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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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nur, wie sie drüben auf dem Kahne hin und her¬
laufen und sich gegen die Ruder stemmen. Und
dabei alles so still. O, mein einziger Botho, wie
schön das ist und wie gut ich Dir bin."

Botho freute sich, Lene so glücklich zu sehen.
Etwas Entschlossenes und beinah Herbes, das sonst
in ihrem Charakter lag, war wie von ihr genommen
und einer ihr sonst fremden Gefühlsweichheit ge¬
wichen und dieser Wechsel schien ihr selber unendlich
wohl zu thun.

Nach einer Weile kam der sein "Etablissement"
schon von Vater und Großvater her innehabende
Wirth, um nach den Befehlen der Herrschaften zu
fragen, vor allem auch, "ob sie zu Nacht bleiben
würden", und bat, als diese Frage bejaht worden
war, über ihr Zimmer Beschluß fassen zu wollen.
Es ständen ihnen mehrere zur Verfügung, unter
denen die Giebelstube wohl die beste sein würde.
Sie sei zwar niedrig, aber sonst groß und geräumig
und hätte den Blick über die Spree bis an die
Müggelberge.

Der Wirth ging nun, als sein Vorschlag an¬
genommen war, um die nöthigen Vorbereitungen zu
treffen, und Botho und Lene waren nicht nur wieder
allein mit einander, sondern genossen auch das Glück
dieses Alleinseins in vollen Zügen. Auf einem der
herabhängenden Ulmenzweige wiegte sich ein in einem

nur, wie ſie drüben auf dem Kahne hin und her¬
laufen und ſich gegen die Ruder ſtemmen. Und
dabei alles ſo ſtill. O, mein einziger Botho, wie
ſchön das iſt und wie gut ich Dir bin.“

Botho freute ſich, Lene ſo glücklich zu ſehen.
Etwas Entſchloſſenes und beinah Herbes, das ſonſt
in ihrem Charakter lag, war wie von ihr genommen
und einer ihr ſonſt fremden Gefühlsweichheit ge¬
wichen und dieſer Wechſel ſchien ihr ſelber unendlich
wohl zu thun.

Nach einer Weile kam der ſein „Etabliſſement“
ſchon von Vater und Großvater her innehabende
Wirth, um nach den Befehlen der Herrſchaften zu
fragen, vor allem auch, „ob ſie zu Nacht bleiben
würden“, und bat, als dieſe Frage bejaht worden
war, über ihr Zimmer Beſchluß faſſen zu wollen.
Es ſtänden ihnen mehrere zur Verfügung, unter
denen die Giebelſtube wohl die beſte ſein würde.
Sie ſei zwar niedrig, aber ſonſt groß und geräumig
und hätte den Blick über die Spree bis an die
Müggelberge.

Der Wirth ging nun, als ſein Vorſchlag an¬
genommen war, um die nöthigen Vorbereitungen zu
treffen, und Botho und Lene waren nicht nur wieder
allein mit einander, ſondern genoſſen auch das Glück
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[104/0114] nur, wie ſie drüben auf dem Kahne hin und her¬ laufen und ſich gegen die Ruder ſtemmen. Und dabei alles ſo ſtill. O, mein einziger Botho, wie ſchön das iſt und wie gut ich Dir bin.“ Botho freute ſich, Lene ſo glücklich zu ſehen. Etwas Entſchloſſenes und beinah Herbes, das ſonſt in ihrem Charakter lag, war wie von ihr genommen und einer ihr ſonſt fremden Gefühlsweichheit ge¬ wichen und dieſer Wechſel ſchien ihr ſelber unendlich wohl zu thun. Nach einer Weile kam der ſein „Etabliſſement“ ſchon von Vater und Großvater her innehabende Wirth, um nach den Befehlen der Herrſchaften zu fragen, vor allem auch, „ob ſie zu Nacht bleiben würden“, und bat, als dieſe Frage bejaht worden war, über ihr Zimmer Beſchluß faſſen zu wollen. Es ſtänden ihnen mehrere zur Verfügung, unter denen die Giebelſtube wohl die beſte ſein würde. Sie ſei zwar niedrig, aber ſonſt groß und geräumig und hätte den Blick über die Spree bis an die Müggelberge. Der Wirth ging nun, als ſein Vorſchlag an¬ genommen war, um die nöthigen Vorbereitungen zu treffen, und Botho und Lene waren nicht nur wieder allein mit einander, ſondern genoſſen auch das Glück dieſes Alleinſeins in vollen Zügen. Auf einem der herabhängenden Ulmenzweige wiegte ſich ein in einem

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/114>, abgerufen am 21.11.2024.