(so viel hatte sie schon am Abend vorher bemerkt) nach alter Sitte von außen her geheizt wurde. Sie fühlte jetzt, wie seine Wärme herüberströmte. Wie schön es doch war, im eigenen Hause zu sein; so viel Behagen hatte sie während der ganzen Reise nicht empfunden, nicht einmal in Sorrent.
Aber wo war Innstetten? Alles still um sie her, niemand da. Sie hörte nur den Ticktackschlag einer kleinen Pendule und dann und wann einen dumpfen Ton im Ofen, woraus sie schloß, daß vom Flur her ein paar neue Scheite nachgeschoben würden. Allmählich entsann sie sich auch, daß Geert, am Abend vorher, von einer elektrischen Klingel gesprochen hatte, nach der sie denn auch nicht lange mehr zu suchen brauchte; dicht neben ihrem Kissen war der kleine weiße Elfenbeinknopf, auf den sie nun leise drückte.
Gleich danach erschien Johanna. "Gnädige Frau haben befohlen."
"Ach, Johanna, ich glaube, ich habe mich ver¬ schlafen. Es muß schon spät sein."
"Eben neun."
"Und der Herr ..." es wollt' ihr nicht glücken, so ohne weiteres von ihrem "Manne" zu sprechen ... "der Herr, er muß sehr leise gemacht haben; ich habe nichts gehört."
6 *
Effi Brieſt
(ſo viel hatte ſie ſchon am Abend vorher bemerkt) nach alter Sitte von außen her geheizt wurde. Sie fühlte jetzt, wie ſeine Wärme herüberſtrömte. Wie ſchön es doch war, im eigenen Hauſe zu ſein; ſo viel Behagen hatte ſie während der ganzen Reiſe nicht empfunden, nicht einmal in Sorrent.
Aber wo war Innſtetten? Alles ſtill um ſie her, niemand da. Sie hörte nur den Ticktackſchlag einer kleinen Pendule und dann und wann einen dumpfen Ton im Ofen, woraus ſie ſchloß, daß vom Flur her ein paar neue Scheite nachgeſchoben würden. Allmählich entſann ſie ſich auch, daß Geert, am Abend vorher, von einer elektriſchen Klingel geſprochen hatte, nach der ſie denn auch nicht lange mehr zu ſuchen brauchte; dicht neben ihrem Kiſſen war der kleine weiße Elfenbeinknopf, auf den ſie nun leiſe drückte.
Gleich danach erſchien Johanna. „Gnädige Frau haben befohlen.“
„Ach, Johanna, ich glaube, ich habe mich ver¬ ſchlafen. Es muß ſchon ſpät ſein.“
„Eben neun.“
„Und der Herr …“ es wollt' ihr nicht glücken, ſo ohne weiteres von ihrem „Manne“ zu ſprechen … „der Herr, er muß ſehr leiſe gemacht haben; ich habe nichts gehört.“
6 *
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0092"n="83"/><fwplace="top"type="header">Effi Brieſt<lb/></fw>(ſo viel hatte ſie ſchon am Abend vorher bemerkt)<lb/>
nach alter Sitte von außen her geheizt wurde. Sie<lb/>
fühlte jetzt, wie ſeine Wärme herüberſtrömte. Wie<lb/>ſchön es doch war, im eigenen Hauſe zu ſein; ſo<lb/>
viel Behagen hatte ſie während der ganzen Reiſe<lb/>
nicht empfunden, nicht einmal in Sorrent.</p><lb/><p>Aber wo war Innſtetten? Alles ſtill um ſie<lb/>
her, niemand da. Sie hörte nur den Ticktackſchlag<lb/>
einer kleinen Pendule und dann und wann einen<lb/>
dumpfen Ton im Ofen, woraus ſie ſchloß, daß vom<lb/>
Flur her ein paar neue Scheite nachgeſchoben würden.<lb/>
Allmählich entſann ſie ſich auch, daß Geert, am<lb/>
Abend vorher, von einer elektriſchen Klingel geſprochen<lb/>
hatte, nach der ſie denn auch nicht lange mehr zu<lb/>ſuchen brauchte; dicht neben ihrem Kiſſen war der<lb/>
kleine weiße Elfenbeinknopf, auf den ſie nun leiſe<lb/>
drückte.</p><lb/><p>Gleich danach erſchien Johanna. „Gnädige<lb/>
Frau haben befohlen.“</p><lb/><p>„Ach, Johanna, ich glaube, ich habe mich ver¬<lb/>ſchlafen. Es muß ſchon ſpät ſein.“</p><lb/><p>„Eben neun.“</p><lb/><p>„Und der Herr …“ es wollt' ihr nicht glücken,<lb/>ſo ohne weiteres von ihrem „Manne“ zu ſprechen …<lb/>„der Herr, er muß ſehr leiſe gemacht haben; ich<lb/>
habe nichts gehört.“</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">6 *<lb/></fw></div></body></text></TEI>
[83/0092]
Effi Brieſt
(ſo viel hatte ſie ſchon am Abend vorher bemerkt)
nach alter Sitte von außen her geheizt wurde. Sie
fühlte jetzt, wie ſeine Wärme herüberſtrömte. Wie
ſchön es doch war, im eigenen Hauſe zu ſein; ſo
viel Behagen hatte ſie während der ganzen Reiſe
nicht empfunden, nicht einmal in Sorrent.
Aber wo war Innſtetten? Alles ſtill um ſie
her, niemand da. Sie hörte nur den Ticktackſchlag
einer kleinen Pendule und dann und wann einen
dumpfen Ton im Ofen, woraus ſie ſchloß, daß vom
Flur her ein paar neue Scheite nachgeſchoben würden.
Allmählich entſann ſie ſich auch, daß Geert, am
Abend vorher, von einer elektriſchen Klingel geſprochen
hatte, nach der ſie denn auch nicht lange mehr zu
ſuchen brauchte; dicht neben ihrem Kiſſen war der
kleine weiße Elfenbeinknopf, auf den ſie nun leiſe
drückte.
Gleich danach erſchien Johanna. „Gnädige
Frau haben befohlen.“
„Ach, Johanna, ich glaube, ich habe mich ver¬
ſchlafen. Es muß ſchon ſpät ſein.“
„Eben neun.“
„Und der Herr …“ es wollt' ihr nicht glücken,
ſo ohne weiteres von ihrem „Manne“ zu ſprechen …
„der Herr, er muß ſehr leiſe gemacht haben; ich
habe nichts gehört.“
6 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/92>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.