Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894.oft erst erhob, wenn die Dunkelstunde schon da war. "Papa schläft wieder bis in die Nacht hinein." Ich wurde dann, wenn gute Tage, d. h. Friedenszeiten waren, abgeschickt, ihn zu wecken, was ich immer gerne that, weil er dabei nicht blos von besonders guter Laune, sondern sogar von einer ihm sonst gar nicht eignen Zärtlichkeit gegen mich war. Ich mußte mich dann zu ihm setzen und er plauderte mit mir, weit über meinen Kopf weg, über allerhand merkwürdige Sachen, die mich, vielleicht gerade deshalb, entzückten. Ich komme weiterhin auf diese wunderlichen und mir für mein Leben verbliebenen Gespräche zurück. Ja, das waren glückliche Stunden. Aber es kamen auch andere. Dann wurde ich nicht hinein geschickt um ihn zu wecken, sondern ging aus eigenem Antriebe, um nach ihm zu sehen. Er lag dann auch ausgestreckt auf dem Sopha, aber auf seinen Arm gestützt und sah durch das Gezweig eines vor dem Fenster stehenden schönen Nußbaumes, in das über den Nachbarhäusern liegende Abendroth. Ein paar Fliegen summten um ihn her, sonst war alles still, vorausgesetzt, daß nicht gerade der Kohlenprovisor an seinem Mörser stand und stampfte. Wenn ich dann an das Sopha herantrat und seine Hand streichelte, sah ich, daß er geweint hatte. Dann oft erst erhob, wenn die Dunkelstunde schon da war. „Papa schläft wieder bis in die Nacht hinein.“ Ich wurde dann, wenn gute Tage, d. h. Friedenszeiten waren, abgeschickt, ihn zu wecken, was ich immer gerne that, weil er dabei nicht blos von besonders guter Laune, sondern sogar von einer ihm sonst gar nicht eignen Zärtlichkeit gegen mich war. Ich mußte mich dann zu ihm setzen und er plauderte mit mir, weit über meinen Kopf weg, über allerhand merkwürdige Sachen, die mich, vielleicht gerade deshalb, entzückten. Ich komme weiterhin auf diese wunderlichen und mir für mein Leben verbliebenen Gespräche zurück. Ja, das waren glückliche Stunden. Aber es kamen auch andere. Dann wurde ich nicht hinein geschickt um ihn zu wecken, sondern ging aus eigenem Antriebe, um nach ihm zu sehen. Er lag dann auch ausgestreckt auf dem Sopha, aber auf seinen Arm gestützt und sah durch das Gezweig eines vor dem Fenster stehenden schönen Nußbaumes, in das über den Nachbarhäusern liegende Abendroth. Ein paar Fliegen summten um ihn her, sonst war alles still, vorausgesetzt, daß nicht gerade der Kohlenprovisor an seinem Mörser stand und stampfte. Wenn ich dann an das Sopha herantrat und seine Hand streichelte, sah ich, daß er geweint hatte. Dann <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0085" n="77"/> oft erst erhob, wenn die Dunkelstunde schon da war. „Papa schläft wieder bis in die Nacht hinein.“ Ich wurde dann, wenn gute Tage, d. h. Friedenszeiten waren, abgeschickt, ihn zu wecken, was ich immer gerne that, weil er dabei nicht blos von besonders guter Laune, sondern sogar von einer ihm sonst gar nicht eignen Zärtlichkeit gegen mich war. Ich mußte mich dann zu ihm setzen und er plauderte mit mir, weit über meinen Kopf weg, über allerhand merkwürdige Sachen, die mich, vielleicht gerade deshalb, entzückten. Ich komme weiterhin auf diese wunderlichen und mir für mein Leben verbliebenen Gespräche zurück.</p> <p>Ja, das waren glückliche Stunden. Aber es kamen auch andere. Dann wurde ich nicht hinein geschickt um ihn zu wecken, sondern ging aus eigenem Antriebe, um nach ihm zu sehen. Er lag dann auch ausgestreckt auf dem Sopha, aber auf seinen Arm gestützt und sah durch das Gezweig eines vor dem Fenster stehenden schönen Nußbaumes, in das über den Nachbarhäusern liegende Abendroth. Ein paar Fliegen summten um ihn her, sonst war alles still, vorausgesetzt, daß nicht gerade der Kohlenprovisor an seinem Mörser stand und stampfte. Wenn ich dann an das Sopha herantrat und seine Hand streichelte, sah ich, daß er geweint hatte. Dann </p> </div> </body> </text> </TEI> [77/0085]
oft erst erhob, wenn die Dunkelstunde schon da war. „Papa schläft wieder bis in die Nacht hinein.“ Ich wurde dann, wenn gute Tage, d. h. Friedenszeiten waren, abgeschickt, ihn zu wecken, was ich immer gerne that, weil er dabei nicht blos von besonders guter Laune, sondern sogar von einer ihm sonst gar nicht eignen Zärtlichkeit gegen mich war. Ich mußte mich dann zu ihm setzen und er plauderte mit mir, weit über meinen Kopf weg, über allerhand merkwürdige Sachen, die mich, vielleicht gerade deshalb, entzückten. Ich komme weiterhin auf diese wunderlichen und mir für mein Leben verbliebenen Gespräche zurück.
Ja, das waren glückliche Stunden. Aber es kamen auch andere. Dann wurde ich nicht hinein geschickt um ihn zu wecken, sondern ging aus eigenem Antriebe, um nach ihm zu sehen. Er lag dann auch ausgestreckt auf dem Sopha, aber auf seinen Arm gestützt und sah durch das Gezweig eines vor dem Fenster stehenden schönen Nußbaumes, in das über den Nachbarhäusern liegende Abendroth. Ein paar Fliegen summten um ihn her, sonst war alles still, vorausgesetzt, daß nicht gerade der Kohlenprovisor an seinem Mörser stand und stampfte. Wenn ich dann an das Sopha herantrat und seine Hand streichelte, sah ich, daß er geweint hatte. Dann
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2013-01-21T13:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Digitale Drucke der Uni Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-01-21T13:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-01-21T13:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |