Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.Anderen. "Er sagt, es ginge nicht, das könnten wir der Koppe nicht anthun; die Leute, die auf die Koppe kämen, die wollten lustig sein, aber nicht traurig." - Und so ließ man's denn, weil Jeder fühlte, daß der Sterbende recht habe. So war es oben, wo der Kranke lag. Unten im Saal aber lärmte die Musik weiter. An jedem Tische (denn es war kühl geworden) dampfte der Grog, und der Küchengeruch zog durch Flur und Haus. Um acht stieg die Dämmerung herauf, und um zehn war Pohl tot. Er war still gestorben. Aber damit war es nicht gethan. So still der Kranke gestorben, so still auch mußte der Tote zu Thal; er durfte, nach seinem eigenen Wort und Willen, die Lust seiner Gäste nicht stören, das verlangte die Koppe so. Man sprach also mit den Trägern, die nach wie vor draußen auf Flur und Treppenstufen umhersaßen, und fand sie, so weit sie noch freie Hand und Verfügung über ihre Zeit hatten, auch sofort willig und bereit, ihren Koppenwirt, dem die Meisten von ihnen zu Dank verpflichtet waren, in aller Stille zu Thal zu schaffen. Eine Bahre war schnell zur Hand; darauf legten sie den Toten und überdeckten ihn mit so viel grünem Gezweig, wie da oben in der Steinöde zu beschaffen war. Und nun setzten Anderen. „Er sagt, es ginge nicht, das könnten wir der Koppe nicht anthun; die Leute, die auf die Koppe kämen, die wollten lustig sein, aber nicht traurig.“ – Und so ließ man’s denn, weil Jeder fühlte, daß der Sterbende recht habe. So war es oben, wo der Kranke lag. Unten im Saal aber lärmte die Musik weiter. An jedem Tische (denn es war kühl geworden) dampfte der Grog, und der Küchengeruch zog durch Flur und Haus. Um acht stieg die Dämmerung herauf, und um zehn war Pohl tot. Er war still gestorben. Aber damit war es nicht gethan. So still der Kranke gestorben, so still auch mußte der Tote zu Thal; er durfte, nach seinem eigenen Wort und Willen, die Lust seiner Gäste nicht stören, das verlangte die Koppe so. Man sprach also mit den Trägern, die nach wie vor draußen auf Flur und Treppenstufen umhersaßen, und fand sie, so weit sie noch freie Hand und Verfügung über ihre Zeit hatten, auch sofort willig und bereit, ihren Koppenwirt, dem die Meisten von ihnen zu Dank verpflichtet waren, in aller Stille zu Thal zu schaffen. Eine Bahre war schnell zur Hand; darauf legten sie den Toten und überdeckten ihn mit so viel grünem Gezweig, wie da oben in der Steinöde zu beschaffen war. Und nun setzten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0174" n="172"/> Anderen. „Er sagt, es ginge nicht, das könnten wir der Koppe nicht anthun; die Leute, die auf die Koppe kämen, die wollten lustig sein, aber nicht traurig.“ – Und so ließ man’s denn, weil Jeder fühlte, daß der Sterbende recht habe.</p><lb/> <p>So war es oben, wo der Kranke lag. Unten im Saal aber lärmte die Musik weiter. An jedem Tische (denn es war kühl geworden) dampfte der Grog, und der Küchengeruch zog durch Flur und Haus. Um acht stieg die Dämmerung herauf, und um zehn war Pohl tot.</p><lb/> <p>Er war still gestorben. Aber damit war es nicht gethan. So still der Kranke gestorben, so still auch mußte der Tote zu Thal; er durfte, nach seinem eigenen Wort und Willen, die Lust seiner Gäste nicht stören, das verlangte die Koppe so. Man sprach also mit den Trägern, die nach wie vor draußen auf Flur und Treppenstufen umhersaßen, und fand sie, so weit sie noch freie Hand und Verfügung über ihre Zeit hatten, auch sofort willig und bereit, ihren Koppenwirt, dem die Meisten von ihnen zu Dank verpflichtet waren, in aller Stille zu Thal zu schaffen. Eine Bahre war schnell zur Hand; darauf legten sie den Toten und überdeckten ihn mit so viel grünem Gezweig, wie da oben in der Steinöde zu beschaffen war. Und nun setzten </p> </div> </body> </text> </TEI> [172/0174]
Anderen. „Er sagt, es ginge nicht, das könnten wir der Koppe nicht anthun; die Leute, die auf die Koppe kämen, die wollten lustig sein, aber nicht traurig.“ – Und so ließ man’s denn, weil Jeder fühlte, daß der Sterbende recht habe.
So war es oben, wo der Kranke lag. Unten im Saal aber lärmte die Musik weiter. An jedem Tische (denn es war kühl geworden) dampfte der Grog, und der Küchengeruch zog durch Flur und Haus. Um acht stieg die Dämmerung herauf, und um zehn war Pohl tot.
Er war still gestorben. Aber damit war es nicht gethan. So still der Kranke gestorben, so still auch mußte der Tote zu Thal; er durfte, nach seinem eigenen Wort und Willen, die Lust seiner Gäste nicht stören, das verlangte die Koppe so. Man sprach also mit den Trägern, die nach wie vor draußen auf Flur und Treppenstufen umhersaßen, und fand sie, so weit sie noch freie Hand und Verfügung über ihre Zeit hatten, auch sofort willig und bereit, ihren Koppenwirt, dem die Meisten von ihnen zu Dank verpflichtet waren, in aller Stille zu Thal zu schaffen. Eine Bahre war schnell zur Hand; darauf legten sie den Toten und überdeckten ihn mit so viel grünem Gezweig, wie da oben in der Steinöde zu beschaffen war. Und nun setzten
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(2014-01-22T15:28:28Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-22T15:28:28Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2014-01-22T15:28:28Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von vor und nach der Reise. Plaudereien und kleine Geschichten. Hrsg. von Walter Hettche und Gabriele Radecke. Berlin 2007 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 19]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Anmerkungen zur Transkription:
Auslassungszeichen im Text werden einheitlich als U+2026 <…> (HORIZONTAL ELLIPSIS) wiedergegeben.
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