Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.sehen. Ein eigentümlich zweischneidiges Wort, schmeichelhaft und auch wieder nicht. Uebrigens muß eine Dame von Welt mindestens dreißig sein. Und ich bin erst siebenundzwanzig." "Sonderbar. Als ich siebenundzwanzig war (beiläufig das glücklichste Jahr meines Lebens), war ich in einer ganz ähnlichen Situation wie Sie." "Nur mit dem Unterschiede, daß Sie keine Dame waren." "Nein. Und das macht freilich einen Unterschied. Aber doch nur in einem Stück. In der großen Hauptsache von Leben und Sterben, eine Sache beziehungsweise Frage, die mir damals ziemlich ernsthaft durch den Kopf ging, ist es gleich." "Und wo war das?" "In England." "Ah." "Sie waren drüben?" "Nein. Nicht bis jetzt. Ich stehe nur auf dem Punkt ... Aber ich unterbrach Sie." "Nun denn also, ich kam damals von Brighton, Nachtzug, um auf der wundervollen Küstenbahn, die zum Teil hart am Meere hinläuft, nach Dover zu fahren. Es ging in rasender Schnelligkeit und nur auf Station Hastings war eine Minute Verzug. Ich saß allein im Coupe. Mit einem Male wurde sehen. Ein eigentümlich zweischneidiges Wort, schmeichelhaft und auch wieder nicht. Uebrigens muß eine Dame von Welt mindestens dreißig sein. Und ich bin erst siebenundzwanzig.“ „Sonderbar. Als ich siebenundzwanzig war (beiläufig das glücklichste Jahr meines Lebens), war ich in einer ganz ähnlichen Situation wie Sie.“ „Nur mit dem Unterschiede, daß Sie keine Dame waren.“ „Nein. Und das macht freilich einen Unterschied. Aber doch nur in einem Stück. In der großen Hauptsache von Leben und Sterben, eine Sache beziehungsweise Frage, die mir damals ziemlich ernsthaft durch den Kopf ging, ist es gleich.“ „Und wo war das?“ „In England.“ „Ah.“ „Sie waren drüben?“ „Nein. Nicht bis jetzt. Ich stehe nur auf dem Punkt … Aber ich unterbrach Sie.“ „Nun denn also, ich kam damals von Brighton, Nachtzug, um auf der wundervollen Küstenbahn, die zum Teil hart am Meere hinläuft, nach Dover zu fahren. Es ging in rasender Schnelligkeit und nur auf Station Hastings war eine Minute Verzug. Ich saß allein im Coupé. Mit einem Male wurde <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0043" n="41"/> sehen. Ein eigentümlich zweischneidiges Wort, schmeichelhaft und auch wieder nicht. Uebrigens muß eine Dame von Welt mindestens dreißig sein. Und ich bin erst siebenundzwanzig.“</p><lb/> <p>„Sonderbar. Als ich siebenundzwanzig war (beiläufig das glücklichste Jahr meines Lebens), war ich in einer ganz ähnlichen Situation wie Sie.“</p><lb/> <p>„Nur mit dem Unterschiede, daß Sie keine Dame waren.“</p><lb/> <p>„Nein. Und das macht freilich einen Unterschied. Aber doch nur in <hi rendition="#g">einem</hi> Stück. In der großen Hauptsache von Leben und Sterben, eine Sache beziehungsweise Frage, die mir damals ziemlich ernsthaft durch den Kopf ging, ist es gleich.“</p><lb/> <p>„Und wo war das?“</p><lb/> <p>„In England.“</p><lb/> <p>„Ah.“</p><lb/> <p>„Sie waren drüben?“</p><lb/> <p>„Nein. Nicht bis <hi rendition="#g">jetzt</hi>. Ich stehe nur auf dem Punkt … Aber ich unterbrach Sie.“</p><lb/> <p>„Nun denn also, ich kam damals von Brighton, Nachtzug, um auf der wundervollen Küstenbahn, die zum Teil hart am Meere hinläuft, nach Dover zu fahren. Es ging in rasender Schnelligkeit und nur auf Station Hastings war eine Minute Verzug. Ich saß allein im Coupé. Mit einem Male wurde </p> </div> </body> </text> </TEI> [41/0043]
sehen. Ein eigentümlich zweischneidiges Wort, schmeichelhaft und auch wieder nicht. Uebrigens muß eine Dame von Welt mindestens dreißig sein. Und ich bin erst siebenundzwanzig.“
„Sonderbar. Als ich siebenundzwanzig war (beiläufig das glücklichste Jahr meines Lebens), war ich in einer ganz ähnlichen Situation wie Sie.“
„Nur mit dem Unterschiede, daß Sie keine Dame waren.“
„Nein. Und das macht freilich einen Unterschied. Aber doch nur in einem Stück. In der großen Hauptsache von Leben und Sterben, eine Sache beziehungsweise Frage, die mir damals ziemlich ernsthaft durch den Kopf ging, ist es gleich.“
„Und wo war das?“
„In England.“
„Ah.“
„Sie waren drüben?“
„Nein. Nicht bis jetzt. Ich stehe nur auf dem Punkt … Aber ich unterbrach Sie.“
„Nun denn also, ich kam damals von Brighton, Nachtzug, um auf der wundervollen Küstenbahn, die zum Teil hart am Meere hinläuft, nach Dover zu fahren. Es ging in rasender Schnelligkeit und nur auf Station Hastings war eine Minute Verzug. Ich saß allein im Coupé. Mit einem Male wurde
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).
(2014-01-22T15:28:28Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-22T15:28:28Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2014-01-22T15:28:28Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von vor und nach der Reise. Plaudereien und kleine Geschichten. Hrsg. von Walter Hettche und Gabriele Radecke. Berlin 2007 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 19]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Anmerkungen zur Transkription:
Auslassungszeichen im Text werden einheitlich als U+2026 <…> (HORIZONTAL ELLIPSIS) wiedergegeben.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |