Fontane, Theodor: Die Poggenpuhls. 6. Aufl. Berlin, 1902."Hab' ich dich verdient oder war es Glück?" Sie gab ihm einen Kuß, was mich rührte, denn es war kein Zärtlichkeitskuß, den ich bei alten Leuten nicht sehen mag, sondern nur echte Zuneigung und Dankbarkeit. Und mit Recht. Denn so gewiß diese Verheiratung ihn glücklich gemacht hat, so gewiß auch sie. - Du siehst aus diesem allem, wie glücklich ich hier bin, aber mitunter sehne ich mich doch nach Dir und möchte Dir die Hände streicheln. Aengstige Dich nur nicht zu viel. Es wird noch alles gut. Das läßt Dir der Onkel noch eigens durch mich vermelden. Er sagte mir heut, es gäbe einen Wappenspruch, der laute: "Sorg', aber sorge nicht zu viel, es kommt doch wie's Gott haben will." Und gegen diesen Spruch, so schloß er, verstießest Du mehr als recht sei. Jch hab' übrigens nicht, wie Du vielleicht glaubst, mit eingestimmt, hab' ihm vielmehr gesagt: "Wie weh etwas thut, weiß nur der, der das Weh gerade hat." Da hat er mir auch einen Kuß gegeben. Es ist ein herrlicher Mann und ich kann nicht herauskriegen, wer besser ist, er oder sie. Nun aber lebe wohl. Deine Sophie. „Hab’ ich dich verdient oder war es Glück?“ Sie gab ihm einen Kuß, was mich rührte, denn es war kein Zärtlichkeitskuß, den ich bei alten Leuten nicht sehen mag, sondern nur echte Zuneigung und Dankbarkeit. Und mit Recht. Denn so gewiß diese Verheiratung ihn glücklich gemacht hat, so gewiß auch sie. – Du siehst aus diesem allem, wie glücklich ich hier bin, aber mitunter sehne ich mich doch nach Dir und möchte Dir die Hände streicheln. Aengstige Dich nur nicht zu viel. Es wird noch alles gut. Das läßt Dir der Onkel noch eigens durch mich vermelden. Er sagte mir heut, es gäbe einen Wappenspruch, der laute: „Sorg’, aber sorge nicht zu viel, es kommt doch wie’s Gott haben will.“ Und gegen diesen Spruch, so schloß er, verstießest Du mehr als recht sei. Jch hab’ übrigens nicht, wie Du vielleicht glaubst, mit eingestimmt, hab’ ihm vielmehr gesagt: „Wie weh etwas thut, weiß nur der, der das Weh gerade hat.“ Da hat er mir auch einen Kuß gegeben. Es ist ein herrlicher Mann und ich kann nicht herauskriegen, wer besser ist, er oder sie. Nun aber lebe wohl. Deine Sophie. <TEI> <text> <body> <div> <floatingText> <body> <div type="letter"> <p><pb facs="#f0120" n="113"/> „Hab’ ich dich verdient oder war es Glück?“ Sie gab ihm einen Kuß, was mich rührte, denn es war kein Zärtlichkeitskuß, den ich bei alten Leuten nicht sehen mag, sondern nur echte Zuneigung und Dankbarkeit. Und mit Recht. Denn so gewiß diese Verheiratung <hi rendition="#g">ihn</hi> glücklich gemacht hat, so gewiß auch <hi rendition="#g">sie</hi>. – Du siehst aus diesem allem, wie glücklich ich hier bin, aber mitunter sehne ich mich doch nach Dir und möchte Dir die Hände streicheln. Aengstige Dich nur nicht zu viel. Es wird noch alles gut. Das läßt Dir der Onkel noch eigens durch mich vermelden. Er sagte mir heut, es gäbe einen Wappenspruch, der laute: „Sorg’, aber sorge nicht zu viel, es kommt doch wie’s Gott haben will.“ Und gegen diesen Spruch, so schloß er, verstießest Du mehr als recht sei. Jch hab’ übrigens nicht, wie Du vielleicht glaubst, mit eingestimmt, hab’ ihm vielmehr gesagt: „Wie weh etwas thut, weiß nur der, der das Weh gerade hat.“ Da hat er mir auch einen Kuß gegeben. Es ist ein herrlicher Mann und ich kann nicht herauskriegen, wer besser ist, er oder sie. Nun aber lebe wohl.</p><lb/> <closer> <signed>Deine Sophie.</signed> </closer><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [113/0120]
„Hab’ ich dich verdient oder war es Glück?“ Sie gab ihm einen Kuß, was mich rührte, denn es war kein Zärtlichkeitskuß, den ich bei alten Leuten nicht sehen mag, sondern nur echte Zuneigung und Dankbarkeit. Und mit Recht. Denn so gewiß diese Verheiratung ihn glücklich gemacht hat, so gewiß auch sie. – Du siehst aus diesem allem, wie glücklich ich hier bin, aber mitunter sehne ich mich doch nach Dir und möchte Dir die Hände streicheln. Aengstige Dich nur nicht zu viel. Es wird noch alles gut. Das läßt Dir der Onkel noch eigens durch mich vermelden. Er sagte mir heut, es gäbe einen Wappenspruch, der laute: „Sorg’, aber sorge nicht zu viel, es kommt doch wie’s Gott haben will.“ Und gegen diesen Spruch, so schloß er, verstießest Du mehr als recht sei. Jch hab’ übrigens nicht, wie Du vielleicht glaubst, mit eingestimmt, hab’ ihm vielmehr gesagt: „Wie weh etwas thut, weiß nur der, der das Weh gerade hat.“ Da hat er mir auch einen Kuß gegeben. Es ist ein herrlicher Mann und ich kann nicht herauskriegen, wer besser ist, er oder sie. Nun aber lebe wohl.
Deine Sophie.
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(2018-07-25T11:03:16Z)
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Alexandra Priesterath, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T11:03:16Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Die Poggenpuhls. Hrsg. von Gabriele Radecke. Berlin 2006 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 16]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst). Anmerkungen zur Transkription:
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