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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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säulen in die Luft stiegen. Es war Mittag und
ein Theil der Arbeiter saß draußen im Schatten,
um die Mahlzeit einzunehmen. Die Frauen, die
das Essen gebracht hatten, standen plaudernd daneben,
einige mit einem Säugling auf dem Arm, und
lachten sich untereinander an, wenn ein schelmisches
oder anzügliches Wort gesprochen wurde. Rienäcker,
der sich den Sinn für das Natürliche mit nur zu
gutem Rechte zugeschrieben, war entzückt von dem
Bilde, das sich ihm bot, und mit einem Anfluge
von Neid sah er auf die Gruppe glücklicher
Menschen. "Arbeit und täglich Brot und Ordnung.
Wenn unsre märkischen Leute sich verheirathen, so
reden sie nicht von Leidenschaft und Liebe, sie sagen
nur: ,ich muß doch meine Ordnung haben.' Und
das ist ein schöner Zug im Leben unsres Volks
und nicht einmal prosaisch. Denn Ordnung ist viel
und mitunter alles. Und nun frag' ich mich, war
mein Leben in der ,Ordnung'? Nein. Ordnung
ist Ehe." So sprach er noch eine Weile vor sich
hin und dann sah er wieder Lene vor sich stehn,
aber in ihrem Auge lag nichts von Vorwurf und
Anklage, sondern es war umgekehrt, als ob sie
freundlich zustimme.

"Ja, meine liebe Lene, Du bist auch für Arbeit
und Ordnung und siehst es ein und machst es mir

ſäulen in die Luft ſtiegen. Es war Mittag und
ein Theil der Arbeiter ſaß draußen im Schatten,
um die Mahlzeit einzunehmen. Die Frauen, die
das Eſſen gebracht hatten, ſtanden plaudernd daneben,
einige mit einem Säugling auf dem Arm, und
lachten ſich untereinander an, wenn ein ſchelmiſches
oder anzügliches Wort geſprochen wurde. Rienäcker,
der ſich den Sinn für das Natürliche mit nur zu
gutem Rechte zugeſchrieben, war entzückt von dem
Bilde, das ſich ihm bot, und mit einem Anfluge
von Neid ſah er auf die Gruppe glücklicher
Menſchen. „Arbeit und täglich Brot und Ordnung.
Wenn unſre märkiſchen Leute ſich verheirathen, ſo
reden ſie nicht von Leidenſchaft und Liebe, ſie ſagen
nur: ,ich muß doch meine Ordnung haben.‘ Und
das iſt ein ſchöner Zug im Leben unſres Volks
und nicht einmal proſaiſch. Denn Ordnung iſt viel
und mitunter alles. Und nun frag' ich mich, war
mein Leben in der ,Ordnung‘? Nein. Ordnung
iſt Ehe.“ So ſprach er noch eine Weile vor ſich
hin und dann ſah er wieder Lene vor ſich ſtehn,
aber in ihrem Auge lag nichts von Vorwurf und
Anklage, ſondern es war umgekehrt, als ob ſie
freundlich zuſtimme.

„Ja, meine liebe Lene, Du biſt auch für Arbeit
und Ordnung und ſiehſt es ein und machſt es mir

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[157/0167] ſäulen in die Luft ſtiegen. Es war Mittag und ein Theil der Arbeiter ſaß draußen im Schatten, um die Mahlzeit einzunehmen. Die Frauen, die das Eſſen gebracht hatten, ſtanden plaudernd daneben, einige mit einem Säugling auf dem Arm, und lachten ſich untereinander an, wenn ein ſchelmiſches oder anzügliches Wort geſprochen wurde. Rienäcker, der ſich den Sinn für das Natürliche mit nur zu gutem Rechte zugeſchrieben, war entzückt von dem Bilde, das ſich ihm bot, und mit einem Anfluge von Neid ſah er auf die Gruppe glücklicher Menſchen. „Arbeit und täglich Brot und Ordnung. Wenn unſre märkiſchen Leute ſich verheirathen, ſo reden ſie nicht von Leidenſchaft und Liebe, ſie ſagen nur: ,ich muß doch meine Ordnung haben.‘ Und das iſt ein ſchöner Zug im Leben unſres Volks und nicht einmal proſaiſch. Denn Ordnung iſt viel und mitunter alles. Und nun frag' ich mich, war mein Leben in der ,Ordnung‘? Nein. Ordnung iſt Ehe.“ So ſprach er noch eine Weile vor ſich hin und dann ſah er wieder Lene vor ſich ſtehn, aber in ihrem Auge lag nichts von Vorwurf und Anklage, ſondern es war umgekehrt, als ob ſie freundlich zuſtimme. „Ja, meine liebe Lene, Du biſt auch für Arbeit und Ordnung und ſiehſt es ein und machſt es mir

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/167>, abgerufen am 24.11.2024.