gesehn, gestern, aber heimlich, verstohlen, auf dem Korso. Denke Dir, ich war auch da, natürlich weit zurück in einer Seiten-Alleh und habe Dich eine Stunde lang auf- und abreiten sehn. Ach, ich freute mich über die Maßen, denn Du warst der stattlichste (beinah so stattlich wie Frau Dörr, die sich Dir emphehlen läßt) und ich hatte solchen Stolz Dich zu sehn, daß ich nicht einmal eifer¬ süchtig wurde. Nur einmal kam es. Wer war denn die schöne Blondine, mit den zwei Schimmeln, die ganz in einer Blumengirrlande gingen? Und die Blumen so dicht, ganz ohne Blatt und Stiehl. So was Schönes hab' ich all mein Lebtag nicht gesehn. Als Kind hätt' ich gedacht, es müss' eine Prinzessin sein, aber jetzt weiß ich, daß Prinzessinnen nicht immer die schönsten sind. Ja, sie war schön und gefiehl Dir, ich sah es wohl, und Du gefiehlst ihr auch. Aber die Mutter, die neben der schönen Blondine saß, der gefiehlst Du noch besser. Und das ärgerte mich. Einer ganz jungen gönne ich Dich, wenn's durchaus sein muß. Aber einer alten! Und nun gar einer Mama? Nein, nein, die hat ihr Theil. Jedenfalls, mein einziger Botho, siehst Du, daß Du mich wieder gut machen und beruhigen mußt. Ich erwarte Dich morgen oder übermorgen. Und wenn Du nicht Abend kannst, so komme bei Tag und wenn es nur eine Minute wäre. Ich
geſehn, geſtern, aber heimlich, verſtohlen, auf dem Korſo. Denke Dir, ich war auch da, natürlich weit zurück in einer Seiten-Alleh und habe Dich eine Stunde lang auf- und abreiten ſehn. Ach, ich freute mich über die Maßen, denn Du warſt der ſtattlichſte (beinah ſo ſtattlich wie Frau Dörr, die ſich Dir emphehlen läßt) und ich hatte ſolchen Stolz Dich zu ſehn, daß ich nicht einmal eifer¬ ſüchtig wurde. Nur einmal kam es. Wer war denn die ſchöne Blondine, mit den zwei Schimmeln, die ganz in einer Blumengirrlande gingen? Und die Blumen ſo dicht, ganz ohne Blatt und Stiehl. So was Schönes hab' ich all mein Lebtag nicht geſehn. Als Kind hätt' ich gedacht, es müſſ' eine Prinzeſſin ſein, aber jetzt weiß ich, daß Prinzeſſinnen nicht immer die ſchönſten ſind. Ja, ſie war ſchön und gefiehl Dir, ich ſah es wohl, und Du gefiehlſt ihr auch. Aber die Mutter, die neben der ſchönen Blondine ſaß, der gefiehlſt Du noch beſſer. Und das ärgerte mich. Einer ganz jungen gönne ich Dich, wenn's durchaus ſein muß. Aber einer alten! Und nun gar einer Mama? Nein, nein, die hat ihr Theil. Jedenfalls, mein einziger Botho, ſiehſt Du, daß Du mich wieder gut machen und beruhigen mußt. Ich erwarte Dich morgen oder übermorgen. Und wenn Du nicht Abend kannſt, ſo komme bei Tag und wenn es nur eine Minute wäre. Ich
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0066"n="56"/>
geſehn, geſtern, aber heimlich, verſtohlen, auf dem<lb/>
Korſo. Denke Dir, ich war auch da, natürlich weit<lb/>
zurück in einer Seiten-Alleh und habe Dich eine<lb/>
Stunde lang auf- und abreiten ſehn. Ach, ich<lb/>
freute mich über die Maßen, denn Du warſt der<lb/>ſtattlichſte (beinah ſo ſtattlich wie Frau Dörr, die<lb/>ſich Dir emphehlen läßt) und ich hatte ſolchen<lb/>
Stolz Dich zu ſehn, daß ich nicht einmal eifer¬<lb/>ſüchtig wurde. Nur einmal kam es. Wer war<lb/>
denn die ſchöne Blondine, mit den zwei Schimmeln,<lb/>
die ganz in einer Blumengirrlande gingen? Und<lb/>
die Blumen ſo dicht, ganz ohne Blatt und Stiehl.<lb/>
So was Schönes hab' ich all mein Lebtag nicht<lb/>
geſehn. Als Kind hätt' ich gedacht, es müſſ' eine<lb/>
Prinzeſſin ſein, aber jetzt weiß ich, daß Prinzeſſinnen<lb/>
nicht immer die ſchönſten ſind. Ja, ſie war ſchön<lb/>
und gefiehl Dir, ich ſah es wohl, und Du gefiehlſt<lb/>
ihr auch. Aber die Mutter, die neben der ſchönen<lb/>
Blondine ſaß, <hirendition="#g">der</hi> gefiehlſt Du noch beſſer. Und<lb/>
das ärgerte mich. Einer ganz jungen gönne ich<lb/>
Dich, wenn's durchaus ſein muß. Aber einer alten!<lb/>
Und nun gar einer Mama? Nein, nein, die hat<lb/>
ihr Theil. Jedenfalls, mein einziger Botho, ſiehſt<lb/>
Du, daß Du mich wieder gut machen und beruhigen<lb/>
mußt. Ich erwarte Dich morgen oder übermorgen.<lb/>
Und wenn Du nicht Abend kannſt, ſo komme bei<lb/>
Tag und wenn es nur eine Minute wäre. Ich<lb/></p></div></body></text></TEI>
[56/0066]
geſehn, geſtern, aber heimlich, verſtohlen, auf dem
Korſo. Denke Dir, ich war auch da, natürlich weit
zurück in einer Seiten-Alleh und habe Dich eine
Stunde lang auf- und abreiten ſehn. Ach, ich
freute mich über die Maßen, denn Du warſt der
ſtattlichſte (beinah ſo ſtattlich wie Frau Dörr, die
ſich Dir emphehlen läßt) und ich hatte ſolchen
Stolz Dich zu ſehn, daß ich nicht einmal eifer¬
ſüchtig wurde. Nur einmal kam es. Wer war
denn die ſchöne Blondine, mit den zwei Schimmeln,
die ganz in einer Blumengirrlande gingen? Und
die Blumen ſo dicht, ganz ohne Blatt und Stiehl.
So was Schönes hab' ich all mein Lebtag nicht
geſehn. Als Kind hätt' ich gedacht, es müſſ' eine
Prinzeſſin ſein, aber jetzt weiß ich, daß Prinzeſſinnen
nicht immer die ſchönſten ſind. Ja, ſie war ſchön
und gefiehl Dir, ich ſah es wohl, und Du gefiehlſt
ihr auch. Aber die Mutter, die neben der ſchönen
Blondine ſaß, der gefiehlſt Du noch beſſer. Und
das ärgerte mich. Einer ganz jungen gönne ich
Dich, wenn's durchaus ſein muß. Aber einer alten!
Und nun gar einer Mama? Nein, nein, die hat
ihr Theil. Jedenfalls, mein einziger Botho, ſiehſt
Du, daß Du mich wieder gut machen und beruhigen
mußt. Ich erwarte Dich morgen oder übermorgen.
Und wenn Du nicht Abend kannſt, ſo komme bei
Tag und wenn es nur eine Minute wäre. Ich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/66>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.