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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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sondern auch allermodernste Silhouetten, sagen wir aus
der Diplomatenloge. Da kommt dann schon eine ganz hübsche
Galerie zusammen. Und wißt ihr, Kinder, das mit dem
Museum giebt mir erst eine richtige Vorstellung von dem
Alten und eine volle Befriedigung, beinah' mehr noch,
als daß ihm Melusine gefallen hat. Ich bin sonst nicht
für Sammler. Aber wer Wetterfahnen sammelt, das will
doch was sagen, das ist nicht bloß eine gute Seele,
sondern auch eine kluge Seele, denn es is da so was
drin, wie ein Fingerknips gegen die Gesellschaft. Und
wer den machen kann, das ist mein Mann, mit dem kann
ich leben."


Man blieb nicht lange mehr beisammen; beide
Schwestern, ziemlich ermüdet von der Tagesanstrengung,
zogen sich früh zurück, aber ihr Gespräch über Schloß
Stechlin und die beiden Geistlichen und vor allem über
die Domina (gegen die Melusine heftig eiferte) setzte sich
noch in ihrem Schlafzimmer fort.

"Ich glaube," sagte Armgard, "du legst zu viel Ge¬
wicht auf das, was du das Ästhetische nennst. Und
Woldemar thut es leider auch. Er läßt auf seine Mark
Brandenburg sonst nichts kommen, aber in diesem Punkte
spricht er beinah' so wie du. Wohin er blickt, überall
vermißt er das Schönheitliche. Das Wenige, was da¬
nach aussieht, so klagt er beständig, sei bloß Nachahmung.
Aus eignem Trieb heraus würde hier nichts derart ge¬
boren."

"Und daß er so klagt, das ist das, was ich so ziem¬
lich am meisten an ihm schätze. Du meinst, daß ich, wenn
ich von der Domina spreche, zu viel Gewicht auf diese
doch bloß äußerlichen Dinge lege. Glaube mir, diese
Dinge sind nicht bloß äußerlich. Wer kein feines Gefühl
hat, sei's in Kunst, sei's im Leben, der existiert für mich

ſondern auch allermodernſte Silhouetten, ſagen wir aus
der Diplomatenloge. Da kommt dann ſchon eine ganz hübſche
Galerie zuſammen. Und wißt ihr, Kinder, das mit dem
Muſeum giebt mir erſt eine richtige Vorſtellung von dem
Alten und eine volle Befriedigung, beinah' mehr noch,
als daß ihm Meluſine gefallen hat. Ich bin ſonſt nicht
für Sammler. Aber wer Wetterfahnen ſammelt, das will
doch was ſagen, das iſt nicht bloß eine gute Seele,
ſondern auch eine kluge Seele, denn es is da ſo was
drin, wie ein Fingerknips gegen die Geſellſchaft. Und
wer den machen kann, das iſt mein Mann, mit dem kann
ich leben.“


Man blieb nicht lange mehr beiſammen; beide
Schweſtern, ziemlich ermüdet von der Tagesanſtrengung,
zogen ſich früh zurück, aber ihr Geſpräch über Schloß
Stechlin und die beiden Geiſtlichen und vor allem über
die Domina (gegen die Meluſine heftig eiferte) ſetzte ſich
noch in ihrem Schlafzimmer fort.

„Ich glaube,“ ſagte Armgard, „du legſt zu viel Ge¬
wicht auf das, was du das Äſthetiſche nennſt. Und
Woldemar thut es leider auch. Er läßt auf ſeine Mark
Brandenburg ſonſt nichts kommen, aber in dieſem Punkte
ſpricht er beinah' ſo wie du. Wohin er blickt, überall
vermißt er das Schönheitliche. Das Wenige, was da¬
nach ausſieht, ſo klagt er beſtändig, ſei bloß Nachahmung.
Aus eignem Trieb heraus würde hier nichts derart ge¬
boren.“

„Und daß er ſo klagt, das iſt das, was ich ſo ziem¬
lich am meiſten an ihm ſchätze. Du meinſt, daß ich, wenn
ich von der Domina ſpreche, zu viel Gewicht auf dieſe
doch bloß äußerlichen Dinge lege. Glaube mir, dieſe
Dinge ſind nicht bloß äußerlich. Wer kein feines Gefühl
hat, ſei's in Kunſt, ſei's im Leben, der exiſtiert für mich

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[380/0387] ſondern auch allermodernſte Silhouetten, ſagen wir aus der Diplomatenloge. Da kommt dann ſchon eine ganz hübſche Galerie zuſammen. Und wißt ihr, Kinder, das mit dem Muſeum giebt mir erſt eine richtige Vorſtellung von dem Alten und eine volle Befriedigung, beinah' mehr noch, als daß ihm Meluſine gefallen hat. Ich bin ſonſt nicht für Sammler. Aber wer Wetterfahnen ſammelt, das will doch was ſagen, das iſt nicht bloß eine gute Seele, ſondern auch eine kluge Seele, denn es is da ſo was drin, wie ein Fingerknips gegen die Geſellſchaft. Und wer den machen kann, das iſt mein Mann, mit dem kann ich leben.“ Man blieb nicht lange mehr beiſammen; beide Schweſtern, ziemlich ermüdet von der Tagesanſtrengung, zogen ſich früh zurück, aber ihr Geſpräch über Schloß Stechlin und die beiden Geiſtlichen und vor allem über die Domina (gegen die Meluſine heftig eiferte) ſetzte ſich noch in ihrem Schlafzimmer fort. „Ich glaube,“ ſagte Armgard, „du legſt zu viel Ge¬ wicht auf das, was du das Äſthetiſche nennſt. Und Woldemar thut es leider auch. Er läßt auf ſeine Mark Brandenburg ſonſt nichts kommen, aber in dieſem Punkte ſpricht er beinah' ſo wie du. Wohin er blickt, überall vermißt er das Schönheitliche. Das Wenige, was da¬ nach ausſieht, ſo klagt er beſtändig, ſei bloß Nachahmung. Aus eignem Trieb heraus würde hier nichts derart ge¬ boren.“ „Und daß er ſo klagt, das iſt das, was ich ſo ziem¬ lich am meiſten an ihm ſchätze. Du meinſt, daß ich, wenn ich von der Domina ſpreche, zu viel Gewicht auf dieſe doch bloß äußerlichen Dinge lege. Glaube mir, dieſe Dinge ſind nicht bloß äußerlich. Wer kein feines Gefühl hat, ſei's in Kunſt, ſei's im Leben, der exiſtiert für mich

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/387>, abgerufen am 22.11.2024.