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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Nu, der hat 'nen Sohn und mit dem is er mitunter ver¬
schiedner Meinung. Aber dagegen is doch nicht viel zu
sagen; das is in der ganzen Welt so. Der Alte hängt
noch am Alten und der Junge, nu, der is eben ein Jung¬
scher und bramarbasiert ein bißchen. Ich weiß nicht recht,
zu welcher Partei er sich hält, er wird aber wohl für
Torgelow gestimmt haben. Nu, mein Gott, warum nicht?
Das thun jetzt viele. Daran muß man sich gewöhnen.
Das is eben das Politische."

"Nein, Herr Major. Herr Major wollen verzeihn,
aber bei diesem Isidor is es nicht das Politische. Komme
ja jeden dritten Tag hin und seh' den Alten in seinem
Laden und höre, was er da redt und redt. Und der
Junge redt auch und redt immer ,von's Prinzip'. Das
Prinzip is ihm aber egal. Er will bloß mogeln und
den Alten an die Wand drücken. Und das ist das, was
ich das Zweideutige nenne."


Armgard, Woldemar und Tante Adelheid hatten die
Mitte genommen. Als sie bis in die Nähe der Seespitze
gekommen waren, immer unter einem verschneiten Buchen-
und Eichengange hin, wurden sie durch ein Geräusch wie
von brechenden kleinen Ästen aufmerksam gemacht, und ihr
Auge nach oben richtend, gewahrten sie, wie zwei Eich¬
hörnchen über ihnen spielten und in beständigem Sich¬
haschen von Baum zu Baum sprangen. Die Zweige
knickten, und der Schnee stäubte hernieder. Armgard
mochte sich von dem Schauspiel nicht trennen, lachte, wenn
die momentan verschwundenen Tierchen mit einem Male
wieder zum Vorschein kamen und gab ihre Beobachtung
erst auf, als die Domina, nicht direkt unfreundlich, aber
doch ziemlich ungeduldig und jedenfalls wie gelangweilt,
zu ihr bemerkte: "Ja, Comtesse, die springen; es sind eben
Eichhörnchen." Einige Minuten später hatten alle die

Nu, der hat 'nen Sohn und mit dem is er mitunter ver¬
ſchiedner Meinung. Aber dagegen is doch nicht viel zu
ſagen; das is in der ganzen Welt ſo. Der Alte hängt
noch am Alten und der Junge, nu, der is eben ein Jung¬
ſcher und bramarbaſiert ein bißchen. Ich weiß nicht recht,
zu welcher Partei er ſich hält, er wird aber wohl für
Torgelow geſtimmt haben. Nu, mein Gott, warum nicht?
Das thun jetzt viele. Daran muß man ſich gewöhnen.
Das is eben das Politiſche.“

„Nein, Herr Major. Herr Major wollen verzeihn,
aber bei dieſem Iſidor is es nicht das Politiſche. Komme
ja jeden dritten Tag hin und ſeh' den Alten in ſeinem
Laden und höre, was er da redt und redt. Und der
Junge redt auch und redt immer ‚von's Prinzip‘. Das
Prinzip is ihm aber egal. Er will bloß mogeln und
den Alten an die Wand drücken. Und das iſt das, was
ich das Zweideutige nenne.“


Armgard, Woldemar und Tante Adelheid hatten die
Mitte genommen. Als ſie bis in die Nähe der Seeſpitze
gekommen waren, immer unter einem verſchneiten Buchen-
und Eichengange hin, wurden ſie durch ein Geräuſch wie
von brechenden kleinen Äſten aufmerkſam gemacht, und ihr
Auge nach oben richtend, gewahrten ſie, wie zwei Eich¬
hörnchen über ihnen ſpielten und in beſtändigem Sich¬
haſchen von Baum zu Baum ſprangen. Die Zweige
knickten, und der Schnee ſtäubte hernieder. Armgard
mochte ſich von dem Schauſpiel nicht trennen, lachte, wenn
die momentan verſchwundenen Tierchen mit einem Male
wieder zum Vorſchein kamen und gab ihre Beobachtung
erſt auf, als die Domina, nicht direkt unfreundlich, aber
doch ziemlich ungeduldig und jedenfalls wie gelangweilt,
zu ihr bemerkte: „Ja, Comteſſe, die ſpringen; es ſind eben
Eichhörnchen.“ Einige Minuten ſpäter hatten alle die

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[348/0355] Nu, der hat 'nen Sohn und mit dem is er mitunter ver¬ ſchiedner Meinung. Aber dagegen is doch nicht viel zu ſagen; das is in der ganzen Welt ſo. Der Alte hängt noch am Alten und der Junge, nu, der is eben ein Jung¬ ſcher und bramarbaſiert ein bißchen. Ich weiß nicht recht, zu welcher Partei er ſich hält, er wird aber wohl für Torgelow geſtimmt haben. Nu, mein Gott, warum nicht? Das thun jetzt viele. Daran muß man ſich gewöhnen. Das is eben das Politiſche.“ „Nein, Herr Major. Herr Major wollen verzeihn, aber bei dieſem Iſidor is es nicht das Politiſche. Komme ja jeden dritten Tag hin und ſeh' den Alten in ſeinem Laden und höre, was er da redt und redt. Und der Junge redt auch und redt immer ‚von's Prinzip‘. Das Prinzip is ihm aber egal. Er will bloß mogeln und den Alten an die Wand drücken. Und das iſt das, was ich das Zweideutige nenne.“ Armgard, Woldemar und Tante Adelheid hatten die Mitte genommen. Als ſie bis in die Nähe der Seeſpitze gekommen waren, immer unter einem verſchneiten Buchen- und Eichengange hin, wurden ſie durch ein Geräuſch wie von brechenden kleinen Äſten aufmerkſam gemacht, und ihr Auge nach oben richtend, gewahrten ſie, wie zwei Eich¬ hörnchen über ihnen ſpielten und in beſtändigem Sich¬ haſchen von Baum zu Baum ſprangen. Die Zweige knickten, und der Schnee ſtäubte hernieder. Armgard mochte ſich von dem Schauſpiel nicht trennen, lachte, wenn die momentan verſchwundenen Tierchen mit einem Male wieder zum Vorſchein kamen und gab ihre Beobachtung erſt auf, als die Domina, nicht direkt unfreundlich, aber doch ziemlich ungeduldig und jedenfalls wie gelangweilt, zu ihr bemerkte: „Ja, Comteſſe, die ſpringen; es ſind eben Eichhörnchen.“ Einige Minuten ſpäter hatten alle die

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/355>, abgerufen am 22.11.2024.