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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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später bei den Irvingianern eine Rolle gespielt hatte,
neuerdings eine selbständige Sekte gestiftet.

Wie sich denken läßt, erregte dies alles die
höchste Neugier der Frau Dörr, die denn auch nicht
müde wurde, Fragen zu stellen und Anspielungen
zu machen, aber immer nur, wenn Lene wirthschaft¬
lich zu thun oder in der Stadt allerlei Besorgungen
hatte. "Sagen Sie, liebe Frau Nimptsch, was is
er denn eigentlich? Ich habe nachgeschlagen, aber er
steht noch nich drin; Dörr hat blos immer den vor¬
jährigen. Franke heißt er?"

"Ja, Franke."

"Franke. Da war mal einer in der Ohmgasse,
Großböttchermeister, und hatte blos ein Auge; das
heißt, das andre war auch noch da, man blos ganz
weiß und sah eigentlich aus wie 'ne Fischblase, Un
wovon war es? Ein Reifen, als er ihn umlegen
wollte, war abgesprungen und mit der Spitze grad'
ins Auge. Davon war es. Ob er von da her¬
stammt?"

"Nein, Frau Dörr, er is gar nich von hier. Er
is aus Bremen."

"Ach so. Na denn is es ja ganz natürlich."

Frau Nimptsch nickte zustimmend, ohne sich über
diese Natürlichkeitsversicherung weiter aufklären zu
lassen, und fuhr ihrerseits fort: "Un von Bremen
bis Amerika dauert blos 14 Tage. Da ging er hin.

ſpäter bei den Irvingianern eine Rolle geſpielt hatte,
neuerdings eine ſelbſtändige Sekte geſtiftet.

Wie ſich denken läßt, erregte dies alles die
höchſte Neugier der Frau Dörr, die denn auch nicht
müde wurde, Fragen zu ſtellen und Anſpielungen
zu machen, aber immer nur, wenn Lene wirthſchaft¬
lich zu thun oder in der Stadt allerlei Beſorgungen
hatte. „Sagen Sie, liebe Frau Nimptſch, was is
er denn eigentlich? Ich habe nachgeſchlagen, aber er
ſteht noch nich drin; Dörr hat blos immer den vor¬
jährigen. Franke heißt er?“

„Ja, Franke.“

„Franke. Da war mal einer in der Ohmgaſſe,
Großböttchermeiſter, und hatte blos ein Auge; das
heißt, das andre war auch noch da, man blos ganz
weiß und ſah eigentlich aus wie 'ne Fiſchblaſe, Un
wovon war es? Ein Reifen, als er ihn umlegen
wollte, war abgeſprungen und mit der Spitze grad'
ins Auge. Davon war es. Ob er von da her¬
ſtammt?“

„Nein, Frau Dörr, er is gar nich von hier. Er
is aus Bremen.“

„Ach ſo. Na denn is es ja ganz natürlich.“

Frau Nimptſch nickte zuſtimmend, ohne ſich über
dieſe Natürlichkeitsverſicherung weiter aufklären zu
laſſen, und fuhr ihrerſeits fort: „Un von Bremen
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[192/0202] ſpäter bei den Irvingianern eine Rolle geſpielt hatte, neuerdings eine ſelbſtändige Sekte geſtiftet. Wie ſich denken läßt, erregte dies alles die höchſte Neugier der Frau Dörr, die denn auch nicht müde wurde, Fragen zu ſtellen und Anſpielungen zu machen, aber immer nur, wenn Lene wirthſchaft¬ lich zu thun oder in der Stadt allerlei Beſorgungen hatte. „Sagen Sie, liebe Frau Nimptſch, was is er denn eigentlich? Ich habe nachgeſchlagen, aber er ſteht noch nich drin; Dörr hat blos immer den vor¬ jährigen. Franke heißt er?“ „Ja, Franke.“ „Franke. Da war mal einer in der Ohmgaſſe, Großböttchermeiſter, und hatte blos ein Auge; das heißt, das andre war auch noch da, man blos ganz weiß und ſah eigentlich aus wie 'ne Fiſchblaſe, Un wovon war es? Ein Reifen, als er ihn umlegen wollte, war abgeſprungen und mit der Spitze grad' ins Auge. Davon war es. Ob er von da her¬ ſtammt?“ „Nein, Frau Dörr, er is gar nich von hier. Er is aus Bremen.“ „Ach ſo. Na denn is es ja ganz natürlich.“ Frau Nimptſch nickte zuſtimmend, ohne ſich über dieſe Natürlichkeitsverſicherung weiter aufklären zu laſſen, und fuhr ihrerſeits fort: „Un von Bremen bis Amerika dauert blos 14 Tage. Da ging er hin.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/202>, abgerufen am 24.11.2024.