sein. Aber ich hätte mich dem ohnerachtet auch gern um Künstlerisches gekümmert, speziell um Malerisches. So zum Beispiel um die Schule der Präraffaeliten."
"Ein überwundener Standpunkt. Einige waren da, deren Auftreten auch von uns (ich spreche von den Künst¬ lern meiner Richtung) mit Aufmerksamkeit und selbst mit Achtung verfolgt wurde. So beispielsweise Millais ..."
"Ah, der. Sehr wahr. Ich erinnere mich seines bedeutendsten Bildes, das leider nach Amerika hin ver¬ kauft wurde. Wenn ich nicht irre, zu einem enormen Preise."
Cujacias nickte. "Mutmaßlich das vielgefeierte ,Angelusbild', was Ihnen vorschwebt, Herr Rittmeister, eine von Händlern heraufgepuffte Marktware, für die Sie glücklicherweise den englischen Millais, will also sagen, den ,a, i, s' = Millais nicht verantwortlich machen dürfen. Der Millet, der für eine, wie Sie schon be¬ merkten, lächerlich hohe Summe nach Amerika hin ver¬ kauft wurde, war ein ,e, t' = Millet, Vollblutpariser oder wenigstens Franzose."
Woldemar geriet über diese Verwechslung in eine kleine Verlegenheit, die Damen mit ihm, alles sehr zur Erbauung des Professors, dessen rasch wachsendes Über¬ legenheitsgefühl unter dem Eindruck dieses Fauxpas immer neue Blüten übermütiger Laune trieb. "Im übrigen sei mir's verziehen," fuhr er, immer leuchtender werdend, fort, "wenn ich mein Urteil über beide kurz dahin zusammen¬ fasse: ,sie sind einander wert' und die zwei großen west¬ lichen Kulturvölker mögen sich darüber streiten, wer von ihnen am meisten genasführt wurde. Der französische Millet ist eine Null, ein Zwerg, neben dem der englische ver¬ gleichsweise zum Riesen anwächst, wohlverstanden ver¬ gleichsweise. Trotzdem, wie mir gestattet sein mag zu wiederholen, war er zu Beginn seiner Laufbahn ein Gegen¬ stand unsrer hiesigen Aufmerksamkeit. Und mit Recht.
ſein. Aber ich hätte mich dem ohnerachtet auch gern um Künſtleriſches gekümmert, ſpeziell um Maleriſches. So zum Beiſpiel um die Schule der Präraffaeliten.“
„Ein überwundener Standpunkt. Einige waren da, deren Auftreten auch von uns (ich ſpreche von den Künſt¬ lern meiner Richtung) mit Aufmerkſamkeit und ſelbſt mit Achtung verfolgt wurde. So beiſpielsweiſe Millais ...“
„Ah, der. Sehr wahr. Ich erinnere mich ſeines bedeutendſten Bildes, das leider nach Amerika hin ver¬ kauft wurde. Wenn ich nicht irre, zu einem enormen Preiſe.“
Cujacias nickte. „Mutmaßlich das vielgefeierte ‚Angelusbild‘, was Ihnen vorſchwebt, Herr Rittmeiſter, eine von Händlern heraufgepuffte Marktware, für die Sie glücklicherweiſe den engliſchen Millais, will alſo ſagen, den ‚a, i, s‘ = Millais nicht verantwortlich machen dürfen. Der Millet, der für eine, wie Sie ſchon be¬ merkten, lächerlich hohe Summe nach Amerika hin ver¬ kauft wurde, war ein ‚e, t‘ = Millet, Vollblutpariſer oder wenigſtens Franzoſe.“
Woldemar geriet über dieſe Verwechslung in eine kleine Verlegenheit, die Damen mit ihm, alles ſehr zur Erbauung des Profeſſors, deſſen raſch wachſendes Über¬ legenheitsgefühl unter dem Eindruck dieſes Fauxpas immer neue Blüten übermütiger Laune trieb. „Im übrigen ſei mir's verziehen,“ fuhr er, immer leuchtender werdend, fort, „wenn ich mein Urteil über beide kurz dahin zuſammen¬ faſſe: ‚ſie ſind einander wert‘ und die zwei großen weſt¬ lichen Kulturvölker mögen ſich darüber ſtreiten, wer von ihnen am meiſten genasführt wurde. Der franzöſiſche Millet iſt eine Null, ein Zwerg, neben dem der engliſche ver¬ gleichsweiſe zum Rieſen anwächſt, wohlverſtanden ver¬ gleichsweiſe. Trotzdem, wie mir geſtattet ſein mag zu wiederholen, war er zu Beginn ſeiner Laufbahn ein Gegen¬ ſtand unſrer hieſigen Aufmerkſamkeit. Und mit Recht.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0319"n="312"/>ſein. Aber ich hätte mich dem ohnerachtet auch gern um<lb/>
Künſtleriſches gekümmert, ſpeziell um Maleriſches. So<lb/>
zum Beiſpiel um die Schule der Präraffaeliten.“</p><lb/><p>„Ein überwundener Standpunkt. Einige waren da,<lb/>
deren Auftreten auch von uns (ich ſpreche von den Künſt¬<lb/>
lern meiner Richtung) mit Aufmerkſamkeit und ſelbſt mit<lb/>
Achtung verfolgt wurde. So beiſpielsweiſe Millais ...“<lb/></p><p>„Ah, <hirendition="#g">der</hi>. Sehr wahr. Ich erinnere mich ſeines<lb/>
bedeutendſten Bildes, das leider nach Amerika hin ver¬<lb/>
kauft wurde. Wenn ich nicht irre, zu einem enormen<lb/>
Preiſe.“</p><lb/><p>Cujacias nickte. „Mutmaßlich das vielgefeierte<lb/>‚Angelusbild‘, was Ihnen vorſchwebt, Herr Rittmeiſter,<lb/>
eine von Händlern heraufgepuffte Marktware, für die<lb/>
Sie glücklicherweiſe den engliſchen Millais, will alſo<lb/>ſagen, den ‚a, i, s‘ = Millais nicht verantwortlich machen<lb/>
dürfen. Der Millet, der für eine, wie Sie ſchon be¬<lb/>
merkten, lächerlich hohe Summe nach Amerika hin ver¬<lb/>
kauft wurde, war ein ‚e, t‘ = Millet, Vollblutpariſer oder<lb/>
wenigſtens Franzoſe.“</p><lb/><p>Woldemar geriet über dieſe Verwechslung in eine<lb/>
kleine Verlegenheit, die Damen mit ihm, alles ſehr zur<lb/>
Erbauung des Profeſſors, deſſen raſch wachſendes Über¬<lb/>
legenheitsgefühl unter dem Eindruck dieſes Fauxpas immer<lb/>
neue Blüten übermütiger Laune trieb. „Im übrigen ſei<lb/>
mir's verziehen,“ fuhr er, immer leuchtender werdend,<lb/>
fort, „wenn ich mein Urteil über beide kurz dahin zuſammen¬<lb/>
faſſe: ‚ſie ſind einander wert‘ und die zwei großen weſt¬<lb/>
lichen <choice><sic>Kulturvölkr</sic><corr>Kulturvölker</corr></choice> mögen ſich darüber ſtreiten, wer von<lb/>
ihnen am meiſten genasführt wurde. Der franzöſiſche<lb/>
Millet iſt eine Null, ein Zwerg, neben dem der engliſche ver¬<lb/>
gleichsweiſe zum Rieſen anwächſt, wohlverſtanden ver¬<lb/>
gleichsweiſe. Trotzdem, wie mir geſtattet ſein mag zu<lb/>
wiederholen, war er zu Beginn ſeiner Laufbahn ein Gegen¬<lb/>ſtand unſrer hieſigen Aufmerkſamkeit. Und mit Recht.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[312/0319]
ſein. Aber ich hätte mich dem ohnerachtet auch gern um
Künſtleriſches gekümmert, ſpeziell um Maleriſches. So
zum Beiſpiel um die Schule der Präraffaeliten.“
„Ein überwundener Standpunkt. Einige waren da,
deren Auftreten auch von uns (ich ſpreche von den Künſt¬
lern meiner Richtung) mit Aufmerkſamkeit und ſelbſt mit
Achtung verfolgt wurde. So beiſpielsweiſe Millais ...“
„Ah, der. Sehr wahr. Ich erinnere mich ſeines
bedeutendſten Bildes, das leider nach Amerika hin ver¬
kauft wurde. Wenn ich nicht irre, zu einem enormen
Preiſe.“
Cujacias nickte. „Mutmaßlich das vielgefeierte
‚Angelusbild‘, was Ihnen vorſchwebt, Herr Rittmeiſter,
eine von Händlern heraufgepuffte Marktware, für die
Sie glücklicherweiſe den engliſchen Millais, will alſo
ſagen, den ‚a, i, s‘ = Millais nicht verantwortlich machen
dürfen. Der Millet, der für eine, wie Sie ſchon be¬
merkten, lächerlich hohe Summe nach Amerika hin ver¬
kauft wurde, war ein ‚e, t‘ = Millet, Vollblutpariſer oder
wenigſtens Franzoſe.“
Woldemar geriet über dieſe Verwechslung in eine
kleine Verlegenheit, die Damen mit ihm, alles ſehr zur
Erbauung des Profeſſors, deſſen raſch wachſendes Über¬
legenheitsgefühl unter dem Eindruck dieſes Fauxpas immer
neue Blüten übermütiger Laune trieb. „Im übrigen ſei
mir's verziehen,“ fuhr er, immer leuchtender werdend,
fort, „wenn ich mein Urteil über beide kurz dahin zuſammen¬
faſſe: ‚ſie ſind einander wert‘ und die zwei großen weſt¬
lichen Kulturvölker mögen ſich darüber ſtreiten, wer von
ihnen am meiſten genasführt wurde. Der franzöſiſche
Millet iſt eine Null, ein Zwerg, neben dem der engliſche ver¬
gleichsweiſe zum Rieſen anwächſt, wohlverſtanden ver¬
gleichsweiſe. Trotzdem, wie mir geſtattet ſein mag zu
wiederholen, war er zu Beginn ſeiner Laufbahn ein Gegen¬
ſtand unſrer hieſigen Aufmerkſamkeit. Und mit Recht.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/319>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.