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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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das Schiff zu, dessen Glocke schon zum erstenmal geläutet
hatte. Das Wetter war prachtvoll, flußaufwärts alles
klar und sonnig, während über der Stadt ein dünner
Nebel lag. Zu beiden Seiten des Hinterdecks nahm man
auf Stühlen und Bänken Platz und sah von hier aus auf
das verschleierte Stadtbild zurück.

"Da heißt es nun immer," sagte Melusine, "Berlin
sei so kirchenarm; aber wir werden bald Köln und Mainz
aus dem Felde geschlagen haben. Ich sehe die Nikolai¬
kirche, die Petrikirche, die Waisenkirche, die Schloßkuppel,
und das Dach da, mit einer Art von chinesischer Deckel¬
mütze, das ist, glaub' ich, der Rathausturm. Aber freilich,
ich weiß nicht, ob ich den mitrechnen darf."

"Turm ist Turm," sagte die Baronin. "Das fehlte
so gerade noch, daß man dem armen alten Berlin auch
seinen Rathausturm als Turm abstritte. Man eifersüchtelt
schon genug."

Und nun schlug es vier. Von der Parochialkirche
her klang das Glockenspiel, die Schiffsglocke läutete
dazwischen, und als diese wieder schwieg, wurde das
Brett aufgeklappt, und unter einem schrillen Pfiff setzte
sich der Dampfer auf das mittlere Brückenjoch zu in Be¬
wegung.


Oben, in Nähe der Jannowitzbrücke, hielten immer
noch die beiden herrschaftlichen Wagen, die's für ange¬
messen erachten mochten, ehe sie selber aufbrachen, zuvor
den Aufbruch des Schiffes abzuwarten, und erst als
dieses unter der Brücke verschwunden war, fuhr der
gräflich Barbysche Kutscher neben den freiherrlich Berchtes¬
gadenschen, um mit diesem einen Gruß auszutauschen.
Beide kannten sich seit lange, schon von London her, wo
sie bei denselben Herrschaften in Dienst gestanden hatten.
In diesem Punkte waren sie sich gleich, sonst aber so ver¬

das Schiff zu, deſſen Glocke ſchon zum erſtenmal geläutet
hatte. Das Wetter war prachtvoll, flußaufwärts alles
klar und ſonnig, während über der Stadt ein dünner
Nebel lag. Zu beiden Seiten des Hinterdecks nahm man
auf Stühlen und Bänken Platz und ſah von hier aus auf
das verſchleierte Stadtbild zurück.

„Da heißt es nun immer,“ ſagte Meluſine, „Berlin
ſei ſo kirchenarm; aber wir werden bald Köln und Mainz
aus dem Felde geſchlagen haben. Ich ſehe die Nikolai¬
kirche, die Petrikirche, die Waiſenkirche, die Schloßkuppel,
und das Dach da, mit einer Art von chineſiſcher Deckel¬
mütze, das iſt, glaub' ich, der Rathausturm. Aber freilich,
ich weiß nicht, ob ich den mitrechnen darf.“

„Turm iſt Turm,“ ſagte die Baronin. „Das fehlte
ſo gerade noch, daß man dem armen alten Berlin auch
ſeinen Rathausturm als Turm abſtritte. Man eiferſüchtelt
ſchon genug.“

Und nun ſchlug es vier. Von der Parochialkirche
her klang das Glockenſpiel, die Schiffsglocke läutete
dazwiſchen, und als dieſe wieder ſchwieg, wurde das
Brett aufgeklappt, und unter einem ſchrillen Pfiff ſetzte
ſich der Dampfer auf das mittlere Brückenjoch zu in Be¬
wegung.


Oben, in Nähe der Jannowitzbrücke, hielten immer
noch die beiden herrſchaftlichen Wagen, die's für ange¬
meſſen erachten mochten, ehe ſie ſelber aufbrachen, zuvor
den Aufbruch des Schiffes abzuwarten, und erſt als
dieſes unter der Brücke verſchwunden war, fuhr der
gräflich Barbyſche Kutſcher neben den freiherrlich Berchtes¬
gadenſchen, um mit dieſem einen Gruß auszutauſchen.
Beide kannten ſich ſeit lange, ſchon von London her, wo
ſie bei denſelben Herrſchaften in Dienſt geſtanden hatten.
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[176/0183] das Schiff zu, deſſen Glocke ſchon zum erſtenmal geläutet hatte. Das Wetter war prachtvoll, flußaufwärts alles klar und ſonnig, während über der Stadt ein dünner Nebel lag. Zu beiden Seiten des Hinterdecks nahm man auf Stühlen und Bänken Platz und ſah von hier aus auf das verſchleierte Stadtbild zurück. „Da heißt es nun immer,“ ſagte Meluſine, „Berlin ſei ſo kirchenarm; aber wir werden bald Köln und Mainz aus dem Felde geſchlagen haben. Ich ſehe die Nikolai¬ kirche, die Petrikirche, die Waiſenkirche, die Schloßkuppel, und das Dach da, mit einer Art von chineſiſcher Deckel¬ mütze, das iſt, glaub' ich, der Rathausturm. Aber freilich, ich weiß nicht, ob ich den mitrechnen darf.“ „Turm iſt Turm,“ ſagte die Baronin. „Das fehlte ſo gerade noch, daß man dem armen alten Berlin auch ſeinen Rathausturm als Turm abſtritte. Man eiferſüchtelt ſchon genug.“ Und nun ſchlug es vier. Von der Parochialkirche her klang das Glockenſpiel, die Schiffsglocke läutete dazwiſchen, und als dieſe wieder ſchwieg, wurde das Brett aufgeklappt, und unter einem ſchrillen Pfiff ſetzte ſich der Dampfer auf das mittlere Brückenjoch zu in Be¬ wegung. Oben, in Nähe der Jannowitzbrücke, hielten immer noch die beiden herrſchaftlichen Wagen, die's für ange¬ meſſen erachten mochten, ehe ſie ſelber aufbrachen, zuvor den Aufbruch des Schiffes abzuwarten, und erſt als dieſes unter der Brücke verſchwunden war, fuhr der gräflich Barbyſche Kutſcher neben den freiherrlich Berchtes¬ gadenſchen, um mit dieſem einen Gruß auszutauſchen. Beide kannten ſich ſeit lange, ſchon von London her, wo ſie bei denſelben Herrſchaften in Dienſt geſtanden hatten. In dieſem Punkte waren ſie ſich gleich, ſonſt aber ſo ver¬

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/183>, abgerufen am 21.11.2024.