Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

Bild:
<< vorherige Seite

davon haben. Aber so lang er drüben ist! Ich trau'
der Sache nicht. Von Behagen jedenfalls keine Rede.
Die Vettern sind nun mal nicht zufrieden zu stellen;
vielleicht ärgern sie sich, daß es draußen in der Welt
auch noch ein ,Regiment Königin von Großbritannien
und Irland' giebt. Das besorgen sie sich lieber selbst
und nehmen so was, wenn andre damit kommen, wie
'ne Prätension. Wie stehen denn Sie dazu. Sie haben
die Beefeaters vielleicht in Ihr Herz geschlossen wegen
der vielen Dissenter. Ein Kardinal, der freilich auch
noch Gourmand war, soll mal gesagt haben: ,Schreck¬
liches Volk; hundert Sekten und bloß eine Sauce.'"

"Ja," lachte Lorenzen, "da bin ich freilich für die
,Beefeaters', wie Sie sagen, und gegen den Kardinal.
Das mit den hundert Sekten lass' ich auf sich beruhn,
(mein Geschmack, beiläufig, ist es nicht) aber unter allen
Umständen bin ich für höchstens eine Sauce. Das ist
das einzig Richtige, weil Gesunde. Die Dinge müssen
in sich etwas sein, und wenn das zutrifft, so ist eigentlich
jede ,Sauce', und nun gar erst die Sauce im Plural, von
vornherein schon gerichtet. Aber lassen wir den Kardinal
und seine Gewagtheiten und nehmen wir den Gegenstand
seiner Abneigung: England. Es hat für mich eine Zeit
gegeben, wo ich bedingungslos dafür schwärmte. Nicht
zu verwundern. Hieß es doch damals in dem ganzen
Kreise, drin ich lebte: "Ja, wenn wir England nicht
mehr lieben sollen, was sollen wir dann überhaupt noch
lieben?" Diese halbe Vergötterung hab' ich noch ehrlich
mit durchgemacht. Aber das ist nun eine hübsche Weile
her. Sie sind drüben schrecklich 'runtergekommen, weil
der Kult vor dem goldenen Kalbe beständig wächst;
lauter Jobber und die vornehme Welt obenan. Und
dabei so heuchlerisch; sie sagen "Christus" und meinen
Kattun."

"Is leider so, wenigstens nach dem bißchen, was

davon haben. Aber ſo lang er drüben iſt! Ich trau'
der Sache nicht. Von Behagen jedenfalls keine Rede.
Die Vettern ſind nun mal nicht zufrieden zu ſtellen;
vielleicht ärgern ſie ſich, daß es draußen in der Welt
auch noch ein ‚Regiment Königin von Großbritannien
und Irland‘ giebt. Das beſorgen ſie ſich lieber ſelbſt
und nehmen ſo was, wenn andre damit kommen, wie
'ne Prätenſion. Wie ſtehen denn Sie dazu. Sie haben
die Beefeaters vielleicht in Ihr Herz geſchloſſen wegen
der vielen Diſſenter. Ein Kardinal, der freilich auch
noch Gourmand war, ſoll mal geſagt haben: ‚Schreck¬
liches Volk; hundert Sekten und bloß eine Sauce.‘“

„Ja,“ lachte Lorenzen, „da bin ich freilich für die
‚Beefeaters‘, wie Sie ſagen, und gegen den Kardinal.
Das mit den hundert Sekten laſſ' ich auf ſich beruhn,
(mein Geſchmack, beiläufig, iſt es nicht) aber unter allen
Umſtänden bin ich für höchſtens eine Sauce. Das iſt
das einzig Richtige, weil Geſunde. Die Dinge müſſen
in ſich etwas ſein, und wenn das zutrifft, ſo iſt eigentlich
jede ‚Sauce‘, und nun gar erſt die Sauce im Plural, von
vornherein ſchon gerichtet. Aber laſſen wir den Kardinal
und ſeine Gewagtheiten und nehmen wir den Gegenſtand
ſeiner Abneigung: England. Es hat für mich eine Zeit
gegeben, wo ich bedingungslos dafür ſchwärmte. Nicht
zu verwundern. Hieß es doch damals in dem ganzen
Kreiſe, drin ich lebte: „Ja, wenn wir England nicht
mehr lieben ſollen, was ſollen wir dann überhaupt noch
lieben?“ Dieſe halbe Vergötterung hab' ich noch ehrlich
mit durchgemacht. Aber das iſt nun eine hübſche Weile
her. Sie ſind drüben ſchrecklich 'runtergekommen, weil
der Kult vor dem goldenen Kalbe beſtändig wächſt;
lauter Jobber und die vornehme Welt obenan. Und
dabei ſo heuchleriſch; ſie ſagen „Chriſtus“ und meinen
Kattun.“

„Is leider ſo, wenigſtens nach dem bißchen, was

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0299" n="292"/>
davon haben. Aber &#x017F;o lang er drüben i&#x017F;t! Ich trau'<lb/>
der Sache nicht. Von Behagen jedenfalls keine Rede.<lb/>
Die Vettern &#x017F;ind nun mal nicht zufrieden zu &#x017F;tellen;<lb/>
vielleicht ärgern &#x017F;ie &#x017F;ich, daß es draußen in der Welt<lb/>
auch noch ein &#x201A;Regiment Königin von Großbritannien<lb/>
und Irland&#x2018; giebt. Das be&#x017F;orgen &#x017F;ie &#x017F;ich lieber &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
und nehmen &#x017F;o was, wenn andre damit kommen, wie<lb/>
'ne Präten&#x017F;ion. Wie &#x017F;tehen denn Sie dazu. Sie haben<lb/>
die Beefeaters vielleicht in Ihr Herz ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en wegen<lb/>
der vielen Di&#x017F;&#x017F;enter. Ein Kardinal, der freilich auch<lb/>
noch Gourmand war, &#x017F;oll mal ge&#x017F;agt haben: &#x201A;Schreck¬<lb/>
liches Volk; hundert Sekten und bloß eine Sauce.&#x2018;&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ja,&#x201C; lachte Lorenzen, &#x201E;da bin ich freilich für die<lb/>
&#x201A;Beefeaters&#x2018;, wie Sie &#x017F;agen, und gegen den Kardinal.<lb/>
Das mit den hundert Sekten la&#x017F;&#x017F;' ich auf &#x017F;ich beruhn,<lb/>
(mein Ge&#x017F;chmack, beiläufig, i&#x017F;t es nicht) aber unter allen<lb/>
Um&#x017F;tänden bin ich für höch&#x017F;tens eine Sauce. Das i&#x017F;t<lb/>
das einzig Richtige, weil Ge&#x017F;unde. Die Dinge mü&#x017F;&#x017F;en<lb/>
in &#x017F;ich etwas &#x017F;ein, und wenn das zutrifft, &#x017F;o i&#x017F;t eigentlich<lb/>
jede &#x201A;Sauce&#x2018;, und nun gar er&#x017F;t die Sauce im Plural, von<lb/>
vornherein &#x017F;chon gerichtet. Aber la&#x017F;&#x017F;en wir den Kardinal<lb/>
und &#x017F;eine Gewagtheiten und nehmen wir den Gegen&#x017F;tand<lb/>
&#x017F;einer Abneigung: England. Es hat für mich eine Zeit<lb/>
gegeben, wo ich bedingungslos dafür &#x017F;chwärmte. Nicht<lb/>
zu verwundern. Hieß es doch damals in dem ganzen<lb/>
Krei&#x017F;e, drin ich lebte: &#x201E;Ja, wenn wir England nicht<lb/>
mehr lieben &#x017F;ollen, was &#x017F;ollen wir dann überhaupt noch<lb/>
lieben?&#x201C; Die&#x017F;e halbe Vergötterung hab' ich noch ehrlich<lb/>
mit durchgemacht. Aber das i&#x017F;t nun eine hüb&#x017F;che Weile<lb/>
her. Sie &#x017F;ind drüben &#x017F;chrecklich 'runtergekommen, weil<lb/>
der Kult vor dem goldenen Kalbe be&#x017F;tändig wäch&#x017F;t;<lb/>
lauter Jobber und die vornehme Welt obenan. Und<lb/>
dabei &#x017F;o heuchleri&#x017F;ch; &#x017F;ie &#x017F;agen &#x201E;Chri&#x017F;tus&#x201C; und meinen<lb/>
Kattun.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Is leider &#x017F;o, wenig&#x017F;tens nach dem bißchen, was<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[292/0299] davon haben. Aber ſo lang er drüben iſt! Ich trau' der Sache nicht. Von Behagen jedenfalls keine Rede. Die Vettern ſind nun mal nicht zufrieden zu ſtellen; vielleicht ärgern ſie ſich, daß es draußen in der Welt auch noch ein ‚Regiment Königin von Großbritannien und Irland‘ giebt. Das beſorgen ſie ſich lieber ſelbſt und nehmen ſo was, wenn andre damit kommen, wie 'ne Prätenſion. Wie ſtehen denn Sie dazu. Sie haben die Beefeaters vielleicht in Ihr Herz geſchloſſen wegen der vielen Diſſenter. Ein Kardinal, der freilich auch noch Gourmand war, ſoll mal geſagt haben: ‚Schreck¬ liches Volk; hundert Sekten und bloß eine Sauce.‘“ „Ja,“ lachte Lorenzen, „da bin ich freilich für die ‚Beefeaters‘, wie Sie ſagen, und gegen den Kardinal. Das mit den hundert Sekten laſſ' ich auf ſich beruhn, (mein Geſchmack, beiläufig, iſt es nicht) aber unter allen Umſtänden bin ich für höchſtens eine Sauce. Das iſt das einzig Richtige, weil Geſunde. Die Dinge müſſen in ſich etwas ſein, und wenn das zutrifft, ſo iſt eigentlich jede ‚Sauce‘, und nun gar erſt die Sauce im Plural, von vornherein ſchon gerichtet. Aber laſſen wir den Kardinal und ſeine Gewagtheiten und nehmen wir den Gegenſtand ſeiner Abneigung: England. Es hat für mich eine Zeit gegeben, wo ich bedingungslos dafür ſchwärmte. Nicht zu verwundern. Hieß es doch damals in dem ganzen Kreiſe, drin ich lebte: „Ja, wenn wir England nicht mehr lieben ſollen, was ſollen wir dann überhaupt noch lieben?“ Dieſe halbe Vergötterung hab' ich noch ehrlich mit durchgemacht. Aber das iſt nun eine hübſche Weile her. Sie ſind drüben ſchrecklich 'runtergekommen, weil der Kult vor dem goldenen Kalbe beſtändig wächſt; lauter Jobber und die vornehme Welt obenan. Und dabei ſo heuchleriſch; ſie ſagen „Chriſtus“ und meinen Kattun.“ „Is leider ſo, wenigſtens nach dem bißchen, was

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/299
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/299>, abgerufen am 02.06.2024.