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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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gamum in Berlin, und wäre man nicht so nachsichtig mit
den lieben, nie zahlenden Griechen verfahren, so könnte
man sich, (am Kupfergraben,) im Laufe des Vormittags
in Mykenä und nachmittags in Olympia ergehn."

"Ganz Ihrer Meinung, teuerster Graf. Aber doch
zugleich auch ein wenig betrübt, Sie so dezidiert gegen
alle Reiserei zu finden. Ich stand nämlich auf dem
Punkte, Sie nach Stechlin hin einzuladen, in meine
alte Kathe, die meine guten Globsower unentwegt ein
,Schloß' nennen."

"Ja, lieber Stechlin, Ihre ,Kathe', das ist was
andres. Und um Ihnen ganz die Wahrheit zu sagen,
wenn Sie mich nicht eingeladen hätten (eigentlich ist
es ja noch nicht geschehn, aber ich greife bereits vor),
so hätt' ich mich bei Ihnen angemeldet. Das war
schon lange mein Plan."

In diesem Augenblicke ging draußen die Klingel.
Es war Melusine.

"Bringe den Vätern, respektive Schwiegervätern
allerschönste Grüße. Die Kinder sind jetzt mutmaßlich
schon über Wittenberg, die große Luther- beziehungs¬
weise Apfelkuchenstation hinaus und in weniger als zwei
Stunden fahren sie in den Dresdener Bahnhof ein.
O diese Glücklichen! Und dabei verwett' ich mich,
Armgard hat bereits Sehnsucht nach Berlin zurück.
Vielleicht sogar nach mir."

"Kein Zweifel," sagte Dubslav. Die Gräfin selbst
aber fuhr fort: "Ehe man nämlich ganz Abschied von dem
alten Leben nimmt, sehnt man sich noch einmal gründ¬
lich danach zurück. Freilich, Schwester Armgard wird
weniger davon empfinden als andere. Sie hat eben
den liebenswürdigsten und besten Mann und ich könnt'
ihn ihr beinah' beneiden, trotzdem ich noch im Abschieds¬
moment einen wahren Schreck kriegte, als ich ihn sagen
hörte, daß er morgen vormittag mit ihr vor die Sixtinische

gamum in Berlin, und wäre man nicht ſo nachſichtig mit
den lieben, nie zahlenden Griechen verfahren, ſo könnte
man ſich, (am Kupfergraben,) im Laufe des Vormittags
in Mykenä und nachmittags in Olympia ergehn.“

„Ganz Ihrer Meinung, teuerſter Graf. Aber doch
zugleich auch ein wenig betrübt, Sie ſo dezidiert gegen
alle Reiſerei zu finden. Ich ſtand nämlich auf dem
Punkte, Sie nach Stechlin hin einzuladen, in meine
alte Kathe, die meine guten Globſower unentwegt ein
‚Schloß‘ nennen.“

„Ja, lieber Stechlin, Ihre ‚Kathe‘, das iſt was
andres. Und um Ihnen ganz die Wahrheit zu ſagen,
wenn Sie mich nicht eingeladen hätten (eigentlich iſt
es ja noch nicht geſchehn, aber ich greife bereits vor),
ſo hätt' ich mich bei Ihnen angemeldet. Das war
ſchon lange mein Plan.“

In dieſem Augenblicke ging draußen die Klingel.
Es war Meluſine.

„Bringe den Vätern, reſpektive Schwiegervätern
allerſchönſte Grüße. Die Kinder ſind jetzt mutmaßlich
ſchon über Wittenberg, die große Luther- beziehungs¬
weiſe Apfelkuchenſtation hinaus und in weniger als zwei
Stunden fahren ſie in den Dresdener Bahnhof ein.
O dieſe Glücklichen! Und dabei verwett' ich mich,
Armgard hat bereits Sehnſucht nach Berlin zurück.
Vielleicht ſogar nach mir.“

„Kein Zweifel,“ ſagte Dubslav. Die Gräfin ſelbſt
aber fuhr fort: „Ehe man nämlich ganz Abſchied von dem
alten Leben nimmt, ſehnt man ſich noch einmal gründ¬
lich danach zurück. Freilich, Schweſter Armgard wird
weniger davon empfinden als andere. Sie hat eben
den liebenswürdigſten und beſten Mann und ich könnt'
ihn ihr beinah' beneiden, trotzdem ich noch im Abſchieds¬
moment einen wahren Schreck kriegte, als ich ihn ſagen
hörte, daß er morgen vormittag mit ihr vor die Sixtiniſche

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[407/0414] gamum in Berlin, und wäre man nicht ſo nachſichtig mit den lieben, nie zahlenden Griechen verfahren, ſo könnte man ſich, (am Kupfergraben,) im Laufe des Vormittags in Mykenä und nachmittags in Olympia ergehn.“ „Ganz Ihrer Meinung, teuerſter Graf. Aber doch zugleich auch ein wenig betrübt, Sie ſo dezidiert gegen alle Reiſerei zu finden. Ich ſtand nämlich auf dem Punkte, Sie nach Stechlin hin einzuladen, in meine alte Kathe, die meine guten Globſower unentwegt ein ‚Schloß‘ nennen.“ „Ja, lieber Stechlin, Ihre ‚Kathe‘, das iſt was andres. Und um Ihnen ganz die Wahrheit zu ſagen, wenn Sie mich nicht eingeladen hätten (eigentlich iſt es ja noch nicht geſchehn, aber ich greife bereits vor), ſo hätt' ich mich bei Ihnen angemeldet. Das war ſchon lange mein Plan.“ In dieſem Augenblicke ging draußen die Klingel. Es war Meluſine. „Bringe den Vätern, reſpektive Schwiegervätern allerſchönſte Grüße. Die Kinder ſind jetzt mutmaßlich ſchon über Wittenberg, die große Luther- beziehungs¬ weiſe Apfelkuchenſtation hinaus und in weniger als zwei Stunden fahren ſie in den Dresdener Bahnhof ein. O dieſe Glücklichen! Und dabei verwett' ich mich, Armgard hat bereits Sehnſucht nach Berlin zurück. Vielleicht ſogar nach mir.“ „Kein Zweifel,“ ſagte Dubslav. Die Gräfin ſelbſt aber fuhr fort: „Ehe man nämlich ganz Abſchied von dem alten Leben nimmt, ſehnt man ſich noch einmal gründ¬ lich danach zurück. Freilich, Schweſter Armgard wird weniger davon empfinden als andere. Sie hat eben den liebenswürdigſten und beſten Mann und ich könnt' ihn ihr beinah' beneiden, trotzdem ich noch im Abſchieds¬ moment einen wahren Schreck kriegte, als ich ihn ſagen hörte, daß er morgen vormittag mit ihr vor die Sixtiniſche

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/414>, abgerufen am 22.11.2024.