Fontane, Theodor: Die Poggenpuhls. 6. Aufl. Berlin, 1902.Luxus der Poggenpuhlschen Familie, die sich dadurch in stand gesetzt sah, jederzeit eine bescheidene Gastlichkeit üben zu können. Diese bethätigte sich dann in Verschiedenem. Obenan, fast schon als Spezialität, stand eine mit Hilfe von gerösteten Semmelscheiben und einer Muskatnußprise rasch herzustellende Kraftbrühe von französischem Namen, in deren Anfertigung jeder einzelne so sehr excellierte, daß selbst Flora, wenn sie abends zu einer Plauderstunde mit herankam, unter freundlicher Ablehnung von "Aufschnitt" und dergleichen, darum zu bitten pflegte. Was auch klug war. "Ja, Friederike," sagte jetzt Leo, als er einen Küchenstuhl heranrückend, sich über die Lehne desselben beugte, "Mama schickt mich zu dir und hat sogar von Abendbrot gesprochen. Wie steht es eigentlich damit? Jch habe Hunger und danke Gott für alles. Und dir auch." "Ja, junger Herr, viel is es nich." "Na, was denn?" "Nun, eine Boulette von gestern mittag und ein paar eingelegte Heringe mit Dill und Gurkenscheiben. Und dann noch ein Edamer. Aber von dem Edamer is bloß noch sehr wenig. Und dann kann ich Jhnen vielleicht noch einen Thee aufgießen. Das Wasser bullert ja noch." Luxus der Poggenpuhlschen Familie, die sich dadurch in stand gesetzt sah, jederzeit eine bescheidene Gastlichkeit üben zu können. Diese bethätigte sich dann in Verschiedenem. Obenan, fast schon als Spezialität, stand eine mit Hilfe von gerösteten Semmelscheiben und einer Muskatnußprise rasch herzustellende Kraftbrühe von französischem Namen, in deren Anfertigung jeder einzelne so sehr excellierte, daß selbst Flora, wenn sie abends zu einer Plauderstunde mit herankam, unter freundlicher Ablehnung von „Aufschnitt“ und dergleichen, darum zu bitten pflegte. Was auch klug war. „Ja, Friederike,“ sagte jetzt Leo, als er einen Küchenstuhl heranrückend, sich über die Lehne desselben beugte, „Mama schickt mich zu dir und hat sogar von Abendbrot gesprochen. Wie steht es eigentlich damit? Jch habe Hunger und danke Gott für alles. Und dir auch.“ „Ja, junger Herr, viel is es nich.“ „Na, was denn?“ „Nun, eine Boulette von gestern mittag und ein paar eingelegte Heringe mit Dill und Gurkenscheiben. Und dann noch ein Edamer. Aber von dem Edamer is bloß noch sehr wenig. Und dann kann ich Jhnen vielleicht noch einen Thee aufgießen. Das Wasser bullert ja noch.“ <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0051" n="44"/> Luxus der Poggenpuhlschen Familie, die sich dadurch in stand gesetzt sah, jederzeit eine bescheidene Gastlichkeit üben zu können. Diese bethätigte sich dann in Verschiedenem. Obenan, fast schon als Spezialität, stand eine mit Hilfe von gerösteten Semmelscheiben und einer Muskatnußprise rasch herzustellende Kraftbrühe von <choice><sic>französischen</sic><corr>französischem</corr></choice> Namen, in deren Anfertigung jeder einzelne so sehr excellierte, daß selbst Flora, wenn sie abends zu einer Plauderstunde mit herankam, unter freundlicher Ablehnung von „Aufschnitt“ und dergleichen, darum zu bitten pflegte. Was auch klug war.</p><lb/> <p>„Ja, Friederike,“ sagte jetzt Leo, als er einen Küchenstuhl heranrückend, sich über die Lehne desselben beugte, „Mama schickt mich zu dir und hat sogar von Abendbrot gesprochen. Wie steht es eigentlich damit? Jch habe Hunger und danke Gott für alles. Und dir auch.“</p><lb/> <p>„Ja, <choice><sic>Junger</sic><corr>junger</corr></choice> Herr, viel is es nich.“</p><lb/> <p>„Na, was denn?“</p><lb/> <p>„Nun, eine Boulette von gestern mittag und ein paar eingelegte Heringe mit Dill und Gurkenscheiben. Und dann noch ein Edamer. Aber von dem Edamer is bloß noch sehr wenig. Und dann kann ich Jhnen vielleicht noch einen Thee aufgießen. Das Wasser bullert ja noch.“ </p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [44/0051]
Luxus der Poggenpuhlschen Familie, die sich dadurch in stand gesetzt sah, jederzeit eine bescheidene Gastlichkeit üben zu können. Diese bethätigte sich dann in Verschiedenem. Obenan, fast schon als Spezialität, stand eine mit Hilfe von gerösteten Semmelscheiben und einer Muskatnußprise rasch herzustellende Kraftbrühe von französischem Namen, in deren Anfertigung jeder einzelne so sehr excellierte, daß selbst Flora, wenn sie abends zu einer Plauderstunde mit herankam, unter freundlicher Ablehnung von „Aufschnitt“ und dergleichen, darum zu bitten pflegte. Was auch klug war.
„Ja, Friederike,“ sagte jetzt Leo, als er einen Küchenstuhl heranrückend, sich über die Lehne desselben beugte, „Mama schickt mich zu dir und hat sogar von Abendbrot gesprochen. Wie steht es eigentlich damit? Jch habe Hunger und danke Gott für alles. Und dir auch.“
„Ja, junger Herr, viel is es nich.“
„Na, was denn?“
„Nun, eine Boulette von gestern mittag und ein paar eingelegte Heringe mit Dill und Gurkenscheiben. Und dann noch ein Edamer. Aber von dem Edamer is bloß noch sehr wenig. Und dann kann ich Jhnen vielleicht noch einen Thee aufgießen. Das Wasser bullert ja noch.“
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(2018-07-25T11:03:16Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T11:03:16Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Die Poggenpuhls. Hrsg. von Gabriele Radecke. Berlin 2006 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 16]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst). Anmerkungen zur Transkription:
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