Tante Adelheid, wenn sich nichts geradezu Verstimm¬ liches ereignete, war, von alten Zeiten her, eine gute Wirtin und besaß neben anderm auch jene Direktoral¬ augen, die bei Tische so viel bedeuten; aber eine Gabe besaß sie nicht, die, das Gespräch, wie's in einem engsten Zirkel doch sein sollte, zusammenzufassen. So zerfiel denn die kleine Tafelrunde von Anfang an in drei Gruppen, von denen eine, wiewohl nicht absolut schweig¬ sam, doch vorwiegend als Tafelornament wirkte. Dies war die Gruppe Woldemar-Triglaff. Und das konnte nicht wohl anders sein. Die Triglaff, wie sich das bei Kakadugesichtern so häufig findet, verband in sich den Ausdruck höchster Tiefsinnigkeit mit ganz ungewöhnlicher Umnachtung, und ein letzter Rest von Helle, der ihr vielleicht geblieben sein mochte, war ihr durch eine stupende Triglaffvorstellung schließlich doch auch noch abhanden gekommen. Eine direkte Descendenz von dem gleichnamigen Wendengotte, etwa wie Czako von Czako, war freilich nicht nachzuweisen, aber doch auch nicht aus¬ geschlossen, und wenn dergleichen überhaupt vorkommen oder nach stiller Übereinkunft auch nur allgemein an¬ genommen werden konnte, so war nicht abzusehen, warum gerade sie leer ausgehen oder auf solche Möglichkeit verzichten sollte. Dieser hochgespannten, ganz im Spe¬ ziellen sich bewegenden Adelsvorstellung entsprach denn
Achtes Kapitel.
Tante Adelheid, wenn ſich nichts geradezu Verſtimm¬ liches ereignete, war, von alten Zeiten her, eine gute Wirtin und beſaß neben anderm auch jene Direktoral¬ augen, die bei Tiſche ſo viel bedeuten; aber eine Gabe beſaß ſie nicht, die, das Geſpräch, wie's in einem engſten Zirkel doch ſein ſollte, zuſammenzufaſſen. So zerfiel denn die kleine Tafelrunde von Anfang an in drei Gruppen, von denen eine, wiewohl nicht abſolut ſchweig¬ ſam, doch vorwiegend als Tafelornament wirkte. Dies war die Gruppe Woldemar-Triglaff. Und das konnte nicht wohl anders ſein. Die Triglaff, wie ſich das bei Kakadugeſichtern ſo häufig findet, verband in ſich den Ausdruck höchſter Tiefſinnigkeit mit ganz ungewöhnlicher Umnachtung, und ein letzter Reſt von Helle, der ihr vielleicht geblieben ſein mochte, war ihr durch eine ſtupende Triglaffvorſtellung ſchließlich doch auch noch abhanden gekommen. Eine direkte Deſcendenz von dem gleichnamigen Wendengotte, etwa wie Czako von Czako, war freilich nicht nachzuweiſen, aber doch auch nicht aus¬ geſchloſſen, und wenn dergleichen überhaupt vorkommen oder nach ſtiller Übereinkunft auch nur allgemein an¬ genommen werden konnte, ſo war nicht abzuſehen, warum gerade ſie leer ausgehen oder auf ſolche Möglichkeit verzichten ſollte. Dieſer hochgeſpannten, ganz im Spe¬ ziellen ſich bewegenden Adelsvorſtellung entſprach denn
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0119"n="[112]"/><divn="2"><head><hirendition="#b #g">Achtes Kapitel.</hi><lb/></head><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Tante Adelheid, wenn ſich nichts geradezu Verſtimm¬<lb/>
liches ereignete, war, von alten Zeiten her, eine gute<lb/>
Wirtin und beſaß neben anderm auch jene Direktoral¬<lb/>
augen, die bei Tiſche ſo viel bedeuten; aber <hirendition="#g">eine</hi> Gabe<lb/>
beſaß ſie nicht, die, das Geſpräch, wie's in einem engſten<lb/>
Zirkel doch ſein ſollte, zuſammenzufaſſen. So zerfiel<lb/>
denn die kleine Tafelrunde von Anfang an in drei<lb/>
Gruppen, von denen eine, wiewohl nicht abſolut ſchweig¬<lb/>ſam, doch vorwiegend als Tafelornament wirkte. Dies<lb/>
war die Gruppe Woldemar-Triglaff. Und das konnte<lb/>
nicht wohl anders ſein. Die Triglaff, wie ſich das bei<lb/>
Kakadugeſichtern ſo häufig findet, verband in ſich den<lb/>
Ausdruck höchſter Tiefſinnigkeit mit ganz ungewöhnlicher<lb/>
Umnachtung, und ein letzter Reſt von Helle, der ihr<lb/>
vielleicht geblieben ſein mochte, war ihr durch eine<lb/>ſtupende Triglaffvorſtellung ſchließlich doch auch noch<lb/>
abhanden gekommen. Eine direkte Deſcendenz von dem<lb/>
gleichnamigen Wendengotte, etwa wie Czako von Czako,<lb/>
war freilich nicht nachzuweiſen, aber doch auch nicht aus¬<lb/>
geſchloſſen, und wenn dergleichen überhaupt vorkommen<lb/>
oder nach ſtiller Übereinkunft auch nur allgemein an¬<lb/>
genommen werden konnte, ſo war nicht abzuſehen, warum<lb/>
gerade <hirendition="#g">ſie</hi> leer ausgehen oder auf ſolche Möglichkeit<lb/>
verzichten ſollte. Dieſer hochgeſpannten, ganz im Spe¬<lb/>
ziellen ſich bewegenden Adelsvorſtellung entſprach denn<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[112]/0119]
Achtes Kapitel.
Tante Adelheid, wenn ſich nichts geradezu Verſtimm¬
liches ereignete, war, von alten Zeiten her, eine gute
Wirtin und beſaß neben anderm auch jene Direktoral¬
augen, die bei Tiſche ſo viel bedeuten; aber eine Gabe
beſaß ſie nicht, die, das Geſpräch, wie's in einem engſten
Zirkel doch ſein ſollte, zuſammenzufaſſen. So zerfiel
denn die kleine Tafelrunde von Anfang an in drei
Gruppen, von denen eine, wiewohl nicht abſolut ſchweig¬
ſam, doch vorwiegend als Tafelornament wirkte. Dies
war die Gruppe Woldemar-Triglaff. Und das konnte
nicht wohl anders ſein. Die Triglaff, wie ſich das bei
Kakadugeſichtern ſo häufig findet, verband in ſich den
Ausdruck höchſter Tiefſinnigkeit mit ganz ungewöhnlicher
Umnachtung, und ein letzter Reſt von Helle, der ihr
vielleicht geblieben ſein mochte, war ihr durch eine
ſtupende Triglaffvorſtellung ſchließlich doch auch noch
abhanden gekommen. Eine direkte Deſcendenz von dem
gleichnamigen Wendengotte, etwa wie Czako von Czako,
war freilich nicht nachzuweiſen, aber doch auch nicht aus¬
geſchloſſen, und wenn dergleichen überhaupt vorkommen
oder nach ſtiller Übereinkunft auch nur allgemein an¬
genommen werden konnte, ſo war nicht abzuſehen, warum
gerade ſie leer ausgehen oder auf ſolche Möglichkeit
verzichten ſollte. Dieſer hochgeſpannten, ganz im Spe¬
ziellen ſich bewegenden Adelsvorſtellung entſprach denn
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. [112]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/119>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.