Fontane, Theodor: Gedichte. Berlin, 1851. König. O, Niemand weiß es besser als ihr Maler: Der Liebe Blindheit hat die schärfsten Augen. Wir übersehn die Blattern des Gesichts, Sind blind für alle Mängel der Natur, Und doch, wenn auf dem Bildniß unsrer Schönen Das Grübchen fehlt, das sie beim Lächeln zeigt, So merken wir's, und nennen voll Entrüstung Des Meisters Werk -- elende Stümperei. Van Dyk. Kann sein daß mir die Stunde günstig war, Auch malt' ich mit besondrer Lust und Liebe: Mir lag ein Trieb und Sporn in dem Gedanken "Es gilt der Tochter einer Medicis"; -- Dem ganzen Hause malt' ich dieses Bild, Ein Künstlerdank an alle Mediceer. König. Die Völker fühlen anders. König. O, Niemand weiß es beſſer als ihr Maler: Der Liebe Blindheit hat die ſchärfſten Augen. Wir überſehn die Blattern des Geſichts, Sind blind für alle Mängel der Natur, Und doch, wenn auf dem Bildniß unſrer Schönen Das Grübchen fehlt, das ſie beim Lächeln zeigt, So merken wir’s, und nennen voll Entrüſtung Des Meiſters Werk — elende Stümperei. Van Dyk. Kann ſein daß mir die Stunde günſtig war, Auch malt’ ich mit beſondrer Luſt und Liebe: Mir lag ein Trieb und Sporn in dem Gedanken „Es gilt der Tochter einer Medicis“; — Dem ganzen Hauſe malt’ ich dieſes Bild, Ein Künſtlerdank an alle Mediceer. König. Die Völker fühlen anders. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0268" n="254"/> <sp who="#KÖN"> <speaker><hi rendition="#g">König</hi>.</speaker><lb/> <p>O, Niemand weiß es beſſer als ihr Maler:<lb/> Der Liebe Blindheit hat die ſchärfſten Augen.<lb/> Wir überſehn die Blattern des Geſichts,<lb/> Sind blind für alle Mängel der Natur,<lb/> Und doch, wenn auf dem Bildniß unſrer Schönen<lb/> Das Grübchen fehlt, das ſie beim Lächeln zeigt,<lb/> So merken wir’s, und nennen voll Entrüſtung<lb/> Des Meiſters Werk — elende Stümperei.</p> </sp><lb/> <sp who="#VAN"> <speaker><hi rendition="#g">Van Dyk</hi>.</speaker><lb/> <p>Kann ſein daß mir die Stunde günſtig war,<lb/> Auch malt’ ich mit beſondrer Luſt und Liebe:<lb/> Mir lag ein Trieb und Sporn in dem Gedanken<lb/> „Es gilt der Tochter einer <hi rendition="#g">Medicis</hi>“; —<lb/> Dem ganzen Hauſe malt’ ich dieſes Bild,<lb/> Ein Künſtlerdank an alle Mediceer.</p> </sp><lb/> <sp who="#KÖN"> <speaker><hi rendition="#g">König</hi>.</speaker><lb/> <p>Die Völker fühlen anders.</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [254/0268]
König.
O, Niemand weiß es beſſer als ihr Maler:
Der Liebe Blindheit hat die ſchärfſten Augen.
Wir überſehn die Blattern des Geſichts,
Sind blind für alle Mängel der Natur,
Und doch, wenn auf dem Bildniß unſrer Schönen
Das Grübchen fehlt, das ſie beim Lächeln zeigt,
So merken wir’s, und nennen voll Entrüſtung
Des Meiſters Werk — elende Stümperei.
Van Dyk.
Kann ſein daß mir die Stunde günſtig war,
Auch malt’ ich mit beſondrer Luſt und Liebe:
Mir lag ein Trieb und Sporn in dem Gedanken
„Es gilt der Tochter einer Medicis“; —
Dem ganzen Hauſe malt’ ich dieſes Bild,
Ein Künſtlerdank an alle Mediceer.
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Gedichte. Berlin, 1851, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_gedichte_1851/268>, abgerufen am 16.07.2024. |