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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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wer sich dessen schämt, muß es überhaupt nicht
versprechen."

So ließ er denn die Kränze liegen, wo sie
lagen, und vergaß ihrer beinah ganz, als sie gleich
danach in einen Straßentheil einbogen, der ihn
durch seine bunte, hier und da groteske Szenerie
von seinen bisherigen Betrachtungen abzog. Rechts,
auf wohl 500 Schritt Entfernung hin, zog sich ein
Plankenzaun, über den hinweg allerlei Buden, Pa¬
villons und Lampenportale ragten, alle mit einer
Welt von Inschriften bedeckt. Die meisten derselben
waren neueren und neusten Datums, einige dagegen,
und gerade die größten und buntesten, griffen weit
zurück und hatten sich, wenn auch in einem regen¬
verwaschenen Zustande, vom letzten Jahr her ge¬
rettet. Mitten unter diesen Vergnügungslokalen und
mit ihnen abwechselnd, hatten verschiedene Hand¬
werksmeister ihre Werkstätten aufgerichtet, vorwiegend
Bildhauer und Steinmetze, die hier, mit Rücksicht
auf die zahlreichen Kirchhöfe, meist nur Kreuze,
Säulen und Obelisken ausstellten. All' das konnte
nicht verfehlen, auf jeden hier des Weges Kommen¬
den einen Eindruck zu machen und diesem Eindruck
unterlag auch Rienäcker, der von seiner Droschke
her, unter wachsender Neugier, die nicht enden
wollenden und untereinander im tiefsten Gegensatze
stehenden Anpreisungen las und die dazu gehörigen

wer ſich deſſen ſchämt, muß es überhaupt nicht
verſprechen.“

So ließ er denn die Kränze liegen, wo ſie
lagen, und vergaß ihrer beinah ganz, als ſie gleich
danach in einen Straßentheil einbogen, der ihn
durch ſeine bunte, hier und da groteske Szenerie
von ſeinen bisherigen Betrachtungen abzog. Rechts,
auf wohl 500 Schritt Entfernung hin, zog ſich ein
Plankenzaun, über den hinweg allerlei Buden, Pa¬
villons und Lampenportale ragten, alle mit einer
Welt von Inſchriften bedeckt. Die meiſten derſelben
waren neueren und neuſten Datums, einige dagegen,
und gerade die größten und bunteſten, griffen weit
zurück und hatten ſich, wenn auch in einem regen¬
verwaſchenen Zuſtande, vom letzten Jahr her ge¬
rettet. Mitten unter dieſen Vergnügungslokalen und
mit ihnen abwechſelnd, hatten verſchiedene Hand¬
werksmeiſter ihre Werkſtätten aufgerichtet, vorwiegend
Bildhauer und Steinmetze, die hier, mit Rückſicht
auf die zahlreichen Kirchhöfe, meiſt nur Kreuze,
Säulen und Obelisken ausſtellten. All' das konnte
nicht verfehlen, auf jeden hier des Weges Kommen¬
den einen Eindruck zu machen und dieſem Eindruck
unterlag auch Rienäcker, der von ſeiner Droſchke
her, unter wachſender Neugier, die nicht enden
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[237/0247] wer ſich deſſen ſchämt, muß es überhaupt nicht verſprechen.“ So ließ er denn die Kränze liegen, wo ſie lagen, und vergaß ihrer beinah ganz, als ſie gleich danach in einen Straßentheil einbogen, der ihn durch ſeine bunte, hier und da groteske Szenerie von ſeinen bisherigen Betrachtungen abzog. Rechts, auf wohl 500 Schritt Entfernung hin, zog ſich ein Plankenzaun, über den hinweg allerlei Buden, Pa¬ villons und Lampenportale ragten, alle mit einer Welt von Inſchriften bedeckt. Die meiſten derſelben waren neueren und neuſten Datums, einige dagegen, und gerade die größten und bunteſten, griffen weit zurück und hatten ſich, wenn auch in einem regen¬ verwaſchenen Zuſtande, vom letzten Jahr her ge¬ rettet. Mitten unter dieſen Vergnügungslokalen und mit ihnen abwechſelnd, hatten verſchiedene Hand¬ werksmeiſter ihre Werkſtätten aufgerichtet, vorwiegend Bildhauer und Steinmetze, die hier, mit Rückſicht auf die zahlreichen Kirchhöfe, meiſt nur Kreuze, Säulen und Obelisken ausſtellten. All' das konnte nicht verfehlen, auf jeden hier des Weges Kommen¬ den einen Eindruck zu machen und dieſem Eindruck unterlag auch Rienäcker, der von ſeiner Droſchke her, unter wachſender Neugier, die nicht enden wollenden und untereinander im tiefſten Gegenſatze ſtehenden Anpreiſungen las und die dazu gehörigen

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/247>, abgerufen am 24.11.2024.