Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich aß aber ein gut Theil, und mein Vater sagte schmunzelnd: "Das ist recht. Wer lange suppt, lebt lange. Nur nicht kiesätig. Und überhaupt, es wird uns hier schon gefallen. Wenn es nur Mama gefällt. Der verdammte Sand. Aber für die Pferde ist es besser; dabei bleibe ich."

Dann standen wir auf und mein Papa, der, weil kein anderer da war, sich in seinem Redebedürfniß wohl oder übel mit mir unterhalten mußte, sagte: "Nun geh' noch mal hinaus und sieh dir die Kirche an; das ist nämlich die große Remise gerade gegenüber. Hat übrigens nichts auf sich, daß sie so nach nichts aussieht; das protestantische Wort ist nicht an Oertlichkeit gebunden, oder von einem gemalten Sternenhimmel abhängig. Gutes thun, keusch und züchtig leben." Diese seine letzten Worte richteten sich an Herrn Wolff, dem er doch nicht recht trauen mochte, trotzdem noch nichts gegen ihn vorlag.

Ich war froh, meine Neugierde befriedigen zu können und ging hinaus. Als ich auf die Straße trat, traf ich einen kleinen, schon ältlichen und etwas verwachsenen Mann, der, nachdem er das Pferd in den Stall geführt hatte, mit Abladung unsers Gepäcks beschäftigt war. Er hieß, wie ich gleich erfahren sollte, Ehm, wahrscheinlich Abkürzung von

Ich aß aber ein gut Theil, und mein Vater sagte schmunzelnd: „Das ist recht. Wer lange suppt, lebt lange. Nur nicht kiesätig. Und überhaupt, es wird uns hier schon gefallen. Wenn es nur Mama gefällt. Der verdammte Sand. Aber für die Pferde ist es besser; dabei bleibe ich.“

Dann standen wir auf und mein Papa, der, weil kein anderer da war, sich in seinem Redebedürfniß wohl oder übel mit mir unterhalten mußte, sagte: „Nun geh’ noch mal hinaus und sieh dir die Kirche an; das ist nämlich die große Remise gerade gegenüber. Hat übrigens nichts auf sich, daß sie so nach nichts aussieht; das protestantische Wort ist nicht an Oertlichkeit gebunden, oder von einem gemalten Sternenhimmel abhängig. Gutes thun, keusch und züchtig leben.“ Diese seine letzten Worte richteten sich an Herrn Wolff, dem er doch nicht recht trauen mochte, trotzdem noch nichts gegen ihn vorlag.

Ich war froh, meine Neugierde befriedigen zu können und ging hinaus. Als ich auf die Straße trat, traf ich einen kleinen, schon ältlichen und etwas verwachsenen Mann, der, nachdem er das Pferd in den Stall geführt hatte, mit Abladung unsers Gepäcks beschäftigt war. Er hieß, wie ich gleich erfahren sollte, Ehm, wahrscheinlich Abkürzung von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0054" n="46"/>
Ich aß aber ein gut Theil, und mein Vater sagte schmunzelnd: &#x201E;Das ist recht. Wer lange suppt, lebt lange. Nur nicht kiesätig. Und überhaupt, es wird uns hier schon gefallen. Wenn es nur Mama gefällt. Der verdammte Sand. Aber für die Pferde ist es besser; dabei bleibe ich.&#x201C;</p>
        <p>Dann standen wir auf und mein Papa, der, weil kein anderer da war, sich in seinem Redebedürfniß wohl oder übel mit mir unterhalten mußte, sagte: &#x201E;Nun geh&#x2019; noch mal hinaus und sieh dir die Kirche an; das ist nämlich die große Remise gerade gegenüber. Hat übrigens nichts auf sich, daß sie so nach nichts aussieht; das protestantische Wort ist nicht an Oertlichkeit gebunden, oder von einem gemalten Sternenhimmel abhängig. Gutes thun, keusch und züchtig leben.&#x201C; Diese seine letzten Worte richteten sich an Herrn Wolff, dem er doch nicht recht trauen mochte, trotzdem noch nichts gegen ihn vorlag.</p>
        <p>Ich war froh, meine Neugierde befriedigen zu können und ging hinaus. Als ich auf die Straße trat, traf ich einen kleinen, schon ältlichen und etwas verwachsenen Mann, der, nachdem er das Pferd in den Stall geführt hatte, mit Abladung unsers Gepäcks beschäftigt war. Er hieß, wie ich gleich erfahren sollte, Ehm, wahrscheinlich Abkürzung von
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0054] Ich aß aber ein gut Theil, und mein Vater sagte schmunzelnd: „Das ist recht. Wer lange suppt, lebt lange. Nur nicht kiesätig. Und überhaupt, es wird uns hier schon gefallen. Wenn es nur Mama gefällt. Der verdammte Sand. Aber für die Pferde ist es besser; dabei bleibe ich.“ Dann standen wir auf und mein Papa, der, weil kein anderer da war, sich in seinem Redebedürfniß wohl oder übel mit mir unterhalten mußte, sagte: „Nun geh’ noch mal hinaus und sieh dir die Kirche an; das ist nämlich die große Remise gerade gegenüber. Hat übrigens nichts auf sich, daß sie so nach nichts aussieht; das protestantische Wort ist nicht an Oertlichkeit gebunden, oder von einem gemalten Sternenhimmel abhängig. Gutes thun, keusch und züchtig leben.“ Diese seine letzten Worte richteten sich an Herrn Wolff, dem er doch nicht recht trauen mochte, trotzdem noch nichts gegen ihn vorlag. Ich war froh, meine Neugierde befriedigen zu können und ging hinaus. Als ich auf die Straße trat, traf ich einen kleinen, schon ältlichen und etwas verwachsenen Mann, der, nachdem er das Pferd in den Stall geführt hatte, mit Abladung unsers Gepäcks beschäftigt war. Er hieß, wie ich gleich erfahren sollte, Ehm, wahrscheinlich Abkürzung von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-21T13:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Digitale Drucke der Uni Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-21T13:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-21T13:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Worttrennungen am Zeilenende werden ignoriert. Das Wort wird noch auf der gleichen Seite vervollständigt.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/54
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/54>, abgerufen am 22.11.2024.