Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894.der Gesamteinwohnerschaft ausmachende Volksschicht, daneben aber, ebenfalls nach allgemein seestädtischem Vorbild, eine geistig durchaus höher potenzirte Gesellschaft, die jedenfalls weit über das hinauswuchs, was man damals in den von engsten Philisteranschauungen beherrschten kleinen Städten der Binnenprovinzen, namentlich auch unserer Mark, anzutreffen pflegte. Daß die Bewohnerschaft allem Spießbürgerthum so durchaus fremd war, hatte sicher in manchem seinen Grund, vorwiegend aber wohl darin, daß die gesammte Bevölkerung von ausgesprochen internationalem Charakter war. In den umliegenden großen und reichen Dörfern wohnten vielleicht noch wendisch-pommersche Autochthonen aus den Tagen von Julin und Vineta her, in Swinemünde selbst aber, zumal in der Oberschicht der Bewohnerschaft war Alles derart durcheinander gewürfelt, daß man den Repräsentanten aller nordeuropäischen Völker daselbst begegnete, Schweden, Dänen, Holländern, Schotten, die hier früher oder später hängen geblieben waren, die meisten wohl zu Beginn des Jahrhunderts, zu welcher Zeit die bis dahin sehr unbedeutende Stadt überhaupt erst einen Aufschwung genommen hatte. Die Zahl der Einwohner war, als wir daselbst eintrafen, gegen 4000, wovon aber kaum der zehnte Theil der Gesamteinwohnerschaft ausmachende Volksschicht, daneben aber, ebenfalls nach allgemein seestädtischem Vorbild, eine geistig durchaus höher potenzirte Gesellschaft, die jedenfalls weit über das hinauswuchs, was man damals in den von engsten Philisteranschauungen beherrschten kleinen Städten der Binnenprovinzen, namentlich auch unserer Mark, anzutreffen pflegte. Daß die Bewohnerschaft allem Spießbürgerthum so durchaus fremd war, hatte sicher in manchem seinen Grund, vorwiegend aber wohl darin, daß die gesammte Bevölkerung von ausgesprochen internationalem Charakter war. In den umliegenden großen und reichen Dörfern wohnten vielleicht noch wendisch-pommersche Autochthonen aus den Tagen von Julin und Vineta her, in Swinemünde selbst aber, zumal in der Oberschicht der Bewohnerschaft war Alles derart durcheinander gewürfelt, daß man den Repräsentanten aller nordeuropäischen Völker daselbst begegnete, Schweden, Dänen, Holländern, Schotten, die hier früher oder später hängen geblieben waren, die meisten wohl zu Beginn des Jahrhunderts, zu welcher Zeit die bis dahin sehr unbedeutende Stadt überhaupt erst einen Aufschwung genommen hatte. Die Zahl der Einwohner war, als wir daselbst eintrafen, gegen 4000, wovon aber kaum der zehnte Theil <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0096" n="88"/> der Gesamteinwohnerschaft ausmachende Volksschicht, daneben aber, ebenfalls nach allgemein seestädtischem Vorbild, eine geistig durchaus höher potenzirte Gesellschaft, die jedenfalls weit über das hinauswuchs, was man damals in den von engsten Philisteranschauungen beherrschten kleinen Städten der Binnenprovinzen, namentlich auch unserer Mark, anzutreffen pflegte. Daß die Bewohnerschaft allem Spießbürgerthum so durchaus fremd war, hatte sicher in manchem seinen Grund, vorwiegend aber wohl darin, daß die gesammte Bevölkerung von ausgesprochen internationalem Charakter war. In den umliegenden großen und reichen Dörfern wohnten vielleicht noch wendisch-pommersche Autochthonen aus den Tagen von Julin und Vineta her, in Swinemünde selbst aber, zumal in der Oberschicht der Bewohnerschaft war Alles derart durcheinander gewürfelt, daß man den Repräsentanten aller nordeuropäischen Völker daselbst begegnete, Schweden, Dänen, Holländern, Schotten, die hier früher oder später hängen geblieben waren, die meisten wohl zu Beginn des Jahrhunderts, zu welcher Zeit die bis dahin sehr unbedeutende Stadt überhaupt erst einen Aufschwung genommen hatte.</p> <p>Die Zahl der Einwohner war, als wir daselbst eintrafen, gegen 4000, wovon aber kaum der zehnte Theil </p> </div> </body> </text> </TEI> [88/0096]
der Gesamteinwohnerschaft ausmachende Volksschicht, daneben aber, ebenfalls nach allgemein seestädtischem Vorbild, eine geistig durchaus höher potenzirte Gesellschaft, die jedenfalls weit über das hinauswuchs, was man damals in den von engsten Philisteranschauungen beherrschten kleinen Städten der Binnenprovinzen, namentlich auch unserer Mark, anzutreffen pflegte. Daß die Bewohnerschaft allem Spießbürgerthum so durchaus fremd war, hatte sicher in manchem seinen Grund, vorwiegend aber wohl darin, daß die gesammte Bevölkerung von ausgesprochen internationalem Charakter war. In den umliegenden großen und reichen Dörfern wohnten vielleicht noch wendisch-pommersche Autochthonen aus den Tagen von Julin und Vineta her, in Swinemünde selbst aber, zumal in der Oberschicht der Bewohnerschaft war Alles derart durcheinander gewürfelt, daß man den Repräsentanten aller nordeuropäischen Völker daselbst begegnete, Schweden, Dänen, Holländern, Schotten, die hier früher oder später hängen geblieben waren, die meisten wohl zu Beginn des Jahrhunderts, zu welcher Zeit die bis dahin sehr unbedeutende Stadt überhaupt erst einen Aufschwung genommen hatte.
Die Zahl der Einwohner war, als wir daselbst eintrafen, gegen 4000, wovon aber kaum der zehnte Theil
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