Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

grad in der Mitte, ein großes Stück Diele fehlte, so daß der Dünensand, darauf das Haus ohne Untermaurung stand, zum Vorschein kam. Später söhnte ich mich mit diesem Dielenloch freilich aus, denn gerade diese Sandstelle wurde, wenn wir bei schlechtem Wetter nicht hinaus konnten, zum bevorzugten Spielplatz für uns Kinder, wo wir mit vier würfelförmigen Steinen unser Lieblingsspiel spielten. Dies Lieblingsspiel hieß "Knut", war also vielleicht dänischen Ursprungs und lief darauf hinaus, daß man, den vierten Stein hoch in die Luft werfend, ihn im Niederfallen unter gleichzeitigem Aufraffen der im Sande liegen gebliebenen drei andern Steine, wieder auffangen mußte.

Neben dieser bequemen Spielgelegenheit beherbergte die Stube, um vom Guten nichts zu verschweigen, auch noch ein Andres, das für ein phantastisches Kind wohl angethan war mit der sonst herrschenden Dürftigkeit auszusöhnen. Gerade hier nämlich, war, auf einem Lehnstuhl sitzend, der alte Geisler gestorben und wenn ich mich Abends an eben dieser Stelle zwischen Schrank und Ofen niederließ und dann das Klappen und geheimnißvolle Rumoren über mir anhob, so war der Zauber davon so groß, daß von Prosa der Umgebung keine Rede mehr sein konnte.

grad in der Mitte, ein großes Stück Diele fehlte, so daß der Dünensand, darauf das Haus ohne Untermaurung stand, zum Vorschein kam. Später söhnte ich mich mit diesem Dielenloch freilich aus, denn gerade diese Sandstelle wurde, wenn wir bei schlechtem Wetter nicht hinaus konnten, zum bevorzugten Spielplatz für uns Kinder, wo wir mit vier würfelförmigen Steinen unser Lieblingsspiel spielten. Dies Lieblingsspiel hieß „Knut“, war also vielleicht dänischen Ursprungs und lief darauf hinaus, daß man, den vierten Stein hoch in die Luft werfend, ihn im Niederfallen unter gleichzeitigem Aufraffen der im Sande liegen gebliebenen drei andern Steine, wieder auffangen mußte.

Neben dieser bequemen Spielgelegenheit beherbergte die Stube, um vom Guten nichts zu verschweigen, auch noch ein Andres, das für ein phantastisches Kind wohl angethan war mit der sonst herrschenden Dürftigkeit auszusöhnen. Gerade hier nämlich, war, auf einem Lehnstuhl sitzend, der alte Geisler gestorben und wenn ich mich Abends an eben dieser Stelle zwischen Schrank und Ofen niederließ und dann das Klappen und geheimnißvolle Rumoren über mir anhob, so war der Zauber davon so groß, daß von Prosa der Umgebung keine Rede mehr sein konnte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0063" n="55"/>
grad in der Mitte, ein großes Stück Diele fehlte, so daß der Dünensand, darauf das Haus ohne Untermaurung stand, zum Vorschein kam. Später söhnte ich mich mit diesem Dielenloch freilich aus, denn gerade diese Sandstelle wurde, wenn wir bei schlechtem Wetter nicht hinaus konnten, zum bevorzugten Spielplatz für uns Kinder, wo wir mit vier würfelförmigen Steinen unser Lieblingsspiel spielten. Dies Lieblingsspiel hieß &#x201E;Knut&#x201C;, war also vielleicht dänischen Ursprungs und lief darauf hinaus, daß man, den vierten Stein hoch in die Luft werfend, ihn im Niederfallen unter gleichzeitigem Aufraffen der im Sande liegen gebliebenen drei andern Steine, wieder auffangen mußte.</p>
        <p>Neben dieser bequemen Spielgelegenheit beherbergte die Stube, um vom Guten nichts zu verschweigen, auch noch ein Andres, das für ein phantastisches Kind wohl angethan war mit der sonst herrschenden Dürftigkeit auszusöhnen. Gerade hier nämlich, war, auf einem Lehnstuhl sitzend, der alte Geisler gestorben und wenn ich mich Abends an eben dieser Stelle zwischen Schrank und Ofen niederließ und dann das Klappen und geheimnißvolle Rumoren über mir anhob, so war der Zauber davon so groß, daß von Prosa der Umgebung keine Rede mehr sein konnte.</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[55/0063] grad in der Mitte, ein großes Stück Diele fehlte, so daß der Dünensand, darauf das Haus ohne Untermaurung stand, zum Vorschein kam. Später söhnte ich mich mit diesem Dielenloch freilich aus, denn gerade diese Sandstelle wurde, wenn wir bei schlechtem Wetter nicht hinaus konnten, zum bevorzugten Spielplatz für uns Kinder, wo wir mit vier würfelförmigen Steinen unser Lieblingsspiel spielten. Dies Lieblingsspiel hieß „Knut“, war also vielleicht dänischen Ursprungs und lief darauf hinaus, daß man, den vierten Stein hoch in die Luft werfend, ihn im Niederfallen unter gleichzeitigem Aufraffen der im Sande liegen gebliebenen drei andern Steine, wieder auffangen mußte. Neben dieser bequemen Spielgelegenheit beherbergte die Stube, um vom Guten nichts zu verschweigen, auch noch ein Andres, das für ein phantastisches Kind wohl angethan war mit der sonst herrschenden Dürftigkeit auszusöhnen. Gerade hier nämlich, war, auf einem Lehnstuhl sitzend, der alte Geisler gestorben und wenn ich mich Abends an eben dieser Stelle zwischen Schrank und Ofen niederließ und dann das Klappen und geheimnißvolle Rumoren über mir anhob, so war der Zauber davon so groß, daß von Prosa der Umgebung keine Rede mehr sein konnte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-21T13:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Digitale Drucke der Uni Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-21T13:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-21T13:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Worttrennungen am Zeilenende werden ignoriert. Das Wort wird noch auf der gleichen Seite vervollständigt.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/63
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/63>, abgerufen am 29.04.2024.