Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.braten, so haben wir Dich auch in der Falle und Du kommst so bald nicht wieder fort." Ich stimmte zu, nahm an der Heiterkeit von ganzem Herzen Teil und machte, nachdem ich mich auf eine halbe Stunde verabschiedet hatte, meinen gewöhnlichen Morgenspaziergang. Als ich zurückkam, war der Frühstückstisch noch nicht abgeräumt, vielmehr fand ich das Ehepaar über Briefen, die mittlerweile vom Postboten abgegeben waren. Einige dieser Briefe reichte Otto zu seiner Frau hinüber. Ich konnte deutlich wahrnehmen, daß sich ein Lächeln um ihren Mund zog, als sie die eine Handschrift erkannte. Bald aber sah ich auch, daß sie mich von der Seite her anblickte, wie wenn sie mir etwas nicht ganz Angenehmes mitzuteilen habe. Sie besann sich aber wieder und sagte halblaut zu ihrem Manne: "Es wird schon gehen, Otto," was dieser durch ein Kopfnicken bestätigte. Trotzdem konnt' ich den ganzen Tag über eine gewisse Zerstreutheit an ihr bemerken, zugleich eine größere Heiterkeit, als ihr sonst wohl natürlich war und die, weil nicht ganz natürlich, mit Anflügen leiser Verlegenheit wechselte. Dies alles entging mir nicht, aber ich legte kein Gewicht darauf und erst am anderen Morgen war es mir zweifellos geworden, daß man ein Geheimnis vor mir habe. braten, so haben wir Dich auch in der Falle und Du kommst so bald nicht wieder fort.“ Ich stimmte zu, nahm an der Heiterkeit von ganzem Herzen Teil und machte, nachdem ich mich auf eine halbe Stunde verabschiedet hatte, meinen gewöhnlichen Morgenspaziergang. Als ich zurückkam, war der Frühstückstisch noch nicht abgeräumt, vielmehr fand ich das Ehepaar über Briefen, die mittlerweile vom Postboten abgegeben waren. Einige dieser Briefe reichte Otto zu seiner Frau hinüber. Ich konnte deutlich wahrnehmen, daß sich ein Lächeln um ihren Mund zog, als sie die eine Handschrift erkannte. Bald aber sah ich auch, daß sie mich von der Seite her anblickte, wie wenn sie mir etwas nicht ganz Angenehmes mitzuteilen habe. Sie besann sich aber wieder und sagte halblaut zu ihrem Manne: „Es wird schon gehen, Otto,“ was dieser durch ein Kopfnicken bestätigte. Trotzdem konnt’ ich den ganzen Tag über eine gewisse Zerstreutheit an ihr bemerken, zugleich eine größere Heiterkeit, als ihr sonst wohl natürlich war und die, weil nicht ganz natürlich, mit Anflügen leiser Verlegenheit wechselte. Dies alles entging mir nicht, aber ich legte kein Gewicht darauf und erst am anderen Morgen war es mir zweifellos geworden, daß man ein Geheimnis vor mir habe. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0089" n="87"/> braten, so haben wir Dich auch in der Falle und Du kommst so bald nicht wieder fort.“</p><lb/> <p>Ich stimmte zu, nahm an der Heiterkeit von ganzem Herzen Teil und machte, nachdem ich mich auf eine halbe Stunde verabschiedet hatte, meinen gewöhnlichen Morgenspaziergang. Als ich zurückkam, war der Frühstückstisch noch nicht abgeräumt, vielmehr fand ich das Ehepaar über Briefen, die mittlerweile vom Postboten abgegeben waren. Einige dieser Briefe reichte Otto zu seiner Frau hinüber. Ich konnte deutlich wahrnehmen, daß sich ein Lächeln um ihren Mund zog, als sie die eine Handschrift erkannte. Bald aber sah ich auch, daß sie mich von der Seite her anblickte, wie wenn sie mir etwas nicht ganz Angenehmes mitzuteilen habe. Sie besann sich aber wieder und sagte halblaut zu ihrem Manne: „Es wird schon gehen, Otto,“ was dieser durch ein Kopfnicken bestätigte. Trotzdem konnt’ ich den ganzen Tag über eine gewisse Zerstreutheit an ihr bemerken, zugleich eine größere Heiterkeit, als ihr sonst wohl natürlich war und die, weil nicht ganz natürlich, mit Anflügen leiser Verlegenheit wechselte. Dies alles entging mir nicht, aber ich legte kein Gewicht darauf und erst am anderen Morgen war es mir zweifellos geworden, daß man ein Geheimnis vor mir habe.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [87/0089]
braten, so haben wir Dich auch in der Falle und Du kommst so bald nicht wieder fort.“
Ich stimmte zu, nahm an der Heiterkeit von ganzem Herzen Teil und machte, nachdem ich mich auf eine halbe Stunde verabschiedet hatte, meinen gewöhnlichen Morgenspaziergang. Als ich zurückkam, war der Frühstückstisch noch nicht abgeräumt, vielmehr fand ich das Ehepaar über Briefen, die mittlerweile vom Postboten abgegeben waren. Einige dieser Briefe reichte Otto zu seiner Frau hinüber. Ich konnte deutlich wahrnehmen, daß sich ein Lächeln um ihren Mund zog, als sie die eine Handschrift erkannte. Bald aber sah ich auch, daß sie mich von der Seite her anblickte, wie wenn sie mir etwas nicht ganz Angenehmes mitzuteilen habe. Sie besann sich aber wieder und sagte halblaut zu ihrem Manne: „Es wird schon gehen, Otto,“ was dieser durch ein Kopfnicken bestätigte. Trotzdem konnt’ ich den ganzen Tag über eine gewisse Zerstreutheit an ihr bemerken, zugleich eine größere Heiterkeit, als ihr sonst wohl natürlich war und die, weil nicht ganz natürlich, mit Anflügen leiser Verlegenheit wechselte. Dies alles entging mir nicht, aber ich legte kein Gewicht darauf und erst am anderen Morgen war es mir zweifellos geworden, daß man ein Geheimnis vor mir habe.
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(2014-01-22T15:28:28Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-22T15:28:28Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2014-01-22T15:28:28Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von vor und nach der Reise. Plaudereien und kleine Geschichten. Hrsg. von Walter Hettche und Gabriele Radecke. Berlin 2007 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 19]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Anmerkungen zur Transkription:
Auslassungszeichen im Text werden einheitlich als U+2026 <…> (HORIZONTAL ELLIPSIS) wiedergegeben.
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