Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.Aber die Herren schweigen. Ich bitte Sie, sprechen Wedell, in immer wachsender Verlegenheit, suchte "Und kein Widerspruch dagegen, kein Appell?" "Doch, Herr Baron. Unter Umständen auch Aber die Herren ſchweigen. Ich bitte Sie, ſprechen Wedell, in immer wachſender Verlegenheit, ſuchte „Und kein Widerſpruch dagegen, kein Appell?“ „Doch, Herr Baron. Unter Umſtänden auch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0078" n="68"/> Aber die Herren ſchweigen. Ich bitte Sie, ſprechen<lb/> Sie. Glauben Sie mir, daß ich andre Meinungen<lb/> hören und ertragen kann; ich bin nicht wie er;<lb/> ſprechen Sie, Herr v. Wedell, ſprechen Sie.“</p><lb/> <p>Wedell, in immer wachſender Verlegenheit, ſuchte<lb/> nach einem Ausgleichs- und Beruhigungsworte:<lb/> „Gewiß, Herr Baron, es iſt, wie Sie ſagen. Aber,<lb/> Pardon, ich habe damals, als die Sache zum Aus¬<lb/> trag kam, vielfach ausſprechen hören, und die Worte<lb/> ſind mir im Gedächtniß geblieben, daß der Schwächere<lb/> darauf verzichten müſſe, dem Stärkeren die Wege<lb/> kreuzen zu wollen, das verbiete ſich in Leben wie<lb/> Politik, es ſei nun mal ſo: Macht gehe vor Recht.“<lb/></p> <p>„Und kein Widerſpruch dagegen, kein Appell?“<lb/></p> <p>„Doch, Herr Baron. Unter Umſtänden auch<lb/> ein Appell. Und um nichts zu verſchweigen, ich<lb/> kenne ſolche Fälle gerechtfertigter Oppoſition. Was<lb/> die Schwäche nicht darf, das darf die Reinheit, die<lb/> Reinheit der Ueberzeugung, die Lauterkeit der Ge¬<lb/> ſinnung. Die hat das Recht der Auflehnung, ſie hat<lb/> ſogar die Pflicht dazu. Wer aber <hi rendition="#g">hat</hi> dieſe Lauter¬<lb/> keit? Hatte ſie . . . Doch ich ſchweige, weil ich weder<lb/> Sie, Herr Baron, noch die Familie, von der wir<lb/> ſprechen, verletzen möchte. Sie wiſſen aber, auch<lb/> ohne daß ich es ſage, daß <hi rendition="#g">er</hi>, der das Wagniß<lb/> wagte, dieſe Lauterkeit der Geſinnung <hi rendition="#g">nicht</hi> hatte.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [68/0078]
Aber die Herren ſchweigen. Ich bitte Sie, ſprechen
Sie. Glauben Sie mir, daß ich andre Meinungen
hören und ertragen kann; ich bin nicht wie er;
ſprechen Sie, Herr v. Wedell, ſprechen Sie.“
Wedell, in immer wachſender Verlegenheit, ſuchte
nach einem Ausgleichs- und Beruhigungsworte:
„Gewiß, Herr Baron, es iſt, wie Sie ſagen. Aber,
Pardon, ich habe damals, als die Sache zum Aus¬
trag kam, vielfach ausſprechen hören, und die Worte
ſind mir im Gedächtniß geblieben, daß der Schwächere
darauf verzichten müſſe, dem Stärkeren die Wege
kreuzen zu wollen, das verbiete ſich in Leben wie
Politik, es ſei nun mal ſo: Macht gehe vor Recht.“
„Und kein Widerſpruch dagegen, kein Appell?“
„Doch, Herr Baron. Unter Umſtänden auch
ein Appell. Und um nichts zu verſchweigen, ich
kenne ſolche Fälle gerechtfertigter Oppoſition. Was
die Schwäche nicht darf, das darf die Reinheit, die
Reinheit der Ueberzeugung, die Lauterkeit der Ge¬
ſinnung. Die hat das Recht der Auflehnung, ſie hat
ſogar die Pflicht dazu. Wer aber hat dieſe Lauter¬
keit? Hatte ſie . . . Doch ich ſchweige, weil ich weder
Sie, Herr Baron, noch die Familie, von der wir
ſprechen, verletzen möchte. Sie wiſſen aber, auch
ohne daß ich es ſage, daß er, der das Wagniß
wagte, dieſe Lauterkeit der Geſinnung nicht hatte.
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