hin und sah eben auf die von Globsow her herauf¬ führende schmale Straße, als er einer alten Frau von wohl siebzig gewahr wurde, die, mit einer mit Reisig bepackten Kiepe, den leis ansteigenden Weg herauf¬ kam, etliche Schritte vor ihr ein Kind mit ein paar Enzianstauden in der Hand. Das Kind, ein Mädchen, mochte zehn Jahr sein, und das Licht fiel so, daß das blonde wirre Haar wie leuchtend um des Kindes Kopf stand. Als die Kleine bis fast an die Bank heran war, blieb sie stehn und erwartete da das Näherkommen der alten Frau. Diese, die wohl sah, daß das Kind in Furcht oder doch in Verlegenheit war, sagte: "Geih man vorupp, Agnes; he deiht di nix."
Das Kind, sich bezwingend, ging nun auch wirk¬ lich, und während es an der Bank vorüberkam, sah es den alten Herrn mit großen klugen Augen an.
Inzwischen war auch die Alte herangekommen.
"Na, Buschen," sagte Dubslav, "habt Ihr denn auch bloß Bruchholz in Eurer Kiepe? Sonst packt Euch der Förster."
Die Alte griente. "Jott, jnädiger Herr, wenn Se doabi sinn, denn wird he joa woll nich."
"Na, ich denk' auch; is immer nich so schlimm. Und wer is denn das Kind da?"
"Dat is joa Karlinens."
"So, so, Karlinens. Is sie denn noch in Berlin? Und wird er sie denn heiraten? Ich meine den Rentsch in Globsow."
"Ne, he will joa nich."
"Is aber doch von ihm?"
"Joa, se seggt so. Awers he seggt, he wihr et nich."
Der alte Dubslav lachte. "Na, hört, Buschen, ich kann's ihm eigentlich nich verdenken. Der Rentsch is ja doch ein ganz schwarzer Kerl. Un nu seht Euch mal das Kind an."
hin und ſah eben auf die von Globſow her herauf¬ führende ſchmale Straße, als er einer alten Frau von wohl ſiebzig gewahr wurde, die, mit einer mit Reiſig bepackten Kiepe, den leis anſteigenden Weg herauf¬ kam, etliche Schritte vor ihr ein Kind mit ein paar Enzianſtauden in der Hand. Das Kind, ein Mädchen, mochte zehn Jahr ſein, und das Licht fiel ſo, daß das blonde wirre Haar wie leuchtend um des Kindes Kopf ſtand. Als die Kleine bis faſt an die Bank heran war, blieb ſie ſtehn und erwartete da das Näherkommen der alten Frau. Dieſe, die wohl ſah, daß das Kind in Furcht oder doch in Verlegenheit war, ſagte: „Geih man vorupp, Agnes; he deiht di nix.“
Das Kind, ſich bezwingend, ging nun auch wirk¬ lich, und während es an der Bank vorüberkam, ſah es den alten Herrn mit großen klugen Augen an.
Inzwiſchen war auch die Alte herangekommen.
„Na, Buſchen,“ ſagte Dubslav, „habt Ihr denn auch bloß Bruchholz in Eurer Kiepe? Sonſt packt Euch der Förſter.“
Die Alte griente. „Jott, jnädiger Herr, wenn Se doabi ſinn, denn wird he joa woll nich.“
„Na, ich denk' auch; is immer nich ſo ſchlimm. Und wer is denn das Kind da?“
„Dat is joa Karlinens.“
„So, ſo, Karlinens. Is ſie denn noch in Berlin? Und wird er ſie denn heiraten? Ich meine den Rentſch in Globſow.“
„Ne, he will joa nich.“
„Is aber doch von ihm?“
„Joa, ſe ſeggt ſo. Awers he ſeggt, he wihr et nich.“
Der alte Dubslav lachte. „Na, hört, Buſchen, ich kann's ihm eigentlich nich verdenken. Der Rentſch is ja doch ein ganz ſchwarzer Kerl. Un nu ſeht Euch mal das Kind an.“
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0302"n="295"/>
hin und ſah eben auf die von Globſow her herauf¬<lb/>
führende ſchmale Straße, als er einer alten Frau von<lb/>
wohl ſiebzig gewahr wurde, die, mit einer mit<lb/>
Reiſig bepackten Kiepe, den leis anſteigenden Weg herauf¬<lb/>
kam, etliche Schritte vor ihr ein Kind mit ein paar<lb/>
Enzianſtauden in der Hand. Das Kind, ein Mädchen,<lb/>
mochte zehn Jahr ſein, und das Licht fiel ſo, daß das<lb/>
blonde wirre Haar wie leuchtend um des Kindes Kopf<lb/>ſtand. Als die Kleine bis faſt an die Bank heran war,<lb/>
blieb ſie ſtehn und erwartete da das Näherkommen der<lb/>
alten Frau. Dieſe, die wohl ſah, daß das Kind in<lb/>
Furcht oder doch in Verlegenheit war, ſagte: „Geih man<lb/>
vorupp, Agnes; he deiht di nix.“</p><lb/><p>Das Kind, ſich bezwingend, ging nun auch wirk¬<lb/>
lich, und während es an der Bank vorüberkam, ſah es<lb/>
den alten Herrn mit großen klugen Augen an.</p><lb/><p>Inzwiſchen war auch die Alte herangekommen.</p><lb/><p>„Na, Buſchen,“ſagte Dubslav, „habt Ihr denn<lb/>
auch bloß Bruchholz in Eurer Kiepe? Sonſt packt Euch<lb/>
der Förſter.“</p><lb/><p>Die Alte griente. „Jott, jnädiger Herr, wenn Se<lb/>
doabi ſinn, denn wird he joa woll nich.“</p><lb/><p>„Na, ich denk' auch; is immer nich ſo ſchlimm.<lb/>
Und wer is denn das Kind da?“</p><lb/><p>„Dat is joa Karlinens.“</p><lb/><p>„So, ſo, Karlinens. Is ſie denn noch in Berlin?<lb/>
Und wird er ſie denn heiraten? Ich meine den Rentſch<lb/>
in Globſow.“</p><lb/><p>„Ne, he will joa nich.“</p><lb/><p>„Is aber doch von ihm?“</p><lb/><p>„Joa, ſe ſeggt ſo. Awers he ſeggt, he wihr et nich.“</p><lb/><p>Der alte Dubslav lachte. „Na, hört, Buſchen, ich<lb/>
kann's ihm eigentlich nich verdenken. Der Rentſch is<lb/>
ja doch ein ganz ſchwarzer Kerl. Un nu ſeht Euch mal<lb/>
das Kind an.“<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[295/0302]
hin und ſah eben auf die von Globſow her herauf¬
führende ſchmale Straße, als er einer alten Frau von
wohl ſiebzig gewahr wurde, die, mit einer mit
Reiſig bepackten Kiepe, den leis anſteigenden Weg herauf¬
kam, etliche Schritte vor ihr ein Kind mit ein paar
Enzianſtauden in der Hand. Das Kind, ein Mädchen,
mochte zehn Jahr ſein, und das Licht fiel ſo, daß das
blonde wirre Haar wie leuchtend um des Kindes Kopf
ſtand. Als die Kleine bis faſt an die Bank heran war,
blieb ſie ſtehn und erwartete da das Näherkommen der
alten Frau. Dieſe, die wohl ſah, daß das Kind in
Furcht oder doch in Verlegenheit war, ſagte: „Geih man
vorupp, Agnes; he deiht di nix.“
Das Kind, ſich bezwingend, ging nun auch wirk¬
lich, und während es an der Bank vorüberkam, ſah es
den alten Herrn mit großen klugen Augen an.
Inzwiſchen war auch die Alte herangekommen.
„Na, Buſchen,“ ſagte Dubslav, „habt Ihr denn
auch bloß Bruchholz in Eurer Kiepe? Sonſt packt Euch
der Förſter.“
Die Alte griente. „Jott, jnädiger Herr, wenn Se
doabi ſinn, denn wird he joa woll nich.“
„Na, ich denk' auch; is immer nich ſo ſchlimm.
Und wer is denn das Kind da?“
„Dat is joa Karlinens.“
„So, ſo, Karlinens. Is ſie denn noch in Berlin?
Und wird er ſie denn heiraten? Ich meine den Rentſch
in Globſow.“
„Ne, he will joa nich.“
„Is aber doch von ihm?“
„Joa, ſe ſeggt ſo. Awers he ſeggt, he wihr et nich.“
Der alte Dubslav lachte. „Na, hört, Buſchen, ich
kann's ihm eigentlich nich verdenken. Der Rentſch is
ja doch ein ganz ſchwarzer Kerl. Un nu ſeht Euch mal
das Kind an.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/302>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.