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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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die ,Milch der Greise' in eine ,Liebfrauenmilch' ver¬
wandelt."

"Hihi ... Ja, Liebfrauenmilch, die trinken wir
auch. Aber nur selten. Und es ist auch nicht der Name,
woran ich eigentlich dachte."

"Sicherlich nicht, meine Gnädigste. Denn wir haben
eben noch andre, decidiertere, denen gegenüber uns dann
nur noch das Refugium der französischen Aussprache bleibt."

"Hihi ... Ja, französisch, da geht es. Aber doch
auch nicht immer, und jedesmal, wenn Rentmeister Fix
unser Gast ist und die Triglaff die Flasche hin und her
dreht (und ich habe gesehen, daß sie sie dreimal herum¬
drehte), dann lacht Fix ... Übrigens sieht es so aus,
als ob die Domina noch was auf dem Herzen hätte;
sie macht ein so feierliches Gesicht. Oder vielleicht will
sie auch bloß die Tafel aufheben."

Und wirklich, es war so, wie die Schmargendorf
vermutete. "Meine Herren," sagte die Domina, "da
Sie zu meinem Leidwesen so früh fort wollen (wir
haben nur noch wenig über eine Viertelstunde), so
geb' ich anheim, ob wir den Kaffee lieber in meinem
Zimmer nehmen wollen oder draußen unter dem Holunder¬
baum."

Eine Gesamtantwort wurde nicht laut, aber während
man sich unmittelbar danach erhob, küßte Czako der
Schmargendorf die Hand und sagte mit einem gewissen
Empressement: "Unter dem Holunderbaum also."

Die Schmargendorf verstand nicht im entferntesten,
auf was es sich bezog. Aber das war Czako gleich.
Ihm lag lediglich daran, sich ganz privatim, ganz für
sich selbst, die Schmargendorf auf einen kurzen aber
großen Augenblick als "Käthchen" vorstellen zu können.

Im übrigen zeigte sich's, daß nicht bloß Czako,
sondern auch Rex und Woldemar für den Holunder¬
baum waren, und so näherte man sich denn diesem.

die ‚Milch der Greiſe‘ in eine ‚Liebfrauenmilch‘ ver¬
wandelt.“

„Hihi ... Ja, Liebfrauenmilch, die trinken wir
auch. Aber nur ſelten. Und es iſt auch nicht der Name,
woran ich eigentlich dachte.“

„Sicherlich nicht, meine Gnädigſte. Denn wir haben
eben noch andre, decidiertere, denen gegenüber uns dann
nur noch das Refugium der franzöſiſchen Ausſprache bleibt.“

„Hihi ... Ja, franzöſiſch, da geht es. Aber doch
auch nicht immer, und jedesmal, wenn Rentmeiſter Fix
unſer Gaſt iſt und die Triglaff die Flaſche hin und her
dreht (und ich habe geſehen, daß ſie ſie dreimal herum¬
drehte), dann lacht Fix ... Übrigens ſieht es ſo aus,
als ob die Domina noch was auf dem Herzen hätte;
ſie macht ein ſo feierliches Geſicht. Oder vielleicht will
ſie auch bloß die Tafel aufheben.“

Und wirklich, es war ſo, wie die Schmargendorf
vermutete. „Meine Herren,“ ſagte die Domina, „da
Sie zu meinem Leidweſen ſo früh fort wollen (wir
haben nur noch wenig über eine Viertelſtunde), ſo
geb' ich anheim, ob wir den Kaffee lieber in meinem
Zimmer nehmen wollen oder draußen unter dem Holunder¬
baum.“

Eine Geſamtantwort wurde nicht laut, aber während
man ſich unmittelbar danach erhob, küßte Czako der
Schmargendorf die Hand und ſagte mit einem gewiſſen
Empreſſement: „Unter dem Holunderbaum alſo.“

Die Schmargendorf verſtand nicht im entfernteſten,
auf was es ſich bezog. Aber das war Czako gleich.
Ihm lag lediglich daran, ſich ganz privatim, ganz für
ſich ſelbſt, die Schmargendorf auf einen kurzen aber
großen Augenblick als „Käthchen“ vorſtellen zu können.

Im übrigen zeigte ſich's, daß nicht bloß Czako,
ſondern auch Rex und Woldemar für den Holunder¬
baum waren, und ſo näherte man ſich denn dieſem.

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[117/0124] die ‚Milch der Greiſe‘ in eine ‚Liebfrauenmilch‘ ver¬ wandelt.“ „Hihi ... Ja, Liebfrauenmilch, die trinken wir auch. Aber nur ſelten. Und es iſt auch nicht der Name, woran ich eigentlich dachte.“ „Sicherlich nicht, meine Gnädigſte. Denn wir haben eben noch andre, decidiertere, denen gegenüber uns dann nur noch das Refugium der franzöſiſchen Ausſprache bleibt.“ „Hihi ... Ja, franzöſiſch, da geht es. Aber doch auch nicht immer, und jedesmal, wenn Rentmeiſter Fix unſer Gaſt iſt und die Triglaff die Flaſche hin und her dreht (und ich habe geſehen, daß ſie ſie dreimal herum¬ drehte), dann lacht Fix ... Übrigens ſieht es ſo aus, als ob die Domina noch was auf dem Herzen hätte; ſie macht ein ſo feierliches Geſicht. Oder vielleicht will ſie auch bloß die Tafel aufheben.“ Und wirklich, es war ſo, wie die Schmargendorf vermutete. „Meine Herren,“ ſagte die Domina, „da Sie zu meinem Leidweſen ſo früh fort wollen (wir haben nur noch wenig über eine Viertelſtunde), ſo geb' ich anheim, ob wir den Kaffee lieber in meinem Zimmer nehmen wollen oder draußen unter dem Holunder¬ baum.“ Eine Geſamtantwort wurde nicht laut, aber während man ſich unmittelbar danach erhob, küßte Czako der Schmargendorf die Hand und ſagte mit einem gewiſſen Empreſſement: „Unter dem Holunderbaum alſo.“ Die Schmargendorf verſtand nicht im entfernteſten, auf was es ſich bezog. Aber das war Czako gleich. Ihm lag lediglich daran, ſich ganz privatim, ganz für ſich ſelbſt, die Schmargendorf auf einen kurzen aber großen Augenblick als „Käthchen“ vorſtellen zu können. Im übrigen zeigte ſich's, daß nicht bloß Czako, ſondern auch Rex und Woldemar für den Holunder¬ baum waren, und ſo näherte man ſich denn dieſem.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/124>, abgerufen am 24.11.2024.