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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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berger schienen den Ausschlag zu seinen Ungunsten geben
zu sollen.

"Hole der Teufel das ganze Rheinsberg!" verschwor
sich ein alter Herr von Kraatz, dessen roter Kopf, während
er so sprach, immer röter wurde. "Dies elende Nest!
Wir bringen ihn wahr und wahrhaftig nicht durch,
unsern guten alten Stechlin. Und was das sagen will,
das wissen wir. Wer gegen uns stimmt, stimmt auch
gegen den König. Das ist all eins. Das ist das, was
man jetzt solidarisch nennt."

"Ja, Kraatz," nahm Molchow, an den sich diese
Rede vorzugsweise gerichtet hatte, das Wort, "nennen
Sie's, wie Sie wollen, solidarisch oder nicht; das eine
sagt nichts, und das andre sagt auch nichts. Aber mit
Ihrem Wort über Rheinsberg, da haben Sie's freilich
getroffen. Aufmuckung war hier immer zu Hause, von
Anfang an. Erst frondierte Fritz gegen seinen Vater,
dann frondierte Heinrich gegen seinen Bruder, und zuletzt
frondierte August, unser alter forscher Prinz August, den
manche von uns ja noch gut gekannt haben, ich sage:
frondierte unser alter August gegen die Moral. Und
das war natürlich das Schlimmste. (Zustimmung und
Heiterkeit.) Und bestraft sich zuletzt auch immer. Denn
wissen Sie denn, meine Herren, wie's mit Augusten
schließlich ging, als er durchaus in den Himmel
wollte?"

"Nein. Wie war es denn, Molchow?"

"Ja, er mußte da wohl 'ne halbe Stunde warten,
und als er nu mit 'nem Anschnauzer gegen Petrus 'raus¬
fahren wollte, da sagte ihm der Fels der Kirche: ,König¬
liche Hoheit, halten zu Gnaden, aber es ging nicht
anders'. Und warum nicht? Er hatte die elftausend
Jungfrauen erst in Sicherheit bringen müssen."

"Stimmt, stimmt," sagte Kraatz. "So war der

berger ſchienen den Ausſchlag zu ſeinen Ungunſten geben
zu ſollen.

„Hole der Teufel das ganze Rheinsberg!“ verſchwor
ſich ein alter Herr von Kraatz, deſſen roter Kopf, während
er ſo ſprach, immer röter wurde. „Dies elende Neſt!
Wir bringen ihn wahr und wahrhaftig nicht durch,
unſern guten alten Stechlin. Und was das ſagen will,
das wiſſen wir. Wer gegen uns ſtimmt, ſtimmt auch
gegen den König. Das iſt all eins. Das iſt das, was
man jetzt ſolidariſch nennt.“

„Ja, Kraatz,“ nahm Molchow, an den ſich dieſe
Rede vorzugsweiſe gerichtet hatte, das Wort, „nennen
Sie's, wie Sie wollen, ſolidariſch oder nicht; das eine
ſagt nichts, und das andre ſagt auch nichts. Aber mit
Ihrem Wort über Rheinsberg, da haben Sie's freilich
getroffen. Aufmuckung war hier immer zu Hauſe, von
Anfang an. Erſt frondierte Fritz gegen ſeinen Vater,
dann frondierte Heinrich gegen ſeinen Bruder, und zuletzt
frondierte Auguſt, unſer alter forſcher Prinz Auguſt, den
manche von uns ja noch gut gekannt haben, ich ſage:
frondierte unſer alter Auguſt gegen die Moral. Und
das war natürlich das Schlimmſte. (Zuſtimmung und
Heiterkeit.) Und beſtraft ſich zuletzt auch immer. Denn
wiſſen Sie denn, meine Herren, wie's mit Auguſten
ſchließlich ging, als er durchaus in den Himmel
wollte?“

„Nein. Wie war es denn, Molchow?“

„Ja, er mußte da wohl 'ne halbe Stunde warten,
und als er nu mit 'nem Anſchnauzer gegen Petrus 'raus¬
fahren wollte, da ſagte ihm der Fels der Kirche: ‚König¬
liche Hoheit, halten zu Gnaden, aber es ging nicht
anders‛. Und warum nicht? Er hatte die elftauſend
Jungfrauen erſt in Sicherheit bringen müſſen.“

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[244/0251] berger ſchienen den Ausſchlag zu ſeinen Ungunſten geben zu ſollen. „Hole der Teufel das ganze Rheinsberg!“ verſchwor ſich ein alter Herr von Kraatz, deſſen roter Kopf, während er ſo ſprach, immer röter wurde. „Dies elende Neſt! Wir bringen ihn wahr und wahrhaftig nicht durch, unſern guten alten Stechlin. Und was das ſagen will, das wiſſen wir. Wer gegen uns ſtimmt, ſtimmt auch gegen den König. Das iſt all eins. Das iſt das, was man jetzt ſolidariſch nennt.“ „Ja, Kraatz,“ nahm Molchow, an den ſich dieſe Rede vorzugsweiſe gerichtet hatte, das Wort, „nennen Sie's, wie Sie wollen, ſolidariſch oder nicht; das eine ſagt nichts, und das andre ſagt auch nichts. Aber mit Ihrem Wort über Rheinsberg, da haben Sie's freilich getroffen. Aufmuckung war hier immer zu Hauſe, von Anfang an. Erſt frondierte Fritz gegen ſeinen Vater, dann frondierte Heinrich gegen ſeinen Bruder, und zuletzt frondierte Auguſt, unſer alter forſcher Prinz Auguſt, den manche von uns ja noch gut gekannt haben, ich ſage: frondierte unſer alter Auguſt gegen die Moral. Und das war natürlich das Schlimmſte. (Zuſtimmung und Heiterkeit.) Und beſtraft ſich zuletzt auch immer. Denn wiſſen Sie denn, meine Herren, wie's mit Auguſten ſchließlich ging, als er durchaus in den Himmel wollte?“ „Nein. Wie war es denn, Molchow?“ „Ja, er mußte da wohl 'ne halbe Stunde warten, und als er nu mit 'nem Anſchnauzer gegen Petrus 'raus¬ fahren wollte, da ſagte ihm der Fels der Kirche: ‚König¬ liche Hoheit, halten zu Gnaden, aber es ging nicht anders‛. Und warum nicht? Er hatte die elftauſend Jungfrauen erſt in Sicherheit bringen müſſen.“ „Stimmt, ſtimmt,“ ſagte Kraatz. „So war der

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/251>, abgerufen am 22.11.2024.