu reiſen, weshalb er einen Reiſekoffer abliefern wolle. Dieſer Koffer entpuppte ſich natürlich als eine Rieſenbonbonniere von Hövel. Bis um drei Uhr war getanzt worden, bei welcher Gelegenheit der ſich mehr und mehr in eine höchſte Champagner¬ ſtimmung hineinredende alte Brieſt allerlei Be¬ merkungen über den an manchen Höfen immer noch üblichen Fackeltanz und die merkwürdige Sitte des Strumpfband-Austanzens gemacht hatte, Bemerkungen, die nicht abſchließen wollten und ſich immer mehr ſteigernd, am Ende ſo weit gingen, daß ihnen durch¬ aus ein Riegel vorgeſchoben werden mußte. „Nimm Dich zuſammen, Brieſt,“ war ihm in ziemlich ernſtem Tone von ſeiner Frau zugeflüſtert worden; „Du ſtehſt hier nicht, um Zweideutigkeiten zu ſagen, ſondern um die Honneurs des Hauſes zu machen. Wir haben eben eine Hochzeit und nicht eine Jagdpartie.“ Worauf Brieſt geantwortet, „er ſähe darin keinen ſo großen Unterſchied; übrigens ſei er glücklich.“ Auch der Hochzeitstag ſelbſt war gut verlaufen. Niemeyer hatte vorzüglich geſprochen, und einer der alten Berliner Herren, der halb und halb zur Hof¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/62
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/62>, abgerufen am 23.11.2024.