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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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verstand es, die Scheidewand zu ziehen. Übrigens wär'
es auch ohne diese Kunst gegangen. Denn Engelke war
einer von den guten Menschen, die nicht aus Berechnung
oder Klugheit, sondern von Natur hingebend und de¬
mütig sind und in einem treuen Dienen ihr Genüge
finden. Alltags war er, so Winter wie Sommer, in
ein Leinwandhabit gekleidet, und nur wenn es zu Tisch
ging, trug er eine richtige Livree von sandfarbenem Tuch
mit großen Knöpfen dran. Es waren Knöpfe, die noch
die Zeiten des Rheinsberger Prinzen Heinrich gesehen
hatten, weshalb Dubslav, als er mal wieder in Ver¬
legenheit war, zu dem jüngst verstorbenen alten Herrn
von Kortschädel gesagt hatte: "Ja, Kortschädel, wenn
ich so meinen Engelke, wie er da geht und steht, ins
märkische Provinzialmuseum abliefern könnte, so kriegt'
ich ein Jahrgehalt und wäre 'raus."


Das war im Mai, daß der alte Stechlin diese
Worte zu seinem Freunde Kortschädel gesprochen hatte.
Heute aber war dritter Oktober und ein wundervoller
Herbsttag dazu. Dubslav, sonst empfindlich gegen Zug,
hatte die Thüren aufmachen lassen, und von dem großen
Portal her zog ein erquicklicher Luftstrom bis auf die
mit weiß und schwarzen Fliesen gedeckte Veranda hin¬
aus. Eine große, etwas schadhafte Marquise war hier
herabgelassen und gab Schutz gegen die Sonne, deren
Lichter durch die schadhaften Stellen hindurch schienen
und auf den Fliesen ein Schattenspiel aufführten. Garten¬
stühle standen umher, vor einer Bank aber, die sich an
die Hauswand lehnte, waren doppelte Strohmatten ge¬
legt. Auf eben dieser Bank, ein Bild des Behagens,
saß der alte Stechlin in Joppe und breitkrempigem
Filzhut und sah, während er aus seinem Meerschaum
allerlei Ringe blies, auf ein Rundell, in dessen Mitte,

verſtand es, die Scheidewand zu ziehen. Übrigens wär'
es auch ohne dieſe Kunſt gegangen. Denn Engelke war
einer von den guten Menſchen, die nicht aus Berechnung
oder Klugheit, ſondern von Natur hingebend und de¬
mütig ſind und in einem treuen Dienen ihr Genüge
finden. Alltags war er, ſo Winter wie Sommer, in
ein Leinwandhabit gekleidet, und nur wenn es zu Tiſch
ging, trug er eine richtige Livree von ſandfarbenem Tuch
mit großen Knöpfen dran. Es waren Knöpfe, die noch
die Zeiten des Rheinsberger Prinzen Heinrich geſehen
hatten, weshalb Dubslav, als er mal wieder in Ver¬
legenheit war, zu dem jüngſt verſtorbenen alten Herrn
von Kortſchädel geſagt hatte: „Ja, Kortſchädel, wenn
ich ſo meinen Engelke, wie er da geht und ſteht, ins
märkiſche Provinzialmuſeum abliefern könnte, ſo kriegt'
ich ein Jahrgehalt und wäre 'raus.“


Das war im Mai, daß der alte Stechlin dieſe
Worte zu ſeinem Freunde Kortſchädel geſprochen hatte.
Heute aber war dritter Oktober und ein wundervoller
Herbſttag dazu. Dubslav, ſonſt empfindlich gegen Zug,
hatte die Thüren aufmachen laſſen, und von dem großen
Portal her zog ein erquicklicher Luftſtrom bis auf die
mit weiß und ſchwarzen Flieſen gedeckte Veranda hin¬
aus. Eine große, etwas ſchadhafte Marquiſe war hier
herabgelaſſen und gab Schutz gegen die Sonne, deren
Lichter durch die ſchadhaften Stellen hindurch ſchienen
und auf den Flieſen ein Schattenſpiel aufführten. Garten¬
ſtühle ſtanden umher, vor einer Bank aber, die ſich an
die Hauswand lehnte, waren doppelte Strohmatten ge¬
legt. Auf eben dieſer Bank, ein Bild des Behagens,
ſaß der alte Stechlin in Joppe und breitkrempigem
Filzhut und ſah, während er aus ſeinem Meerſchaum
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[12/0019] verſtand es, die Scheidewand zu ziehen. Übrigens wär' es auch ohne dieſe Kunſt gegangen. Denn Engelke war einer von den guten Menſchen, die nicht aus Berechnung oder Klugheit, ſondern von Natur hingebend und de¬ mütig ſind und in einem treuen Dienen ihr Genüge finden. Alltags war er, ſo Winter wie Sommer, in ein Leinwandhabit gekleidet, und nur wenn es zu Tiſch ging, trug er eine richtige Livree von ſandfarbenem Tuch mit großen Knöpfen dran. Es waren Knöpfe, die noch die Zeiten des Rheinsberger Prinzen Heinrich geſehen hatten, weshalb Dubslav, als er mal wieder in Ver¬ legenheit war, zu dem jüngſt verſtorbenen alten Herrn von Kortſchädel geſagt hatte: „Ja, Kortſchädel, wenn ich ſo meinen Engelke, wie er da geht und ſteht, ins märkiſche Provinzialmuſeum abliefern könnte, ſo kriegt' ich ein Jahrgehalt und wäre 'raus.“ Das war im Mai, daß der alte Stechlin dieſe Worte zu ſeinem Freunde Kortſchädel geſprochen hatte. Heute aber war dritter Oktober und ein wundervoller Herbſttag dazu. Dubslav, ſonſt empfindlich gegen Zug, hatte die Thüren aufmachen laſſen, und von dem großen Portal her zog ein erquicklicher Luftſtrom bis auf die mit weiß und ſchwarzen Flieſen gedeckte Veranda hin¬ aus. Eine große, etwas ſchadhafte Marquiſe war hier herabgelaſſen und gab Schutz gegen die Sonne, deren Lichter durch die ſchadhaften Stellen hindurch ſchienen und auf den Flieſen ein Schattenſpiel aufführten. Garten¬ ſtühle ſtanden umher, vor einer Bank aber, die ſich an die Hauswand lehnte, waren doppelte Strohmatten ge¬ legt. Auf eben dieſer Bank, ein Bild des Behagens, ſaß der alte Stechlin in Joppe und breitkrempigem Filzhut und ſah, während er aus ſeinem Meerſchaum allerlei Ringe blies, auf ein Rundell, in deſſen Mitte,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/19>, abgerufen am 21.11.2024.