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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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Dörr hatte gesagt: "Versteht sich, ihr müßt aus¬
ziehen. Und dem alten Geizkragen, dem Dörr, dem
gönn' ich's. Immer hat er mir was vorgebrummt,
daß ihr zu billig einsäß't und daß nich die Steuer
un die Repratur dabei 'raus käme. Nu mag er sich
freuen, wenn ihm alles leer steht. Und so wird's
kommen. Denn wer zieht denn in solchen Puppen¬
kasten, wo jeder Kater ins Fenster kuckt un kein
Gas nich un keine Wasserleitung. I, versteht sich;
ihr habt ja vierteljährliche Kündigung und Ostern
könnt ihr 'raus, da helfen ihm keine Sperenzchen.
Und ich freue mich ordentlich; ja, Lene, so schlecht
bin ich. Aber ich muß auch gleich für meine
Schadenfreude bezahlen. Denn wenn Du weg bist,
Kind, und die gute Frau Nimptsch mit ihrem Feuer
und ihrem Theekessel und immer kochend Wasser, ja,
Lene, was hab' ich denn noch? Doch blos ihn un
Sultan und den dummen Jungen, der immer dummer
wird. Un sonst keinen Menschen nich. Un wenn's
denn kalt wird und Schnee fällt, is es mitunter
zum kattol'sch werden vor lauter Stillsitzen und
Einsamkeit."

Das waren so die ersten Verhandlungen gewesen,
als der Umzugsplan in Lene feststand, und als
Ostern herankam, war wirklich ein Möbelwagen vor¬
gefahren, um aufzuladen, was an Habseligkeiten da
war. Der alte Dörr hatte sich bis zuletzt über¬

Dörr hatte geſagt: „Verſteht ſich, ihr müßt aus¬
ziehen. Und dem alten Geizkragen, dem Dörr, dem
gönn' ich's. Immer hat er mir was vorgebrummt,
daß ihr zu billig einſäß't und daß nich die Steuer
un die Repratur dabei 'raus käme. Nu mag er ſich
freuen, wenn ihm alles leer ſteht. Und ſo wird's
kommen. Denn wer zieht denn in ſolchen Puppen¬
kaſten, wo jeder Kater ins Fenſter kuckt un kein
Gas nich un keine Waſſerleitung. I, verſteht ſich;
ihr habt ja vierteljährliche Kündigung und Oſtern
könnt ihr 'raus, da helfen ihm keine Sperenzchen.
Und ich freue mich ordentlich; ja, Lene, ſo ſchlecht
bin ich. Aber ich muß auch gleich für meine
Schadenfreude bezahlen. Denn wenn Du weg biſt,
Kind, und die gute Frau Nimptſch mit ihrem Feuer
und ihrem Theekeſſel und immer kochend Waſſer, ja,
Lene, was hab' ich denn noch? Doch blos ihn un
Sultan und den dummen Jungen, der immer dummer
wird. Un ſonſt keinen Menſchen nich. Un wenn's
denn kalt wird und Schnee fällt, is es mitunter
zum kattol'ſch werden vor lauter Stillſitzen und
Einſamkeit.“

Das waren ſo die erſten Verhandlungen geweſen,
als der Umzugsplan in Lene feſtſtand, und als
Oſtern herankam, war wirklich ein Möbelwagen vor¬
gefahren, um aufzuladen, was an Habſeligkeiten da
war. Der alte Dörr hatte ſich bis zuletzt über¬

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[187/0197] Dörr hatte geſagt: „Verſteht ſich, ihr müßt aus¬ ziehen. Und dem alten Geizkragen, dem Dörr, dem gönn' ich's. Immer hat er mir was vorgebrummt, daß ihr zu billig einſäß't und daß nich die Steuer un die Repratur dabei 'raus käme. Nu mag er ſich freuen, wenn ihm alles leer ſteht. Und ſo wird's kommen. Denn wer zieht denn in ſolchen Puppen¬ kaſten, wo jeder Kater ins Fenſter kuckt un kein Gas nich un keine Waſſerleitung. I, verſteht ſich; ihr habt ja vierteljährliche Kündigung und Oſtern könnt ihr 'raus, da helfen ihm keine Sperenzchen. Und ich freue mich ordentlich; ja, Lene, ſo ſchlecht bin ich. Aber ich muß auch gleich für meine Schadenfreude bezahlen. Denn wenn Du weg biſt, Kind, und die gute Frau Nimptſch mit ihrem Feuer und ihrem Theekeſſel und immer kochend Waſſer, ja, Lene, was hab' ich denn noch? Doch blos ihn un Sultan und den dummen Jungen, der immer dummer wird. Un ſonſt keinen Menſchen nich. Un wenn's denn kalt wird und Schnee fällt, is es mitunter zum kattol'ſch werden vor lauter Stillſitzen und Einſamkeit.“ Das waren ſo die erſten Verhandlungen geweſen, als der Umzugsplan in Lene feſtſtand, und als Oſtern herankam, war wirklich ein Möbelwagen vor¬ gefahren, um aufzuladen, was an Habſeligkeiten da war. Der alte Dörr hatte ſich bis zuletzt über¬

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/197>, abgerufen am 24.11.2024.