Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894.schon beim ragout fin, in ein Gespräch über philosophische Themata verwickelt sah. In geschickter Weise Fragen stellend, immer nur in anscheinender Bescheidenheit eine ganz leise Vertrautheit mit den Dingen andeutend, erreichte die von Fichte, Hegel und Schelling wie von ihr wenigstens oberflächlich bekannten Größen sprechende Räthin alsbald so viel, den berühmten Professor in das alleraufrichtigste Staunen zu versetzen. Und doch war alles bloß Rolle, die die Dame, den Wünschen ihrer Umgebung nachgebend, sich mit Hilfe des Conversationslexikons einstudirt hatte. Neckereien derart waren es denn auch, denen sich mein Vater, freilich sehr durch seine Schuld, beständig ausgesetzt sah. Ich komme weiter hin darauf zurück. Hier nur schon so viel, daß man ihm eines Tages erklärte, ihn in den Freimaurer-Orden - zu dessen Mitgliedern (was aber meinem Vater unbekannt war) in Wahrheit kein einziger aus der Honoratiorenschaft gehörte - aufnehmen zu wollen. Er ängstigte sich etwas davor, weil er von "In Sarglegen" und dergleichen gehört hatte. Und nun kam schließlich der dafür festgesetzte Tag und alle Prozeduren, wie sie der landläufigen Annahme der damaligen Nicht-Freimaurerwelt entsprachen, wurden in feierlicher Sitzung, bei Stockfinsterniß, schon beim ragout fin, in ein Gespräch über philosophische Themata verwickelt sah. In geschickter Weise Fragen stellend, immer nur in anscheinender Bescheidenheit eine ganz leise Vertrautheit mit den Dingen andeutend, erreichte die von Fichte, Hegel und Schelling wie von ihr wenigstens oberflächlich bekannten Größen sprechende Räthin alsbald so viel, den berühmten Professor in das alleraufrichtigste Staunen zu versetzen. Und doch war alles bloß Rolle, die die Dame, den Wünschen ihrer Umgebung nachgebend, sich mit Hilfe des Conversationslexikons einstudirt hatte. Neckereien derart waren es denn auch, denen sich mein Vater, freilich sehr durch seine Schuld, beständig ausgesetzt sah. Ich komme weiter hin darauf zurück. Hier nur schon so viel, daß man ihm eines Tages erklärte, ihn in den Freimaurer-Orden – zu dessen Mitgliedern (was aber meinem Vater unbekannt war) in Wahrheit kein einziger aus der Honoratiorenschaft gehörte – aufnehmen zu wollen. Er ängstigte sich etwas davor, weil er von „In Sarglegen“ und dergleichen gehört hatte. Und nun kam schließlich der dafür festgesetzte Tag und alle Prozeduren, wie sie der landläufigen Annahme der damaligen Nicht-Freimaurerwelt entsprachen, wurden in feierlicher Sitzung, bei Stockfinsterniß, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0138" n="130"/> schon beim <hi rendition="#aq">ragout fin</hi>, in ein Gespräch über philosophische Themata verwickelt sah. In geschickter Weise Fragen stellend, immer nur in anscheinender Bescheidenheit eine ganz leise Vertrautheit mit den Dingen andeutend, erreichte die von Fichte, Hegel und Schelling wie von ihr wenigstens oberflächlich bekannten Größen sprechende Räthin alsbald so viel, den berühmten Professor in das alleraufrichtigste Staunen zu versetzen. Und doch war alles bloß Rolle, die die Dame, den Wünschen ihrer Umgebung nachgebend, sich mit Hilfe des Conversationslexikons einstudirt hatte.</p> <p>Neckereien derart waren es denn auch, denen sich mein Vater, freilich sehr durch seine Schuld, beständig ausgesetzt sah. Ich komme weiter hin darauf zurück. Hier nur schon so viel, daß man ihm eines Tages erklärte, ihn in den Freimaurer-Orden – zu dessen Mitgliedern (was aber meinem Vater unbekannt war) in Wahrheit kein einziger aus der Honoratiorenschaft gehörte – aufnehmen zu wollen. Er ängstigte sich etwas davor, weil er von „In Sarglegen“ und dergleichen gehört hatte. Und nun kam schließlich der dafür festgesetzte Tag und alle Prozeduren, wie sie der landläufigen Annahme der damaligen <hi rendition="#g">Nicht</hi>-Freimaurerwelt entsprachen, wurden in feierlicher Sitzung, bei Stockfinsterniß, </p> </div> </body> </text> </TEI> [130/0138]
schon beim ragout fin, in ein Gespräch über philosophische Themata verwickelt sah. In geschickter Weise Fragen stellend, immer nur in anscheinender Bescheidenheit eine ganz leise Vertrautheit mit den Dingen andeutend, erreichte die von Fichte, Hegel und Schelling wie von ihr wenigstens oberflächlich bekannten Größen sprechende Räthin alsbald so viel, den berühmten Professor in das alleraufrichtigste Staunen zu versetzen. Und doch war alles bloß Rolle, die die Dame, den Wünschen ihrer Umgebung nachgebend, sich mit Hilfe des Conversationslexikons einstudirt hatte.
Neckereien derart waren es denn auch, denen sich mein Vater, freilich sehr durch seine Schuld, beständig ausgesetzt sah. Ich komme weiter hin darauf zurück. Hier nur schon so viel, daß man ihm eines Tages erklärte, ihn in den Freimaurer-Orden – zu dessen Mitgliedern (was aber meinem Vater unbekannt war) in Wahrheit kein einziger aus der Honoratiorenschaft gehörte – aufnehmen zu wollen. Er ängstigte sich etwas davor, weil er von „In Sarglegen“ und dergleichen gehört hatte. Und nun kam schließlich der dafür festgesetzte Tag und alle Prozeduren, wie sie der landläufigen Annahme der damaligen Nicht-Freimaurerwelt entsprachen, wurden in feierlicher Sitzung, bei Stockfinsterniß,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2013-01-21T13:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Digitale Drucke der Uni Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-01-21T13:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-01-21T13:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |