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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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ich habe zu Dir das Vertrauen, daß Du richtig gewählt
hast, und daß man Dich nicht im Stiche lassen wird.
Außerdem, ein richtiger Märker hat Augen im Kopf und
is beinah' so helle wie 'n Sachse.

Wie immer Dein alter Vater Dubslav von Stechlin."


Es war Ende November, als Woldemar diesen Brief
erhielt. Er überwand ihn rasch, und am dritten Tag
las er alles schon mit einer gewissen Freudigkeit. Ganz
der Alte; jede Zeile voll Liebe, voll Güte, voll Schnurrig¬
keiten. Und eben diese Schnurren, trafen sie nicht eigent¬
lich auch den Nagel auf den Kopf? Sicherlich. Was aber
das beste war, so sehr das alles im allgemeinen passen
mochte, auf die Barbys paßte so gut wie nichts davon; die
waren doch anders, die suchten nicht Fühlung nach oben
und nicht nach unten, die marchandierten nicht mit links
und nicht mit rechts, die waren nur Menschen, und daß
sie nur das sein wollten, das war ihr Glück und zugleich
ihr Hochgefühl. Woldemar sagte sich denn auch, daß der
Alte, wenn er sie nur erst kennen gelernt haben würde,
mit fliegenden Fahnen ins Barbysche Lager übergehen
würde. Der alte Graf, Armgard und vor allem Melu¬
sine. Die war genau das, was der Alte brauchte, wobei
ihm das Herz aufging.

Den Weihnachtsabend verbrachte Woldemar am Kron¬
prinzenufer. Auch Wrschowitz und Cujacius -- von denen
jener natülich unverheiratet, dieser wegen beständiger
Streiterei von seiner Frau geschieden war -- waren zu¬
gegen. Cujacius hatte gebeten, ein Krippentransparent
malen zu dürfen, was denn auch, als es erschien, auf
einen Nebentisch gestellt und allseitig bewundert wurde.
Die drei Könige waren Porträts: der alte Graf, Cujacius
selbst und Wrschowitz (als Mohrenkönig); letzterer, trotz
Wollhaar und aufgeworfener Lippe, von frappanter Ähn¬

ich habe zu Dir das Vertrauen, daß Du richtig gewählt
haſt, und daß man Dich nicht im Stiche laſſen wird.
Außerdem, ein richtiger Märker hat Augen im Kopf und
is beinah' ſo helle wie 'n Sachſe.

Wie immer Dein alter Vater Dubslav von Stechlin.“


Es war Ende November, als Woldemar dieſen Brief
erhielt. Er überwand ihn raſch, und am dritten Tag
las er alles ſchon mit einer gewiſſen Freudigkeit. Ganz
der Alte; jede Zeile voll Liebe, voll Güte, voll Schnurrig¬
keiten. Und eben dieſe Schnurren, trafen ſie nicht eigent¬
lich auch den Nagel auf den Kopf? Sicherlich. Was aber
das beſte war, ſo ſehr das alles im allgemeinen paſſen
mochte, auf die Barbys paßte ſo gut wie nichts davon; die
waren doch anders, die ſuchten nicht Fühlung nach oben
und nicht nach unten, die marchandierten nicht mit links
und nicht mit rechts, die waren nur Menſchen, und daß
ſie nur das ſein wollten, das war ihr Glück und zugleich
ihr Hochgefühl. Woldemar ſagte ſich denn auch, daß der
Alte, wenn er ſie nur erſt kennen gelernt haben würde,
mit fliegenden Fahnen ins Barbyſche Lager übergehen
würde. Der alte Graf, Armgard und vor allem Melu¬
ſine. Die war genau das, was der Alte brauchte, wobei
ihm das Herz aufging.

Den Weihnachtsabend verbrachte Woldemar am Kron¬
prinzenufer. Auch Wrſchowitz und Cujacius — von denen
jener natülich unverheiratet, dieſer wegen beſtändiger
Streiterei von ſeiner Frau geſchieden war — waren zu¬
gegen. Cujacius hatte gebeten, ein Krippentransparent
malen zu dürfen, was denn auch, als es erſchien, auf
einen Nebentiſch geſtellt und allſeitig bewundert wurde.
Die drei Könige waren Porträts: der alte Graf, Cujacius
ſelbſt und Wrſchowitz (als Mohrenkönig); letzterer, trotz
Wollhaar und aufgeworfener Lippe, von frappanter Ähn¬

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[325/0332] ich habe zu Dir das Vertrauen, daß Du richtig gewählt haſt, und daß man Dich nicht im Stiche laſſen wird. Außerdem, ein richtiger Märker hat Augen im Kopf und is beinah' ſo helle wie 'n Sachſe. Wie immer Dein alter Vater Dubslav von Stechlin.“ Es war Ende November, als Woldemar dieſen Brief erhielt. Er überwand ihn raſch, und am dritten Tag las er alles ſchon mit einer gewiſſen Freudigkeit. Ganz der Alte; jede Zeile voll Liebe, voll Güte, voll Schnurrig¬ keiten. Und eben dieſe Schnurren, trafen ſie nicht eigent¬ lich auch den Nagel auf den Kopf? Sicherlich. Was aber das beſte war, ſo ſehr das alles im allgemeinen paſſen mochte, auf die Barbys paßte ſo gut wie nichts davon; die waren doch anders, die ſuchten nicht Fühlung nach oben und nicht nach unten, die marchandierten nicht mit links und nicht mit rechts, die waren nur Menſchen, und daß ſie nur das ſein wollten, das war ihr Glück und zugleich ihr Hochgefühl. Woldemar ſagte ſich denn auch, daß der Alte, wenn er ſie nur erſt kennen gelernt haben würde, mit fliegenden Fahnen ins Barbyſche Lager übergehen würde. Der alte Graf, Armgard und vor allem Melu¬ ſine. Die war genau das, was der Alte brauchte, wobei ihm das Herz aufging. Den Weihnachtsabend verbrachte Woldemar am Kron¬ prinzenufer. Auch Wrſchowitz und Cujacius — von denen jener natülich unverheiratet, dieſer wegen beſtändiger Streiterei von ſeiner Frau geſchieden war — waren zu¬ gegen. Cujacius hatte gebeten, ein Krippentransparent malen zu dürfen, was denn auch, als es erſchien, auf einen Nebentiſch geſtellt und allſeitig bewundert wurde. Die drei Könige waren Porträts: der alte Graf, Cujacius ſelbſt und Wrſchowitz (als Mohrenkönig); letzterer, trotz Wollhaar und aufgeworfener Lippe, von frappanter Ähn¬

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/332>, abgerufen am 25.11.2024.