Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite
Zweites Kapitel.

Andern Vormittags schien die schon ziemlich
hochstehende Sonne auf den Hof der Dörr'schen
Gärtnerei und beleuchtete hier eine Welt von Bau¬
lichkeiten, unter denen auch das "Schloß" war, von
dem Frau Nimptsch am Abend vorher mit einem
Anfluge von Spott und Schelmerei gesprochen hatte.
Ja, dies "Schloß" ! In der Dämmerung hätt' es
bei seinen großen Umrissen wirklich für etwas Der¬
artiges gelten können, heut aber, in unerbittlich
heller Beleuchtung daliegend, sah man nur zu deutlich,
daß der ganze bis hoch hinauf mit gothischen Fenstern
bemalte Bau nichts als ein jämmerlicher Holzkasten
war, in dessen beide Giebelwände man ein Stück
Fachwerk mit Stroh- und Lehmfüllung eingesetzt
hatte, welchem vergleichsweise soliden Einsatze zwei
Giebelstuben entsprachen. Alles andere war bloße
Steindiele, von der aus ein Gewirr von Leitern
zunächst auf einen Boden und von diesem höher
hinauf in das als Taubenhaus dienende Thürmchen

Zweites Kapitel.

Andern Vormittags ſchien die ſchon ziemlich
hochſtehende Sonne auf den Hof der Dörr'ſchen
Gärtnerei und beleuchtete hier eine Welt von Bau¬
lichkeiten, unter denen auch das „Schloß“ war, von
dem Frau Nimptſch am Abend vorher mit einem
Anfluge von Spott und Schelmerei geſprochen hatte.
Ja, dies „Schloß“ ! In der Dämmerung hätt' es
bei ſeinen großen Umriſſen wirklich für etwas Der¬
artiges gelten können, heut aber, in unerbittlich
heller Beleuchtung daliegend, ſah man nur zu deutlich,
daß der ganze bis hoch hinauf mit gothiſchen Fenſtern
bemalte Bau nichts als ein jämmerlicher Holzkaſten
war, in deſſen beide Giebelwände man ein Stück
Fachwerk mit Stroh- und Lehmfüllung eingeſetzt
hatte, welchem vergleichsweiſe ſoliden Einſatze zwei
Giebelſtuben entſprachen. Alles andere war bloße
Steindiele, von der aus ein Gewirr von Leitern
zunächſt auf einen Boden und von dieſem höher
hinauf in das als Taubenhaus dienende Thürmchen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0018" n="8"/>
      <div n="1">
        <head>Zweites Kapitel.<lb/></head>
        <p><hi rendition="#in">A</hi>ndern Vormittags &#x017F;chien die &#x017F;chon ziemlich<lb/>
hoch&#x017F;tehende Sonne auf den Hof der Dörr'&#x017F;chen<lb/>
Gärtnerei und beleuchtete hier eine Welt von Bau¬<lb/>
lichkeiten, unter denen auch das &#x201E;Schloß&#x201C; war, von<lb/>
dem Frau Nimpt&#x017F;ch am Abend vorher mit einem<lb/>
Anfluge von Spott und Schelmerei ge&#x017F;prochen hatte.<lb/>
Ja, dies &#x201E;Schloß&#x201C; ! In der Dämmerung hätt' es<lb/>
bei &#x017F;einen großen Umri&#x017F;&#x017F;en wirklich für etwas Der¬<lb/>
artiges gelten können, heut aber, in unerbittlich<lb/>
heller Beleuchtung daliegend, &#x017F;ah man nur zu deutlich,<lb/>
daß der ganze bis hoch hinauf mit gothi&#x017F;chen Fen&#x017F;tern<lb/>
bemalte Bau nichts als ein jämmerlicher Holzka&#x017F;ten<lb/>
war, in de&#x017F;&#x017F;en beide Giebelwände man ein Stück<lb/>
Fachwerk mit Stroh- und Lehmfüllung einge&#x017F;etzt<lb/>
hatte, welchem vergleichswei&#x017F;e &#x017F;oliden Ein&#x017F;atze zwei<lb/>
Giebel&#x017F;tuben ent&#x017F;prachen. Alles andere war bloße<lb/>
Steindiele, von der aus ein Gewirr von Leitern<lb/>
zunäch&#x017F;t auf einen Boden und von die&#x017F;em höher<lb/>
hinauf in das als Taubenhaus dienende Thürmchen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0018] Zweites Kapitel. Andern Vormittags ſchien die ſchon ziemlich hochſtehende Sonne auf den Hof der Dörr'ſchen Gärtnerei und beleuchtete hier eine Welt von Bau¬ lichkeiten, unter denen auch das „Schloß“ war, von dem Frau Nimptſch am Abend vorher mit einem Anfluge von Spott und Schelmerei geſprochen hatte. Ja, dies „Schloß“ ! In der Dämmerung hätt' es bei ſeinen großen Umriſſen wirklich für etwas Der¬ artiges gelten können, heut aber, in unerbittlich heller Beleuchtung daliegend, ſah man nur zu deutlich, daß der ganze bis hoch hinauf mit gothiſchen Fenſtern bemalte Bau nichts als ein jämmerlicher Holzkaſten war, in deſſen beide Giebelwände man ein Stück Fachwerk mit Stroh- und Lehmfüllung eingeſetzt hatte, welchem vergleichsweiſe ſoliden Einſatze zwei Giebelſtuben entſprachen. Alles andere war bloße Steindiele, von der aus ein Gewirr von Leitern zunächſt auf einen Boden und von dieſem höher hinauf in das als Taubenhaus dienende Thürmchen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/18
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/18>, abgerufen am 21.11.2024.