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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Und nun traten sie, von dem Vorderzimmer her,
in den etwas kleineren Wohnraum, in dem Spiegel und
Toilette fehlten. Dafür aber war ein Rokokosofa da,
mit hellblauem Atlas und weißen Blumen darauf.

"Ja, Rex," sagte Czako, "wie teilen wir nun?
Ich denke, Sie nehmen nebenan den Himmel, und ich
nehme das Rokokosofa, noch dazu mit weißen Blumen,
vielleicht Lilien. Ich wette, das kleine Ding von Sofa
hat eine Geschichte."

"Rokoko hat immer eine Geschichte," bestätigte Rex.
"Aber hundert Jahr zurück. Was jetzt hier haust, sieht
mir, Gott sei Dank, nicht danach aus. Ein bißchen
Spuk trau' ich diesem alten Kasten allerdings schon zu;
aber keine Rokokogeschichte. Rokoko ist doch immer un¬
sittlich. Wie gefällt Ihnen übrigens der Alte?"

"Vorzüglich. Ich hätte nicht gedacht, daß unser
Freund Woldemar solchen famosen Alten haben könnte."

"Das klingt ja beinah," sagte Rex, "wie wenn Sie
gegen unsern Stechlin etwas hätten."

"Was durchaus nicht der Fall ist. Unser Stechlin
ist der beste Kerl von der Welt, und wenn ich das ver¬
dammte Wort nicht haßte, würd' ich ihn sogar einen
"perfekten Gentleman" nennen müssen. Aber ..."

"Nun ..."

"Aber er paßt doch nicht recht an seine Stelle."

"An welche?"

"In sein Regiment."

"Aber, Czako, ich verstehe Sie nicht. Er ist ja
brillant angeschrieben. Liebling bei jedem. Der Oberst
hält große Stücke von ihm, und die Prinzen machen
ihm beinah den Hof ..."

"Ja, das ist es ja eben. Die Prinzen, die Prinzen."

"Was denn, wie denn?"

"Ach, das ist eine lange Geschichte, viel zu lang,
um sie hier vor Tisch noch auszukramen. Denn es ist

Und nun traten ſie, von dem Vorderzimmer her,
in den etwas kleineren Wohnraum, in dem Spiegel und
Toilette fehlten. Dafür aber war ein Rokokoſofa da,
mit hellblauem Atlas und weißen Blumen darauf.

„Ja, Rex,“ ſagte Czako, „wie teilen wir nun?
Ich denke, Sie nehmen nebenan den Himmel, und ich
nehme das Rokokoſofa, noch dazu mit weißen Blumen,
vielleicht Lilien. Ich wette, das kleine Ding von Sofa
hat eine Geſchichte.“

„Rokoko hat immer eine Geſchichte,“ beſtätigte Rex.
„Aber hundert Jahr zurück. Was jetzt hier hauſt, ſieht
mir, Gott ſei Dank, nicht danach aus. Ein bißchen
Spuk trau' ich dieſem alten Kaſten allerdings ſchon zu;
aber keine Rokokogeſchichte. Rokoko iſt doch immer un¬
ſittlich. Wie gefällt Ihnen übrigens der Alte?“

„Vorzüglich. Ich hätte nicht gedacht, daß unſer
Freund Woldemar ſolchen famoſen Alten haben könnte.“

„Das klingt ja beinah,“ ſagte Rex, „wie wenn Sie
gegen unſern Stechlin etwas hätten.“

„Was durchaus nicht der Fall iſt. Unſer Stechlin
iſt der beſte Kerl von der Welt, und wenn ich das ver¬
dammte Wort nicht haßte, würd' ich ihn ſogar einen
„perfekten Gentleman“ nennen müſſen. Aber ...“

„Nun ...“

„Aber er paßt doch nicht recht an ſeine Stelle.“

„An welche?“

„In ſein Regiment.“

„Aber, Czako, ich verſtehe Sie nicht. Er iſt ja
brillant angeſchrieben. Liebling bei jedem. Der Oberſt
hält große Stücke von ihm, und die Prinzen machen
ihm beinah den Hof ...“

„Ja, das iſt es ja eben. Die Prinzen, die Prinzen.“

„Was denn, wie denn?“

„Ach, das iſt eine lange Geſchichte, viel zu lang,
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[21/0028] Und nun traten ſie, von dem Vorderzimmer her, in den etwas kleineren Wohnraum, in dem Spiegel und Toilette fehlten. Dafür aber war ein Rokokoſofa da, mit hellblauem Atlas und weißen Blumen darauf. „Ja, Rex,“ ſagte Czako, „wie teilen wir nun? Ich denke, Sie nehmen nebenan den Himmel, und ich nehme das Rokokoſofa, noch dazu mit weißen Blumen, vielleicht Lilien. Ich wette, das kleine Ding von Sofa hat eine Geſchichte.“ „Rokoko hat immer eine Geſchichte,“ beſtätigte Rex. „Aber hundert Jahr zurück. Was jetzt hier hauſt, ſieht mir, Gott ſei Dank, nicht danach aus. Ein bißchen Spuk trau' ich dieſem alten Kaſten allerdings ſchon zu; aber keine Rokokogeſchichte. Rokoko iſt doch immer un¬ ſittlich. Wie gefällt Ihnen übrigens der Alte?“ „Vorzüglich. Ich hätte nicht gedacht, daß unſer Freund Woldemar ſolchen famoſen Alten haben könnte.“ „Das klingt ja beinah,“ ſagte Rex, „wie wenn Sie gegen unſern Stechlin etwas hätten.“ „Was durchaus nicht der Fall iſt. Unſer Stechlin iſt der beſte Kerl von der Welt, und wenn ich das ver¬ dammte Wort nicht haßte, würd' ich ihn ſogar einen „perfekten Gentleman“ nennen müſſen. Aber ...“ „Nun ...“ „Aber er paßt doch nicht recht an ſeine Stelle.“ „An welche?“ „In ſein Regiment.“ „Aber, Czako, ich verſtehe Sie nicht. Er iſt ja brillant angeſchrieben. Liebling bei jedem. Der Oberſt hält große Stücke von ihm, und die Prinzen machen ihm beinah den Hof ...“ „Ja, das iſt es ja eben. Die Prinzen, die Prinzen.“ „Was denn, wie denn?“ „Ach, das iſt eine lange Geſchichte, viel zu lang, um ſie hier vor Tiſch noch auszukramen. Denn es iſt

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/28>, abgerufen am 21.11.2024.