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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Sechzehntes Kapitel.

Der andre Morgen rief Woldemar zeitig zum Dienst.
Als er um neun Uhr auf sein Zimmer zurückkehrte, fand
er auf dem Frühstückstisch Zeitungen und Briefe. Da¬
runter war einer mit einem ziemlich großen Siegel, der
Lack schlecht und der Brief überhaupt von sehr unmodischer
Erscheinung, ein bloß zusammengelegter Quartbogen. Wol¬
demar, nach Poststempel und Handschrift sehr wohl wissend,
woher und von wem der Brief kam, schob ihn, während
Fritz den Thee brachte, beiseite, und erst als er eine Tasse
genommen und länger als nötig dabei verweilt hatte,
griff er wieder nach dem Brief und drehte ihn zwischen
Daumen und Zeigefinger. "Ich hätte mir, nach dem
gestrigen Abend, heute früh was andres gewünscht, als
gerade diesen Brief." Und während er das so vor sich
hin sprach, standen ihm, er mochte wollen oder nicht, die
letzten Wutzer Augenblicke wieder vor der Seele. Die
Tante hatte, kurz bevor er das Kloster verließ, noch ein¬
mal vertraulich seine Hand genommen und ihm bei der
Gelegenheit ausgesprochen, was sie seit lange bedrückte.

"Das Junggesellenleben, Woldemar, taugt nichts.
Dein Vater war auch schon zu alt, als er sich ver¬
heiratete. Ich will nicht in deine Geheimnisse ein¬
dringen, aber ich möchte doch fragen dürfen: wie stehst
du dazu?"

Sechzehntes Kapitel.

Der andre Morgen rief Woldemar zeitig zum Dienſt.
Als er um neun Uhr auf ſein Zimmer zurückkehrte, fand
er auf dem Frühſtückstiſch Zeitungen und Briefe. Da¬
runter war einer mit einem ziemlich großen Siegel, der
Lack ſchlecht und der Brief überhaupt von ſehr unmodiſcher
Erſcheinung, ein bloß zuſammengelegter Quartbogen. Wol¬
demar, nach Poſtſtempel und Handſchrift ſehr wohl wiſſend,
woher und von wem der Brief kam, ſchob ihn, während
Fritz den Thee brachte, beiſeite, und erſt als er eine Taſſe
genommen und länger als nötig dabei verweilt hatte,
griff er wieder nach dem Brief und drehte ihn zwiſchen
Daumen und Zeigefinger. „Ich hätte mir, nach dem
geſtrigen Abend, heute früh was andres gewünſcht, als
gerade dieſen Brief.“ Und während er das ſo vor ſich
hin ſprach, ſtanden ihm, er mochte wollen oder nicht, die
letzten Wutzer Augenblicke wieder vor der Seele. Die
Tante hatte, kurz bevor er das Kloſter verließ, noch ein¬
mal vertraulich ſeine Hand genommen und ihm bei der
Gelegenheit ausgeſprochen, was ſie ſeit lange bedrückte.

„Das Junggeſellenleben, Woldemar, taugt nichts.
Dein Vater war auch ſchon zu alt, als er ſich ver¬
heiratete. Ich will nicht in deine Geheimniſſe ein¬
dringen, aber ich möchte doch fragen dürfen: wie ſtehſt
du dazu?“

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[[205]/0212] Sechzehntes Kapitel. Der andre Morgen rief Woldemar zeitig zum Dienſt. Als er um neun Uhr auf ſein Zimmer zurückkehrte, fand er auf dem Frühſtückstiſch Zeitungen und Briefe. Da¬ runter war einer mit einem ziemlich großen Siegel, der Lack ſchlecht und der Brief überhaupt von ſehr unmodiſcher Erſcheinung, ein bloß zuſammengelegter Quartbogen. Wol¬ demar, nach Poſtſtempel und Handſchrift ſehr wohl wiſſend, woher und von wem der Brief kam, ſchob ihn, während Fritz den Thee brachte, beiſeite, und erſt als er eine Taſſe genommen und länger als nötig dabei verweilt hatte, griff er wieder nach dem Brief und drehte ihn zwiſchen Daumen und Zeigefinger. „Ich hätte mir, nach dem geſtrigen Abend, heute früh was andres gewünſcht, als gerade dieſen Brief.“ Und während er das ſo vor ſich hin ſprach, ſtanden ihm, er mochte wollen oder nicht, die letzten Wutzer Augenblicke wieder vor der Seele. Die Tante hatte, kurz bevor er das Kloſter verließ, noch ein¬ mal vertraulich ſeine Hand genommen und ihm bei der Gelegenheit ausgeſprochen, was ſie ſeit lange bedrückte. „Das Junggeſellenleben, Woldemar, taugt nichts. Dein Vater war auch ſchon zu alt, als er ſich ver¬ heiratete. Ich will nicht in deine Geheimniſſe ein¬ dringen, aber ich möchte doch fragen dürfen: wie ſtehſt du dazu?“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. [205]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/212>, abgerufen am 21.11.2024.