Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894.und machten in diesem die Schlacht mit. Mein Vater erhielt eine Kugel in den Tornister, die, nach Durchbohrung eines kleinen Wäschevorraths, in den Pergamentblättern einer dicken Brieftasche stecken blieb. Diese Brieftasche, mit der Kugel darin, hab ich mir oft zeigen lassen. "Du mußt wissen, mein lieber Sohn, es war kein Schuß von Hinten; wir stürmten einen Hohlweg, auf dessen Rändern, rechts und links, französische Voltigeurs standen. Also Seitenschuß". Das unterließ er nie zu sagen; er war vollkommen unrenommistisch, aber darauf, daß dies ein "Seitenschuß" gewesen sei, legte er doch Gewicht. Der Schlacht bei Groß-Görschen folgte die bei Bautzen und dieser wiederum eine Reihe kleinerer Scharmützel und Gefechte. "Die waren Dir nun wohl vollkommen gleichgültig?" fragte ich. - "Kann ich durchaus nicht sagen." - "Ich dachte, daß die Macht der Gewohnheit ..." - "Diese Macht der Gewohnheit ist im Kriege, wenigstens nach meiner persönlichen Erfahrung, von keinerlei Trost und Bedeutung. Eher das Gegenteil. Man sagt sich, wer drei oder viermal heil durchgekommen ist, hat Anspruch, das fünfte Mal dran glauben zu müssen. Eine Karte, die viermal gewonnen, hat immer Chance, das fünfte Mal zu verlieren." und machten in diesem die Schlacht mit. Mein Vater erhielt eine Kugel in den Tornister, die, nach Durchbohrung eines kleinen Wäschevorraths, in den Pergamentblättern einer dicken Brieftasche stecken blieb. Diese Brieftasche, mit der Kugel darin, hab ich mir oft zeigen lassen. „Du mußt wissen, mein lieber Sohn, es war kein Schuß von Hinten; wir stürmten einen Hohlweg, auf dessen Rändern, rechts und links, französische Voltigeurs standen. Also Seitenschuß“. Das unterließ er nie zu sagen; er war vollkommen unrenommistisch, aber darauf, daß dies ein „Seitenschuß“ gewesen sei, legte er doch Gewicht. Der Schlacht bei Groß-Görschen folgte die bei Bautzen und dieser wiederum eine Reihe kleinerer Scharmützel und Gefechte. „Die waren Dir nun wohl vollkommen gleichgültig?“ fragte ich. – „Kann ich durchaus nicht sagen.“ – „Ich dachte, daß die Macht der Gewohnheit …“ – „Diese Macht der Gewohnheit ist im Kriege, wenigstens nach meiner persönlichen Erfahrung, von keinerlei Trost und Bedeutung. Eher das Gegenteil. Man sagt sich, wer drei oder viermal heil durchgekommen ist, hat Anspruch, das fünfte Mal dran glauben zu müssen. Eine Karte, die viermal gewonnen, hat immer Chance, das fünfte Mal zu verlieren.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0017" n="9"/> und machten in diesem die Schlacht mit. Mein Vater erhielt eine Kugel in den Tornister, die, nach Durchbohrung eines kleinen Wäschevorraths, in den Pergamentblättern einer dicken Brieftasche stecken blieb. Diese Brieftasche, mit der Kugel darin, hab ich mir oft zeigen lassen.</p> <p>„Du mußt wissen, mein lieber Sohn, es war kein Schuß von Hinten; wir stürmten einen Hohlweg, auf dessen Rändern, rechts und links, französische Voltigeurs standen. Also Seitenschuß“. Das unterließ er nie zu sagen; er war vollkommen unrenommistisch, aber darauf, daß dies ein „Seitenschuß“ gewesen sei, legte er doch Gewicht.</p> <p>Der Schlacht bei Groß-Görschen folgte die bei Bautzen und dieser wiederum eine Reihe kleinerer Scharmützel und Gefechte. „Die waren Dir nun wohl vollkommen gleichgültig?“ fragte ich. – „Kann ich durchaus nicht sagen.“ – „Ich dachte, daß die Macht der Gewohnheit …“ – „Diese Macht der Gewohnheit ist im Kriege, wenigstens nach meiner persönlichen Erfahrung, von keinerlei Trost und Bedeutung. Eher das Gegenteil. Man sagt sich, wer drei oder viermal heil durchgekommen ist, hat Anspruch, das fünfte Mal dran glauben zu müssen. Eine Karte, die viermal gewonnen, hat immer Chance, das fünfte Mal zu verlieren.“</p> </div> </body> </text> </TEI> [9/0017]
und machten in diesem die Schlacht mit. Mein Vater erhielt eine Kugel in den Tornister, die, nach Durchbohrung eines kleinen Wäschevorraths, in den Pergamentblättern einer dicken Brieftasche stecken blieb. Diese Brieftasche, mit der Kugel darin, hab ich mir oft zeigen lassen.
„Du mußt wissen, mein lieber Sohn, es war kein Schuß von Hinten; wir stürmten einen Hohlweg, auf dessen Rändern, rechts und links, französische Voltigeurs standen. Also Seitenschuß“. Das unterließ er nie zu sagen; er war vollkommen unrenommistisch, aber darauf, daß dies ein „Seitenschuß“ gewesen sei, legte er doch Gewicht.
Der Schlacht bei Groß-Görschen folgte die bei Bautzen und dieser wiederum eine Reihe kleinerer Scharmützel und Gefechte. „Die waren Dir nun wohl vollkommen gleichgültig?“ fragte ich. – „Kann ich durchaus nicht sagen.“ – „Ich dachte, daß die Macht der Gewohnheit …“ – „Diese Macht der Gewohnheit ist im Kriege, wenigstens nach meiner persönlichen Erfahrung, von keinerlei Trost und Bedeutung. Eher das Gegenteil. Man sagt sich, wer drei oder viermal heil durchgekommen ist, hat Anspruch, das fünfte Mal dran glauben zu müssen. Eine Karte, die viermal gewonnen, hat immer Chance, das fünfte Mal zu verlieren.“
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2013-01-21T13:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Digitale Drucke der Uni Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-01-21T13:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-01-21T13:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |