Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

den Großvater, zu dem die Reise ging, erwartete. "Gut," sagte sie, "nimm den Jungen mit. Ich will ihm aber erst einen warmen Rock überziehen". - "Nicht nöthig; ich stecke ihn in den Fußsack". Und wirklich, ich wurde hinaufgereicht und wie ich da ging und stand in den Fußsack gesteckt, der vorn auf dem Wagen lag, alles offen, nicht einmal eine Ledertrommel darüber ausgespannt. Kam ein Stein, oder gab's einen Stoß, so konnte ich mit Bequemlichkeit herausfliegen. Aber diese Vorstellung störte meine Freude keinen Augenblick. In raschem Trabe ging es über Alt-Ruppin auf Cremmen zu, und lange bevor wir dieses, das ungefähr halber Weg war, erreicht hatten, zogen die Sterne herauf und wurden immer heller und blitzender. Entzückt sah ich in die Pracht und kein Schlaf kam in meine Augen. Ich bin nie wieder so gefahren; mir war als reisten wir in den Himmel. Gegen acht Uhr früh hielt unser Gefährt vor dem Hause meines Großvaters, der es, was hier noch eingeschaltet werden mag, mit Hülfe dreier, in guten Abständen geheiratheter Frauen, erst vom Zeichenlehrer zum Cabinetssekretär und ganz zuletzt, was noch wichtiger, sogar zum gutsituirten Berliner Hausbesitzer gebracht hatte, freilich nur in der Kleinen Hamburger Straße. Seinen Söhnen und Enkeln ist die

den Großvater, zu dem die Reise ging, erwartete. „Gut,“ sagte sie, „nimm den Jungen mit. Ich will ihm aber erst einen warmen Rock überziehen“. – „Nicht nöthig; ich stecke ihn in den Fußsack“. Und wirklich, ich wurde hinaufgereicht und wie ich da ging und stand in den Fußsack gesteckt, der vorn auf dem Wagen lag, alles offen, nicht einmal eine Ledertrommel darüber ausgespannt. Kam ein Stein, oder gab’s einen Stoß, so konnte ich mit Bequemlichkeit herausfliegen. Aber diese Vorstellung störte meine Freude keinen Augenblick. In raschem Trabe ging es über Alt-Ruppin auf Cremmen zu, und lange bevor wir dieses, das ungefähr halber Weg war, erreicht hatten, zogen die Sterne herauf und wurden immer heller und blitzender. Entzückt sah ich in die Pracht und kein Schlaf kam in meine Augen. Ich bin nie wieder so gefahren; mir war als reisten wir in den Himmel. Gegen acht Uhr früh hielt unser Gefährt vor dem Hause meines Großvaters, der es, was hier noch eingeschaltet werden mag, mit Hülfe dreier, in guten Abständen geheiratheter Frauen, erst vom Zeichenlehrer zum Cabinetssekretär und ganz zuletzt, was noch wichtiger, sogar zum gutsituirten Berliner Hausbesitzer gebracht hatte, freilich nur in der Kleinen Hamburger Straße. Seinen Söhnen und Enkeln ist die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0041" n="33"/>
den Großvater, zu dem die Reise ging, erwartete. &#x201E;Gut,&#x201C; sagte sie, &#x201E;nimm den Jungen mit. Ich will ihm aber erst einen warmen Rock überziehen&#x201C;. &#x2013; &#x201E;Nicht nöthig; ich stecke ihn in den Fußsack&#x201C;. Und wirklich, ich wurde hinaufgereicht und wie ich da ging und stand in den Fußsack gesteckt, der vorn auf dem Wagen lag, alles offen, nicht einmal eine Ledertrommel darüber ausgespannt. Kam ein Stein, oder gab&#x2019;s einen Stoß, so konnte ich mit Bequemlichkeit herausfliegen. Aber diese Vorstellung störte meine Freude keinen Augenblick. In raschem Trabe ging es über Alt-Ruppin auf Cremmen zu, und lange bevor wir dieses, das ungefähr halber Weg war, erreicht hatten, zogen die Sterne herauf und wurden immer heller und blitzender. Entzückt sah ich in die Pracht und kein Schlaf kam in meine Augen. Ich bin nie wieder so gefahren; mir war als reisten wir in den Himmel. Gegen acht Uhr früh hielt unser Gefährt vor dem Hause meines Großvaters, der es, was hier noch eingeschaltet werden mag, mit Hülfe dreier, in guten Abständen geheiratheter Frauen, erst vom Zeichenlehrer zum Cabinetssekretär und ganz zuletzt, was noch wichtiger, sogar zum gutsituirten Berliner Hausbesitzer gebracht hatte, freilich nur in der Kleinen Hamburger Straße. Seinen Söhnen und Enkeln ist die
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0041] den Großvater, zu dem die Reise ging, erwartete. „Gut,“ sagte sie, „nimm den Jungen mit. Ich will ihm aber erst einen warmen Rock überziehen“. – „Nicht nöthig; ich stecke ihn in den Fußsack“. Und wirklich, ich wurde hinaufgereicht und wie ich da ging und stand in den Fußsack gesteckt, der vorn auf dem Wagen lag, alles offen, nicht einmal eine Ledertrommel darüber ausgespannt. Kam ein Stein, oder gab’s einen Stoß, so konnte ich mit Bequemlichkeit herausfliegen. Aber diese Vorstellung störte meine Freude keinen Augenblick. In raschem Trabe ging es über Alt-Ruppin auf Cremmen zu, und lange bevor wir dieses, das ungefähr halber Weg war, erreicht hatten, zogen die Sterne herauf und wurden immer heller und blitzender. Entzückt sah ich in die Pracht und kein Schlaf kam in meine Augen. Ich bin nie wieder so gefahren; mir war als reisten wir in den Himmel. Gegen acht Uhr früh hielt unser Gefährt vor dem Hause meines Großvaters, der es, was hier noch eingeschaltet werden mag, mit Hülfe dreier, in guten Abständen geheiratheter Frauen, erst vom Zeichenlehrer zum Cabinetssekretär und ganz zuletzt, was noch wichtiger, sogar zum gutsituirten Berliner Hausbesitzer gebracht hatte, freilich nur in der Kleinen Hamburger Straße. Seinen Söhnen und Enkeln ist die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-21T13:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Digitale Drucke der Uni Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-21T13:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-21T13:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Worttrennungen am Zeilenende werden ignoriert. Das Wort wird noch auf der gleichen Seite vervollständigt.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/41
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/41>, abgerufen am 03.12.2024.