Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

12 oder 14 Personen, und nur gelegentlich erschien auch wohl meine Mutter mit bei Tisch, meist begleitet von ihrer, auch zur Winterzeit, oft monatelang auf Besuch bei uns weilenden, damals noch sehr jungen und hübschen Schwester. Diese letztere passend zu placiren, erwies sich immer als besonders schwierig und nur wenn der alte von Flemming und Hofrath Dr. Kind zugegen waren, war einigermaßen Sicherheit vor extremen Huldigungen gewährleistet. Sich vor solchen Huldigungen zu schützen, entzog sich beinahe der Möglichkeit. Man respektirte vielleicht Tugend, wiewohl mir auch das noch zweifelhaft ist, aber Tugendallüren waren abgeschmackt und wo lag immer die Grenze zwischen Sein und Schein. Daß sich die Damen gegen Ende der Tafel zurückzogen und nur noch auf eine kurze Viertelstunde wieder erschienen, um beim Kaffee die Honneurs zu machen, versteht sich von selbst.

Ich habe weiter oben von der Kochkunst der guten Frau Gaster gesprochen, aber, dieser Kochkunst unerachtet, war die Bewirthung eigentlich einfach, namentlich gemessen an dem Raffinement, das jetzt bei Gastmählern vorherrscht. Einfach sage ich und dabei stabil. Keiner wollte zurückbleiben, aber auch nicht über den Andern hinausgehen. Auf die Suppe folgte ein Fisch, dann (feststehend) Teltower Rübchen

12 oder 14 Personen, und nur gelegentlich erschien auch wohl meine Mutter mit bei Tisch, meist begleitet von ihrer, auch zur Winterzeit, oft monatelang auf Besuch bei uns weilenden, damals noch sehr jungen und hübschen Schwester. Diese letztere passend zu placiren, erwies sich immer als besonders schwierig und nur wenn der alte von Flemming und Hofrath Dr. Kind zugegen waren, war einigermaßen Sicherheit vor extremen Huldigungen gewährleistet. Sich vor solchen Huldigungen zu schützen, entzog sich beinahe der Möglichkeit. Man respektirte vielleicht Tugend, wiewohl mir auch das noch zweifelhaft ist, aber Tugendallüren waren abgeschmackt und wo lag immer die Grenze zwischen Sein und Schein. Daß sich die Damen gegen Ende der Tafel zurückzogen und nur noch auf eine kurze Viertelstunde wieder erschienen, um beim Kaffee die Honneurs zu machen, versteht sich von selbst.

Ich habe weiter oben von der Kochkunst der guten Frau Gaster gesprochen, aber, dieser Kochkunst unerachtet, war die Bewirthung eigentlich einfach, namentlich gemessen an dem Raffinement, das jetzt bei Gastmählern vorherrscht. Einfach sage ich und dabei stabil. Keiner wollte zurückbleiben, aber auch nicht über den Andern hinausgehen. Auf die Suppe folgte ein Fisch, dann (feststehend) Teltower Rübchen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0162" n="154"/>
12 oder 14 Personen, und nur gelegentlich erschien auch wohl meine Mutter mit bei Tisch, meist begleitet von ihrer, auch zur Winterzeit, oft monatelang auf Besuch bei uns weilenden, damals noch sehr jungen und hübschen Schwester. Diese letztere passend zu placiren, erwies sich immer als besonders schwierig und nur wenn der alte von Flemming und Hofrath <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Kind zugegen waren, war einigermaßen Sicherheit vor extremen Huldigungen gewährleistet. Sich vor solchen Huldigungen zu schützen, entzog sich beinahe der Möglichkeit. Man respektirte vielleicht Tugend, wiewohl mir auch <hi rendition="#g">das</hi> noch zweifelhaft ist, aber Tugendallüren waren abgeschmackt und wo lag immer die Grenze zwischen Sein und Schein. Daß sich die Damen gegen Ende der Tafel zurückzogen und nur noch auf eine kurze Viertelstunde wieder erschienen, um beim Kaffee die Honneurs zu machen, versteht sich von selbst.</p>
        <p>Ich habe weiter oben von der Kochkunst der guten Frau Gaster gesprochen, aber, dieser Kochkunst unerachtet, war die Bewirthung eigentlich einfach, namentlich gemessen an dem Raffinement, das jetzt bei Gastmählern vorherrscht. Einfach sage ich und dabei stabil. Keiner wollte zurückbleiben, aber auch nicht über den Andern hinausgehen. Auf die Suppe folgte ein Fisch, dann (feststehend) Teltower Rübchen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[154/0162] 12 oder 14 Personen, und nur gelegentlich erschien auch wohl meine Mutter mit bei Tisch, meist begleitet von ihrer, auch zur Winterzeit, oft monatelang auf Besuch bei uns weilenden, damals noch sehr jungen und hübschen Schwester. Diese letztere passend zu placiren, erwies sich immer als besonders schwierig und nur wenn der alte von Flemming und Hofrath Dr. Kind zugegen waren, war einigermaßen Sicherheit vor extremen Huldigungen gewährleistet. Sich vor solchen Huldigungen zu schützen, entzog sich beinahe der Möglichkeit. Man respektirte vielleicht Tugend, wiewohl mir auch das noch zweifelhaft ist, aber Tugendallüren waren abgeschmackt und wo lag immer die Grenze zwischen Sein und Schein. Daß sich die Damen gegen Ende der Tafel zurückzogen und nur noch auf eine kurze Viertelstunde wieder erschienen, um beim Kaffee die Honneurs zu machen, versteht sich von selbst. Ich habe weiter oben von der Kochkunst der guten Frau Gaster gesprochen, aber, dieser Kochkunst unerachtet, war die Bewirthung eigentlich einfach, namentlich gemessen an dem Raffinement, das jetzt bei Gastmählern vorherrscht. Einfach sage ich und dabei stabil. Keiner wollte zurückbleiben, aber auch nicht über den Andern hinausgehen. Auf die Suppe folgte ein Fisch, dann (feststehend) Teltower Rübchen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-21T13:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Digitale Drucke der Uni Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-21T13:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-21T13:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Worttrennungen am Zeilenende werden ignoriert. Das Wort wird noch auf der gleichen Seite vervollständigt.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/162
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/162>, abgerufen am 23.11.2024.